Es war in der zweiten Klasse, als ich und ein Freund den Plan hatten eine Rakete zu bauen. Es musste ein Tag gewesen sein wie heute. Ein Tag voller Sommer mit einer lauen Nacht. Ein Tag, an dem die Wiesen von den Bauer frisch gemäht worden waren und die Luft nach frischen Heu duftete. Nehmen wir an, es wäre der 5. Juli 1993 gewesen.
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Wir hatten alle möglichen Details ausgearbeitet, wie die Triebwerke auszusehen hatten, die Konstruktion der Startrampe mit den vielen eisernen und vernieteten Streben. Auch der Innenraum unserer Kapsel schwebte uns vor Augen, mit vielen Knöpfen und Schaltern sollte er sein, und ein kleines Fenster auf jeder Seite. Und so wie wir alles geplant hatten, so hatten wir auch schon einen geeigneten Startplatz für unsere Rakete. Es war die Wiese hinter unserem Haus. Eine, für uns, große Wiese, die sich von dem kleinen Wäldchen nördlich unseres Hauses bis fast hinunter zur Kirche erstreckte, immer leicht bergab.

Unser Plan würde gelingen, das war klar. Und genau nach einem Jahr, soviel Zeit gaben wir uns für unseren Auftrag, sollte der Countdown unsere Rakete in die Höhe heben. Ein Jahr, soviel muss man dazu sagen, war für unsere Zeitrechnung ein fast schon übertrieben großer Zeitraum. War waren uns sicher, und wir stellten uns bereits die Menschenmassen vor, wie sie jubelnd und feiernd den Start unserer Rakete zusahen, mit offenen Mündern den gewaltigen Strahl unserer Triebwerke fürchteten und den Start zweier kleiner Astronauten genossen.
Wir stellten uns vor, wie wir in unseren Raumanzügen zu dem kleinen Fenster unserer Kapsel hinaussahen und mit einer kurzen Handbewegung den Zuschauern zuwinkten, bevor wir die Erde hinter uns ließen, um später als gefeierte, berühmte und geliebte Raumfahrer wieder zu ihr zurückzukehren. Fast hätte ich es vergessen, nicht nur eine Rakete wollten wir bauen und die Weiten des Weltalls erkunden, nein, wir wollten damit natürlich auch zum Mond fliegen. Das war klar.

All das hatten wir geplant, und nach wenigen Tagen wieder vergessen. Wir haben nie daran gezweifelt, dass all das nicht möglich wäre, wir haben nie den Glauben an unsere Mission verloren. Niemand hätte uns einreden können, dass all das unrealistisch wäre. All das hatten wir geglaubt, und nach wenigen Tagen wieder vergessen.

Heute sitze ich wieder hier auf einer kleinen Mauer vor dem Platz unserer Startrampe und schaue in die sternklare, laue Sommernacht, hinauf zu den Sternen. Fast schon hatte ich vergessen, welch Pläne uns damals durch die Köpfe gingen. Wie utopisch doch damals unser Vorhaben war, jetzt, wo mein Verstand die Machbarkeit eines solchen Unterfangens hinterfragt. Und doch, wenn ich genau hinsehe, kann ich ihn erkennen. Dort hinten in der Wiese, keine 15 Schritte vor mir liegend zeichnet er sich ab. Ein kreisrunder schwarzer Kreis. Das Feuer der Triebwerke hatte ihn in den Boden gebrannt, als damals die Rakete ohne uns startete. Vor vielen Jahren.

Ich blicke hinauf in die Einsamkeit des Sternenzelts, und sehe unsere Rakete ewig vorüberziehen.
All das ist wirklich passiert, und doch werde ich es nach wenigen Tagen wieder vergessen.

(Text: Thomas Wetzel)

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Von anonym

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