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Wer braucht schon Sprache?

Der Oscar für den besten Film 2012 ging an diese brillante Hommage an Filmklassiker der zwanziger und dreißiger Jahre: „The Artist” ist ein Stummfilm in schwarz-weiß, der beweist, dass auch ohne 3D und Rieseneffekte tolle Geschichten erzählt werden können.


Einige Jahre später sinkt Valentins Stern, wohingegen Peppy zum gefeierten Star aufsteigt. Denn die bedeutende technische Neuerung, der Tonfilm, braucht auch bedeutende neue Stars – da hat ein altes Eisen wie Valentin nichts mehr zu suchen.

Erst weigert er sich einzugestehen, dass die Zeit seines Ruhms vorbei ist. Doch spätestens als sein gesamtes Hab und Gut versteigert wird, er aus der Prachtvilla in ein kleines Häuschen ziehen muss und ihm nur sein treuer Kammerdiener bleibt, begreift er und ertränkt seinen Frust in Alkohol.

Der einzige Freund, der ihm bleibt, ist schließlich sein kleiner Hund, dem er sogar sein Leben verdankt. Doch ein wunderbarer Stummfilm wäre nicht ein wunderbarer Stummfilm, wenn er nicht die ein oder andere romantische Wendung in Petto hätte.

Der frischgebackene Oscar-Preisträger Jean Dujardin ist in seinem Heimatland Frankreich ein Star, aber war außerhalb der Landesgrenzen weitgehend unbekannt. Das französische Publikum kennt ihn aus seinen Comedy-Shows und Komödien wie „Brice de Nice” (2005) oder „OSS 117″ (2007), einer Agentenfilmparodie. Doch er drehte auch anspruchsvollere Filme, etwa den konsumkritischen „99 Francs” (ebenfalls 2007) über einen drogensüchtigen Werbe-Texter.

„The Artist” macht ihn nun weltweit bekannt – und hat ihm nun dank seiner überzeugenden Darstellung des egozentrisch-naiven Stummfilmstars sogar den Oscar als bester Hauptdarsteller beschert.

Seine Filmpartnerin Bérénice Bejo ist in das Filmgeschäft hineingewachsen – ihr Vater war Regisseur und gab ihr mit 17 die erste Hauptrolle in einem Kurzfilm. Mit Jean Dujardin stand sie bereits 2007 bei den Dreharbeiten zu „OSS 117: Le Caire, nid d’espions” vor der Kamera.

Sie lebt mit Regisseur Michel Hazanavicius zusammen, der ihr nicht nur die Hauptrolle in „The Artist” gab, sondern bereits OSS 117 mit ihr drehte. Die Figur der Peppy Miller spielt sie auf der einen Seite süß-unschuldig-sympathisch, auf der anderen Seite ist sie aber auch eine Frau, die weiß, was sie will und die ihren Willen durchsetzt.

Der heimliche Star des Films ist jedoch ein kleiner, unglaublich süßer Hund namens Uggy. Fans forderten bereits, ihn für den Oscar zu nominieren – das lehnte die Academy of Motion Pictures jedoch ab, denn an Tiere dürften keine Oscars vergeben werden.

Traurig sein muss Uggy deshalb nicht, denn immerhin gewann er bereits im vergangenen Jahr den „Palm Dog Award”. Künftige Filmprojekte gibt es nicht mehr, denn Uggy geht jetzt in Rente. Schade – von ihm hätten wir gern mehr gesehen! Wer genau wissen will, was Uggy gerade tut, kann sich mit ihm auf Facebook befreunden (http://www.facebook.com/people/Jack-TheArtist/100003253939255)

A propos Oscar: Sage und schreibe zehn Nominierungen heimste The Artist 2012 ein – und gewann in fünf Kategorien (Bester Film, Hauptdarsteller, Regie, Filmmusik, Kostümdesign). Dabei hatte der Film einen schweren Start, denn Regisseur Michel Hazanavicius fand lange keinen Produzenten. Die Idee kam ihm bereits im Jahr 2000, aber erst nach dem Erfolg seiner Komödien fand er Unterstützer für sein Stummfilmprojekt.

Die Inspiration kam von vielen Schwarz-Weiß-Klassikern, daraus macht Hazanavicius keinen Hehl. Die Frühstücksszene aus „Citizen Kane” (1941, Orson Welles) etwa hat er beinahe komplett übernommen, und auch an „Sunrise” (1927) und „City Girl” (1930, beide Murnau) finden sich Anspielungen.

Hazanavicius ist eine Hommage an das alte Hollywood gelungen und eine Liebeserklärung ans Filmemachen. Denn ein Film heißt nichts anderes als mit Bildern Geschichten zu erzählen. Die Bilder mögen alt wirken und auch die eingeblendeten Texttafeln verstärken die Illusion, dass es sich tatsächlich um einen „alten Stummfilm-Schinken” handelt.

Gedreht wurde jedoch mit modernster Technik. Das Team benutzte einen Farbfilm und besondere Filter, die das Schwarz verstärken und das Weiß mehr glänzen lassen. Außerdem wurden die Sets mit stärkeren Scheinwerfern ausgeleuchtet, als es in den Dreißigerjahren gab.

Fazit: Die Oscar-Jury weiß, was gut ist – und das Publikum teilt deren Meinung: Nicht umsonst erreichte „The Artist” beim Startwochenende in Frankreich Platz 1 der Kinocharts und war auch in Deutschland und in den USA sehr erfolgreich. Ein richtiger Film zum Wohlfühlen – nicht nur für Stummfilmfans.

Bewertung: 4 1/2 von 5 Sternen

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(Text: Anna Franz / Zeichnung: Christina Koormann)

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