Im Frühjahr erscheint das neue Album, jetzt tourt die Münchner Band ‘Blackout Problems‘ erst mal durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die drei Jungs stehen in den Startlöchern zur großen Musikkarriere – und müssen dafür hart arbeiten.
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„Heute ist einer von diesen! Einer von diesen scheiß Tagen“, schreit Mario ins Mikrofon und dreht sich zu Schlagzeuger Michael um, der den Laptop bedient. „Einer, an dem diese scheiß Technik nicht funktionieren will.“ Es ist ein kalter Abend Ende November in München. Draußen ist es seit Stunden bereits dunkel. Drinnen, da stehen Sänger und Gitarristen Mario und Marcus zusammen mit Michael unterm Bühnenlicht und verfluchen den Laptop, der gerade alle Backingtracks durcheinander geworfen hat. Die Kameras verfolgen jeden Schritt der Jungs: wie sie sich gegenseitig anschauen, kurz nicht weiter wissen, die Zuhörer irgendwie bei Laune halten müssen, sich schnell einen Alternativplan ausdenken. Der Auftritt der Band auf dem Puls Festival wird gerade live übertragen.
Professionalität und Authentizität lassen sich am besten in Momenten beweisen, in denen es eben nicht so läuft, wie es laufen sollte. ‘Blackout Problems‘, die sich selbst als Alternative-Rock-Band einordnen, machen das Beste aus der Situation, als die Musik nach dem ersten Lied ihres Auftritts einfach nicht anspringen will. „Egal, Leute, scheiß auf die Technik. Lasst uns zusammen feiern“, schreit Mario mit all seinen Kraftreserven. Marcus lacht, spielt den ersten Akkord. Michael gibt kurz darauf mit seinen Drumsticks auf dem Schlagzeug zu „Make Do And Mend“ Vollgas. Innerhalb von Sekunden gewinnen die Jungs Hunderte Sympathiepunkte mehr. „Fight us, we fight back.“
Backstage. Michael hat die weißen Kopfhörer eingesteckt, eine Mütze drüber gezogen. „Stay wild“ und ganz viel ‘Blackout Problems‘-Aufkleber markieren seinen Laptop. Er feilt immer noch am Backingtrack, der sich später auf der Bühne nicht abspielen lassen will. Ein bisschen Drum&Bass im Abgang sollte es sein, ein smoother Übergang sollte es werden. Michael feilt so lange, bis es perfekt klingt.
Die Jungs sitzen auf dem schwarzen Sofa um den kleinen Tisch herum, warten auf ihren Auftritt, sie albern herum, machen dumme Witze, lachen. Die Jungs, das sind Mario, Michael, Marcus aus München und ihr Kumpel Moritz, begleitet von Manager Matthias. Unter einem der herumliegenden Skateboards lugt ein grauer Pulli mit einem riesigen „M“ darauf hervor. Hier scheint bis aufs Detail alles zusammenzupassen.
„Singt – mit – mir“, schreit er in die Menge
„Marcus und ich haben uns in der Schule kennengelernt und mit 13 Jahren die erste Band gegründet“, erzählt Mario. Angefangen hat alles im Keller der Eltern, „um genauer zu sein, in der Sauna“, ergänzt der Musiker mit den Wuschelhaaren, die unter seiner Cap hervor schauen. „Wir haben angefangen, wie eine Band eben anfangen muss: Wir sind Eltern und Nachbarn ganz schön auf den Keks gegangen.“ Das erste Lied entstand mit 14 Jahren. „Wir wollten es. Wir haben einfach angefangen“, erinnert sich Marcus mit einem Grinsen an früher. Früher, das war, als sie noch eine lange Mähne und pinke Chucks trugen.
Mittlerweile sind die Jungs Anfang zwanzig und stehen mit zerrissener Jeans beim Soundcheck auf der Bühne, mit Shirt und Lederjacke, die Haare sind perfekt gestylt. Sehr lange singen sie sich ein, spielen die Lieder immer wieder an. Ob der Techniker den Bass noch ein bisschen lauter drehen kann, wollen sie wissen. Ob nachher ein paar Fans zuhören werden, die nicht nur steif herumstehen, fragen sie sich. Ob denn überhaupt jemand kommen wird?
Kurze Zeit später herrscht vor der Bühne der ‘Blackout Problems‘ Einlassstopp. „Together“, brüllt Mario ins Mikrofon. Der Schweiß tropft ihm mittlerweile von der Stirn. „Together“, grölt die Menge im Chor. „Wollen wir alle zusammen singen? Zusammen! Singt mit mir! Singt – mit –mir“, heizt Mario das Publikum ein, das die Arme nach oben reißt und die unendliche Anspannung, bis das Lied weiter geht, kaum halten kann. Der Beat setzt ein. Die Band brettert los. Die Masse springt.
Dynamische Live-Shows seien ihnen am Wichtigsten, haben die drei Bandmitglieder mal gesagt. Und die beherrschen sie perfekt. Sie spielen alles, neben Akustik-Songs auch Hardcorebretter. Der Bass dröhnt aus den Boxen. „Wir haben gelernt, auf Grenzen zu scheißen“, ist sich das Trio einig.
Hartes Arbeiten und eine große Portion Idealismus
„Wir sind gerade mitten an dem Punkt, an dem wir uns bewusst für die Musik entscheiden. Es ist kein Leben in Saus und Braus; wir können noch nicht davon leben, aber wir versuchen es“, erzählt Michael über die bewusste Entscheidung der Drei, „große Verantwortungen“ wie Studium oder Vollzeitjob erst mal beiseite zu schieben. Die Wahlmünchner halten sich mit Nebenjobs über Wasser, die sie selbst gar nicht mal so cool finden, helfen auf Konzerten aus, „machen als Barkeeper Leute betrunken“, fahren schwarz mit der S-Bahn zu ihrem eigenen Konzert, investieren in ihre Karriere.
„Auf Tour gehen ist schweinteuer“, gibt Mario zu, als er nach der Konzertaction wieder ein bisschen runter gekommen ist, sich Medizin für Hals und Rachen eingeschmissen hat und nun seine Haare trocken rubbelt. Als Vorband müssen sich ‘Blackout Problems‘ an den Kosten für den Nightliner beteiligen, mit dem sie auf Tour sind. „Als wir mit den Emil Bulls unterwegs waren, haben Marcus und ich ihre Instrumente ein- und ausgeladen, Michael hat die Shirts verkauft. Das war der Lohn, dass wir mitfahren durften. Wir waren den ganzen Tag auf Achse, haben den ganzen Tag für die Band gearbeitet und irgendwann dazwischen noch selber Soundcheck gemacht und eben mal ein Konzert gespielt.“ Positiver Stress sei das Ganze.
‘Blackout Problems‘ haben schon auf großen Bühnen gespielt. Erst dieses Jahr waren sie auf dem Taubertal-Festival. Mehrere Touren, die sie sogar bis Russland geführt haben, haben sie bereits hinter sich. Die Band gibt alles, um so viele Konzerte wie möglich zu spielen; sie haben ihre Ideale. „Man muss halt früh aufstehen und hart arbeiten“, sagt Mario.
„Kommt nachher vorbei“
Vor dem Auftritt geht die Band etwas essen. Es gibt Reis. Ein bisschen nervös sind sie, vor allem, weil diesmal so viele Kameras da sind. „Ich geh mal kurz nach dem Merch schauen. Wer übernimmt das eigentlich nachher?“ fragt Manager Matthias nach dem letzten Bissen in die Runde. Moritz, der „Typ mit dem Schnurres“, wie er von den Jungs genannt wird, ist bei den Konzerten seiner Kumpels so oft wie möglich dabei. Er soll einen Zettel schreiben, dass der Merchandise-Stand von 20.35 Uhr bis 21.15 Uhr nicht besetzt sein wird. In dieser Zeit haben ‘Blackout Problems‘ ihren Auftritt.
Den restlichen Abend über ist die Kasse dann wieder besetzt. Dann können die Fans T-Shirts, CDs und Vinyls kaufen. Oder auch eine Postkarte mit Bandfoto an eine beliebige Adresse in den kleinen selbstgebauten Briefkasten schmeißen. Die Jungs versprechen, diese Karte zu frankieren und abzuschicken. Eine coole und ungewöhnliche Werbemaßnahme, die erst an den Mann gebracht werden muss. „Kennt ihr uns schon? Kommt doch nachher zu unserem Merchandise vorbei“, spricht Marcus zwei Mädels an, die sich gerade mit Bier in der Hand von der Bar wegbewegt haben. In der Hand hält er einen Stapel Postkarten.
„Wir sind nicht die krassen Partytypen, die sich nach dem Auftritt bis morgens zusaufen. Das finden viele schade“, lacht Mario. Zum Saufen bleibt nach dem Auftritt auch erst mal gar keine Zeit – innerhalb von wenigen Minuten müssen die Jungs alle Instrumente von der Bühne tragen, Platz machen für die nächste Band. Zack, zack, packen sie noch völlig verschwitzt von ihrer Show alles auf die Seite und spielen dann mit dem ganzen Equipment Tetris in ihrem Sprinter. Immer wieder müssen sie alles hin- und hertragen, auf- und abbauen. Diesmal schaffen sie es in neuer Rekordzeit.
Eine Band, die es schaffen will
Keiner entscheidet sich aus Vernunftgründen für die Musik. Aber das Ganze muss vernünftig angegangen werden. So wie bei den ‘Blackout Problems‘, die nicht nur Stunden in ihrem Proberaum verbringen, sondern auch viel Selbstmarketing betreiben; die nicht nur Songs komponieren, sondern auch in den sozialen Medien sehr aktiv sind. Die Band-Arbeit ist ein Fulltimejob. Alles liegt hier in eigener Hand. Und um Fans zu gewinnen, müssen die Menschen erreicht werden. Gerade sind die Jungs auf Tour. Noch wissen sie immer, in welcher Stadt sie gerade spielen, meistens zumindest. „Wir hatten wohl alle gewisse Erwartungen, bevor es mit ‘Heisskalt‘ auf Tour ging. Und schon jetzt wurden wir positiv überrascht: Es könnte nicht besser sein, von den Zuschauern, bis zur Crew, zum Tourmanager, alles geil!“, schwärmt Mario.
Doch bis es überhaupt zu dieser Tour kommen konnte, war Organisationstalent gefragt. Durch Terminverlegungen pendelt die Band abwechselnd mit dem eigenen Sprinter, dem Nightliner und dem Zug durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die Drei müssen zum Beispiel für 30 Minuten Show mit dem Auto separat zum Tourauftakt nach Hannover fahren. Noch in der Nacht geht es die 600 Kilometer zurück nach München, um rechtzeitig auf dem Pulsfestival zu sein.
Zwei Tage später steht Gütersloh auf dem Plan. Dort wird dann vom Sprinter in den Nightliner der Band ‘Heisskalt‘ umgestiegen – zumindest für Zwei der Jungs, denn Marcus muss noch nach Halle/Saale fahren, um den Bus dort eine Woche später wieder abholen zu können. Am nächsten Tag geht es für ihn mit dem Zug nach Frankfurt am Main, um dann endlich auch in den Tourtross miteinzusteigen. „Immer wieder umladen, die Nacht durchfahren, umplanen, weiter fahren: Es ist nicht immer easy-going“, fasst Manager Matthias die Organisation zusammen.
Wie sie eigentlich auf den Bandnamen gekommen sind, wissen sie nicht mehr. Oder verschweigen sie, das klingt tiefgründiger. Wie die Reise genau weiter geht, können die Jungs auch nicht genau sagen. ‚How the fuck should I know‘ heißt eines ihrer Lieder. Aber was sicher ist: Nicht nur jeder Cent, sondern auch jeglicher Funken Energie wird in die Band gesteckt. Die Jungs haben ihre Ziele, ihre Träume und den Willen. Sie haben tobende Fans, Euphorie und Glücksgefühle beim Auftritt. „Es ist einfach unser Ding“, sagen die ‘Blackout Problems‘. Bis zum 22. Dezember reißen sie noch die Bühnen ab. Danach geht es erst mal nach Hause zu den Eltern. Weihnachtsgeschenke? „Besorgen wir dann am 23. Dezember.“
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(Text und Fotos: Christina Hubmann)
Super Text . Toller Einblick.