Kulturelles Ereignis, Gedenktag und Demonstrationstag zugleich. Schwule, Lesben und Transsexuelle stellen an diesem Tag ihr (Sexual)leben zur Schau und fordern die Gleichberechtigung für Homosexuelle. Wie es einst vor 39 Jahren ihre Vorgänger in New York taten, als sie sich gegen die Polizei wehrten und den ersten Homosexuellen-Aufstand auslösten.

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Bunte Kostüme, so ausgefallen wie möglich. Oder das kurze Schwarze, in Handschellen an den Partner gebunden oder gleich an der Leine von ihm geführt. Männer in den prächtigsten Frauenkleidern und mit Schuhen, mit denen nicht einmal Paris Hilton laufen könnte. Frauen in zerschnittenen T-Shirts mit Irokesen-Schnitt.

Einmal im Jahr stehen deutsche und auch internationale Städte Kopf, denn die Homosexuellenszene übernimmt die Macht. Längst ist der Christopher Street Day (CSD) nicht mehr nur Gedenktag, Festtag und Demonstrationstag für Schwulen- und Lesbenrechte – Diskriminierung und Ausgrenzung, inzwischen dient er auch zur Vorführung einer Kultur, die Heterosexuelle so nur aus dem Fernsehen kennen.

Der eigentliche Aspekt des CSD, nämlich das Gedenken an den ersten bekannten Aufstand von Homosexuellen, ist längst in den Hintergrund gerückt. Am 28. Juni 1969 kam es im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, in der Christopher Street, in der Bar „Stonewall Inn” zu einer Polizeirazzia, damals eine unter vielen Razzien in Bars und Kneipen mit dem Zielpublikum sexueller Minderheiten. Eigentlich waren Homosexuellen-Bars zu dieser Zeit auch in den USA legal, zahlreiche Gesetzte, die Homosexuelle in ihren Rechten einschränkten (wenige Jahre zuvor gab es noch ein Gesetz, das besagte, dass Barmänner an Schwulengruppen keinen Alkohol ausschenken dürften), wurden schon eher geändert. Durch den Wahlkampf zum Amt des Bürgermeisters von New York kam es aber erneut zu Polizeirazzien in Schwulen-Lokals. Anwärter John Lindsay meinte, die Kneipen in seiner Stadt müssten „aufgeräumt” werden. Das „Stonewall Inn” war nicht nur wegen des homosexuellen Publikums ins Fadenkreuz der Polizei gerückt. Vielmehr hatten die Betreiber keine Schankerlaubnis, es gab Verbindungen zum Organisierten Verbrechen und wenig bekleidete Go-Go-Boys durften auftreten. Zudem besuchten vor allem Latinos und Schwarze das Lokal.

In der Nacht vom 27. auf 28. Juni 1969 war die Stimmung in der Bar angespannt und emotional, da am Vortag Judy Garland, von vielen als Ikone und Idol gefeiert und verehrt, beerdigt wurde. Warum die Situation im Endeffekt eskalierte, ist bis heute unklar. Bekannt ist nur, dass es in den frühen Morgenstunden eben dieser Nacht zum sogenannten Stonewall-Aufstand kam, denn vor allem die in der Bar häufig vertretenen Drag Queens, aber auch andere Schwule, Lesben und Unterdrückte wehrten sich zum ersten Mal gegen Verhaftungen (wegen anstößigem Verhalten) durch die Polizei. Kunden anderer Bars kamen den Protestierenden zur Hilfe, so dass am Ende 2000 Demonstranten auf 400 Polizeibeamten trafen. Die Schwulen lieferten sich eine Schlacht mit den Polizisten, die sich über fünf Tage hinweg streckte. Die Protestierenden warfen Steine und Flaschen und forderten mehr „Gay Power!”. Am Ende setzte sich die Homosexuellenszene durch, die Polizeibeamten wurden vertrieben.

Der Tag des Stonewall-Aufstandes gilt bis heute als Wendepunkt der amerikanischen Schwulengeschichte. Deshalb finden seither in den USA am letzten Samstag im Juni jeden Jahres Gay-Pride-Parades statt, um das neue Selbstbewusstsein zu zeigen und zu festigen. Es formten sich mehr und mehr Organisationen zur offenen homosexuellen Befreiungsbewegung, wie die Gay Liberation Front (GLF) in New York. Die GLF war es auch, die zur Erinnerung an den Storewall-Aufstand einen Marsch von Greenwhich Village zum Central Park in New York organisierte, an dem bis zu 10.000 Menschen teilnahmen. Der CSD war geboren. Das Christopher Street Day Liberation Day Committee wurde gegründet, um die Straßenumzüge zu organisieren und zu veranstalten.

Fast 40 Jahre nach dem Stonewall Aufstand ist der CSD in Deutschland ein gesellschaftlich anerkannter Schwulen- und Lesben-Festtag. In beinahe allen deutschen Städten finden Paraden statt, die größten in Köln und Berlin, die auch von Heterosexuellen besucht werden. Je auffallender desto besser ist oft das Motto der Umzüge, die eher an die Karnevalszeit erinnern, als an eine Homosexuellen-Bewegung. 1,2 Millionen Besucher feierten 2002 den CSD in Köln – zum ersten mal mehr als zum Rosenmontagszug in die Rheinmetropole kamen.

In Deutschland finden die Umzüge nicht am historischen Datum, dem 28. Juni, statt, sondern von Juni bis August, je nach Stadt. Der Marsch wird als Demonstration angemeldet und wird von diversen Organisationen und Vereinen durchgeführt und organisiert. Häufig haben sie ein politisches Motto und enden mit einer Kundgebung. In Deutschland werden diese Veranstaltungen von vielen Politikern unterstützt. Einige, wie z.B. der regierende Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, übernehmen sogar die Schirmherrschaft.
In Berlin hat der CSD dieses Jahr 30-jähriges Jubiläum und die Veranstalter kündigen eine noch größere Geburtstagsparade, mit schrilleren Kostümen und einer noch lauteren Abschlusskundgebung an. In Köln will man in diesem Jahr, wie auch in den Jahren zuvor, wieder für die rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen demonstrieren, heißt es auf deren Website. Homosexuelle fordern offen Dinge wie eine mögliche Eheschließung homosexueller Paare und das Recht, Kinder adoptieren zu dürfen.

Die Homosexuellenszene hat ihren Festtag gefunden und nutzt diesen und die Wochen rund um den CSD, um ihren Lebensstil zu feiern und zu demonstrieren, anders als in Polen, wo der Christopher Street Day verboten wurde. Die Gays zeigen, wie stolz sie auf sich und ihre Sexualität sind. Sie gehen offen mit ihrem Sexualleben um, sprechen auch Themen wie Aids an und verteilen Kondome auf der Parade. Der Christopher Street Day ist inzwischen zu einem kulturellen Ereignis geworden, dessen eigentliche Wurzeln trotzdem nicht vergessen werden sollten.

(Text: Miriam Keilbach)

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