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50 Jahre Harald Schmidt

Letzte Woche konnte man in allen Zeitungen lesen: Die Stadt Neu-Ulm ehrt ihren Ziehsohn Harald Schmidt zu seinem 50. Geburtstag mit einem besonderen Geschenk. Bei der bald stattfindenden Landesgartenschau im Jahr 2008 widmet ihm seine Heimatstadt einen eigenen Garten.

Allerdings soll dabei nicht seine eigene Person dargestellt werden, sondern das neue Fernsehstudio, was Schmidt ab Oktober zusammen mit seinem neuen Kumpanen Oliver Pocher beziehen wird. Hat er diese Ehre verdient? Darf man ihn als unantastbaren Gott des deutschen Entertainment bezeichnen, wie es einige Zeitungen tun? Als Pflanze soll er als „bisschen sperrig, eher stachelige Pflanze”, wie es die Geschäftsführerin der Landesgartenschau, Claudia Knoll, sagt, dargestellt werden. Drückt dieses Bild das Wesen Schmidts aus?

Geboren am 18.August 1957 in Neu-Ulm, aufgewachsen im schwäbischen Nürtingen, kann er sich zunächst für die Kirchenmusik begeistern. Er legt eine Prüfung als Kirchenmusiker ab, wird Organist und will sogar Pfarrer werden. Doch nach seiner eigen Aussage hält ihn schlussendlich das Zölibat von diesem Schritt ab.

Nach seinem Abitur studiert er schließlich von 1978-1981 Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart und legt damit den Grundstein für seine spätere Laufbahn als Schauspieler, Kabarettist, Kolumnist, und scharfzüngigen, zynischen und sarkastischen Moderator. Seine erste Rolle hat er als Mamulek in Lessings Nathan der Weise.1984 wechselt er zum Düsseldorfer Komödchen, bevor kabarettistische Solotourneen folgen.

1988 tritt er in der Sendung MAZ ab! in der ARD zum ersten Mal im Fernsehen auf. Es folgen Moderationen der Rateshow Psst!, Schmidteinander, bei der er Unterstützung in Person von Herbert Feuerstein findet und kurzzeitig die Sendung Verstehen sie Spaß. Dabei kehren sich immer mehr seine kabarettistischen Fähigkeiten heraus. In Interviews behauptet er später, dass er anfangs nur im Fernsehen auftrat, damit seine kabarettistischen Solotourneen mehr Zulauf bekamen. 1995 wechselt er zu SAT1, um dort mit der Harald Schmidt Show die Late-Night-Show a la David Letterman oder Jay Leno auch in Deutschland aus der Taufe zu holen. Lange Zeit steht ihm bei dieser Sendung Manuel Andrack  bei der Gestaltung und Inszenierung der Sendung zur Seite. Nach 8 Jahren fast täglichen Sendens jedoch, kündigt Harald Schmidt eine kreative Pause an, die ihn aus verschiedenen Gründen schließlich zur ARD zieht, wo er nicht mehr werktägliche einstündige Sendungen, sondern nur noch zwei halbstündige Sendungen pro Woche moderiert, indem ihn wie in SAT1 als Hilfe  Manuel Andrack zur Seite steht.

Seit diesem Zeitpunkt wechselt die fast überschwängliche Begeisterung seiner Sendungen zu immer mehr Kritik derselben. Viele Kritiker bedauern eine gewisse Lustlosigkeit und Ideenlosigkeit in seinen Sendungen zu spüren. Das beweisen auch immer mehr Gastmoderationen in verschiedenen anderen Sendungen. Er scheint seine Interessen verlagert zu haben. So moderiert er  2006 als Gastmoderator die Sendung Report Mainz und hilft als Urlaubsvertretung im ZDF beim Heute-Journal aus. Man hat den Eindruck, dass er dem Entertainment überdrüssig geworden ist und sich endlich wieder ernsteren Rollen zuwenden will, speziell sind damit Theaterrollen gemeint (2002 kehrt er als Dieter Lucky in Becketts Warten auf Godot ans Theater zurück). So kann man auch die Kooperation mit Oliver Pocher, der ab Oktober 2007 zusammen mit Harald Schmidt die Sendung Schmidt & Pocher moderieren wird und indem Harald Schmidt nur noch als Nebendarsteller tätig werden will, als ein langsamer, leiser Rückzug aus dem Fernseh-und Entertainmentgeschäft gedeutet werden. Dazu passt auch die Aussage, dass er mit dem Late-Night-Format fertig sei, die er in einem Interview mit dem SPIEGEL im Juni 2007 traf.

Wer ist aber die Person Harald Schmidt? Wer ist der private Harald Schmidt? Was macht das Wesen Harald Schmidt aus? Welche Bedeutung hat er für die deutsche Medienlandschaft und speziell für das Entertainment im Fernsehen?

Zunächst ist Harald Schmidt Harald Schmidt. Er spielt sich selber, er spielt die Rolle Harald Schmidt. Wer er wahrhaftig ist, weiß man nicht. Schon immer hat er sein Privatleben fast gänzlich abgeschottet. Schon seit Kindestagen hat er die Sehnsucht, berühmt zu werden. Während seine männlichen Mitschüler mit körperlichen Merkmalen die weiblichen Mitschülerinnen beeindrucken, kann der schmale, etwas bleiche, kränkliche Schmidt oft nur zusehen. Um diesen Mangel an Attraktivität auszugleichen, agiert er vielmehr mit seinem Geist und beeindruckt die Mädchen in seiner Klasse mit seinen unverschämten, sarkastischen und ironischen Bemerkungen des Weltgeschehens und manchmal zwei Stunden Monologe hält und sein Publikum dabei mit witzigen Bemerkungen unterhält. Er hat schon früh das Talent, andere in seinen Bann zu ziehen.

Diese Neigung und Hobby beginnt er mit seinem Schauspielstudium zum Beruf zu machen.  Durch seine kabarettistischen Auftritte lernt er, vor Publikum allein aufzutreten und seine humorvollen Fähigkeiten weiter gekonnt auszubauen.  Dabei zeichnet sich schon früh sein Talent ab, Alltagssituationen kurz, prägnant und witzig ans Publikum heranzuführen.  Außerdem ist sein Ehrgeiz und sein unermüdliches Rackern dafür verantwortlich, dass er schließlich zum Fernsehen kommt, dem Medium, indem auch seine Vorbilder Rudi Carrell(von dem er den holländischen Akzent lernte) und Thomas Gottschalk arbeiten. Auch ist er der erste Fernsehmoderator, der die Kunst der Ironie und des Sarkasmus in der deutschen Fernsehlandschaft etabliert und wie nur wenige seines Faches Tabus mit einer Dreistigkeit bricht, die es bis dahin noch nicht gab. Ob als Tattergreis, Exhibitionist, oder tuntigen Polizisten, er lässt keine dreiste Aktion aus. Außerdem beeindruckt die Kritiker seine unverwechselbare Mimik und Gestik (man erinnert sich nur an seine Hitler-Parodie). Darüberhinaus macht er das, was er will und schert sich nicht um irgendwelche Kritiken. Besonders in seiner Late-Night-Show zeigt sich diese Freiheit, indem ihn heute bestimmt der eine oder andere opportunistische Moderator  a la Kerner oder Beckmann beneidet. Ob eine Sendung ganz in Französisch abzuhalten oder eine Stunde lang im Stockdunkeln zu senden, ohne das jemand ihn sieht; er darf alles.  Er fühlt sich als Conferencier, dessen Witze nicht nur vor Massenpublikum, sondern auch in kleinen Kellergewölben funktionieren. Deswegen geht er schließlich, während seiner kreativen Pause, wieder mit einem kabarettistischen Programm auf Tournee.

Seine Stärken sind die Spontaneität, die Ideen, die Kreativität. Doch von diesen Eigenschaften scheint er in den letzten Monaten müde geworden zu sein. Seit seiner kreativen Pause scheint sein Spaß am Entertainment verloren gegangen zu sein. Er wirkt etwas lustlos, als ob er sich bei seinen Auftritten langweilen würde. Aber soll man ihm das verdenken? Er hat alles erreicht. Finanziell, aber auch in anderer Weise. Man kennt seine Person. Er hat praktisch alle Tabus gebrochen, die es gibt, hat alles ausprobiert. Von einer vierstündigen peinliche Bootsfahrt über die Loreley bis zu einer herrlich gelungen Hitler-Parodie oder den Versuch, ein Beckett-Theaterstück mit Legosteinen nachzuspielen. Es gibt nicht mehr viel Neues, was er ausprobieren könnte. Er ist zur Ikone der ironischen distanzierten Betrachtung des Weltgeschehens aufgestiegen, er ist zum zweiteinflussreichsten Intellektuellen hinter Nobelpreisträger Günter Grass und noch vor Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gewählt worden, hat das Wort Unterschichtsfernsehen zum Synonym des privaten Fernsehens gemacht. Über ihn sind endlose viele Bücher geschrieben worden, die das Phänomen „Schmidt” analysieren und dabei fast jede Sendung kritisch beäugt haben. Er scheint omnipräsent im Fernsehen zu sein. Über ihn wird geredet, auch wenn er nicht dort erscheint.

Bestes Beispiel: Die Geburtstagssendung zum 50.Geburtstags des Entertainers, welche am 24. August dieses Jahres in der ARD ausgestrahlt wurde. Der Titel: Harald Schmidt wird 50., will aber nicht feiern. Er hat es nicht nötig zu feiern, trotzdem widmen sie ihm eine Geburtstagssendung mit einer illustren Collage seiner Karriere bei dem als Höhepunkt eine Harald-Schmidt-Statue im Hintergrund auftaucht. Bestes Zeichen um sich zu verewigen. Götter feiern eben nicht! Und eins wissen wir auch. Er muss sich wohlfühlen mit seinem neuen Alter. Denn in einem Interview mit Alfred Biolek bekannte er schon früh: Er fühlte sich schon immer wie jemand im Alter von 50 Jahren!

(Text: Konrad Welzel)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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