Es vibriert hier. Engagierte Menschen zeigen Wege auf, wie Unzufriedenheit mit vielversprechenden Perspektiven ersetzt wird. Gemeinsam setzen sie sich mit Start-ups, Kulturschock, Plastiktüten und Vorurteilen auseinander.[divide]
Die Aspire Conference 2016 in Wien erinnert ein wenig an „Yes we can“, den Wahlkampf-Slogan von Barack Obama. Das Programm der jährlich stattfindenden Konferenz beschäftigte sich von 18. bis 20. November mit Herausforderungen der Gegenwart und scheute wie der bald scheidende US-Präsident keine großen Ziele.
Einblicke in die Workshops
In der Arbeitsgruppe mit dem Thema „Limited resources – limiting resources“ steht Helene Pattermann von Zero Waste Austria mit ruhiger Stimme vor ihrem Publikum. Ganz ohne Müll zu produzieren, kann auch sie ihr Leben nicht bestreiten, gibt Pattermann zu. Dennoch leistet sie mit Begeisterung ihren kleinen Beitrag, um das Ausmaß der Umweltverschmutzung nicht ausufern zu lassen. Beim Einkaufen nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Verpackung zu achten sei hart. Plötzlich steht das geplante Mittagessen auf der Kippe, nur weil das Schinken-Sandwich in einer Plastikform steckt. Ein Vergleich zu anderen Ländern und einem Blick in die Vergangenheit verrät aber, dass wir auch ohne volle Mülleimer auskommen könnten, betont sie in ihrem Vortrag. Hilfreich dabei wären beispielsweise mitgebrachte Einkaufstaschen oder Behälter.
„Ohne Müll zu leben, bedeutet nicht nur daheim rumzusitzen“
meint Pattermann. Und wenn immer mehr Leute darauf bestünden ihr Kipferl beim Bäcker in die eigene Pausenbox zu geben, wäre es auch ihr nicht mehr so peinlich, fügt sie schmunzelnd bei.
Max Dietzel von WhatAVenture hat keine Probleme damit umstrittene Unternehmen wie den Vermittlungsdienst für Taxis Uber oder die Plattform Airbnb als Vorbild für das eigene Business-Modell anzupreisen. In der Arbeitsgruppe „Challenging paradigms through new business models“ macht er den Teilnehmenden Mut ins Unternehmertum einzusteigen. „Wirklich neue Ideen gibt es extrem selten“, sagt Dietzel. Das sei allerdings kein Grund das eigene Vorhaben gleich aufzugeben. Um die Konkurrenz auszustechen, müsse die Kundschaft mit besseren Angeboten gewonnen werden. Mit einer Vision und einer durchdachten Strategie könnten bei Treffen in der Start-up-Szene neue Partner gefunden werden. Voraussetzung dafür bilde aber ein vorhandener Markt für die eigene Idee und die Einbeziehung möglicher Stolpersteine. Auch ob das Anwerben neuer Kundschaft mehr Geld koste als einbringe, müsse bedacht werden. Start-Ups stünden zudem in Gefahr dem großen Ansturm nach der Gründung nicht gewachsen zu sein und die starke Nachfrage nicht sättigen zu können.
Was macht Diskriminierung aus? Dieser Frage stellt sich die Arbeitsgruppe „The Interplay of sexism, racism and religion – How can we contribute to a more gender equal society?” im Workshop von Lisa Kremling von der Diakonie Flüchtlingsdienst. In Kleingruppen werden Begriffe wie Stereotyp und Vorurteile diskutiert. Ohne das Umfeld in Kategorien wie Gefahren, Arbeitslose oder Pflanzen einzuteilen, könnten wir nicht überleben, ist ein Teilnehmer überzeugt.
„Menschen sind doch nicht dumm! Dass wir heiße Dinge wie die Herdplatte oder Feuer nicht anfassen sollen ist ein Unterschied zu dem Glauben, dass alle Mexikaner faul wären“
meint eine Andere. Kremling betont, dass Stereotype sich von Vorurteilen darin unterscheiden, dass letztere eine Bewertung der Gruppe beinhalten. So wäre „alle Mexikaner sind faul“ ein Vorurteil.
Die Arbeitsgruppe „Migration: From challenge to opportunity“ versucht mit Fatima Almukhtar von refugeeswork.at nachzuempfinden, wie sich ein Kulturschock anfühlt. Was in manchen Kulturen zwischen den Zeilen und in der Körpersprache zu finden sei, würde in anderen klar ausgesprochen, erklärt sie. Diese Unterschiede würden bei der Integration eine große Rolle spielen. Eine weitere Hürde stelle wie zu erwarten die neue Sprache bei der interkulturellen Kommunikation dar, oft würden Flüchtlinge mehr wissen, als sie tatsächlich sagen. Einzelne der Arbeitsgruppe probieren aus, bei einem gespielten Meeting eines Fast-Food-Unternehmens strikt gegen den Einstieg in den türkischen Markt zu sein, ohne jemals die Gründe dafür ausführen zu können. Migration ist für die Betroffenen keine leichte Sache. Und wenn sich Menschen integrieren, verändern auch sie sich: Am Ende des Workshops merkt eine Teilnehmerin an:
„Für die Araber bin ich zu österreichisch und für die Österreicher zu arabisch.“
Aspire Conference 2016: Und jetzt?
Nach den Workshops steht ein ausgiebiges Mittagessen mit Vertretern verschiedenster Projekte an, unter anderem stellt ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen RAUN vor. RAUN ist ein Ausbildungsprogramm für die nächste Generation von Internationalisten und Internationalistinnen. Im Rahmen von Workshops und Forschung arbeiten junge Studierende im Master oder PhD mit den Vereinten Nationen zusammen und lernen die Diplomatie kennen.
Wenn Ideen durcheinanderbringen und aufwirbeln, bringt eine Pause zu Entspannung. In einer Meditation haben die Teilnehmenden die Gelegenheit ihre Gedanken zu ordnen. Mit Papier und Stift schreibt jeder anschließend auf, was er über seine Vergangenheit, seine Gegenwart und Zukunft denkt. Zu zweit oder zu dritt wird das Geschriebene besprochen.
(Fotos: Lisa Perkmann)