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Zurück zu Mama? Nein Danke!

Es gibt so viele Dinge, die man bis 30 unbedingt getan haben sollte. Eine Weltreise machen, einen Fallschirmsprung wagen, einen Baum pflanzen, sich so richtig verlieben. Doch gehört dazu auch, wieder bei den Eltern einzuziehen? Ein Kommentar über die persönliche Freiheit.
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Ich wohne bei meinen Eltern. Glaubt man der Statistik, liege ich damit voll im Trend. Noch nie sind junge Erwachsene später von zu Hause ausgezogen als im Jahr 2013. Die Gründe dafür sind vielfältig: längere Ausbildungszeiten, befristete Arbeitsverträge oder schlicht und einfach Bequemlichkeit. Im „Hotel Mama“ ist die Wäsche schließlich immer frisch gewaschen und der Kühlschrank gut gefüllt. Man sollte also meinen, ich hätte es richtig gut getroffen.

eltern back view textHome Sweet Home?
Weit gefehlt. Denn eigentlich bin ich gar kein Nesthocker. Während meines Studiums habe ich bereits sechs Jahre alleine oder in Wohngemeinschaften gewohnt und war für ein Semester im Ausland. Den Rat meiner Mutter brauchte ich höchstens, wenn ich mir nicht sicher war, wie man Rotweinflecken entfernt (Mamas Tipp: Weißwein). Ich bekam mein Leben ganz allein auf die Reihe und war richtig stolz darauf. Wie konnte es also so weit kommen?

Am Ende meines Studiums lief mein Mietvetrag aus. Aus finanziellen und organisatorischen Gründen erschien es mir sinnvoll, wieder vorübergehend bei meinen Eltern einzuziehen, bis ich eine Stelle finden würde. Seitdem sind mehrere Wochen vergangen und ich bin immer noch auf Jobsuche. Was als kurzfristige Lösung gedacht war, entpuppt sich inzwischen fast schon als Dauerlösung.

Das Zusammenleben erfordert Kompromisse
Zum Einen ist es natürlich schön, zu wissen, dass man Eltern hat, die einen wieder mit offenen Armen willkommen heißen. Zum Anderen bedeutet der Wiedereinzug aber vor allem, ständig Kompromisse machen zu müssen. In den letzten Jahren hat sich schließlich einiges verändert. Wenn man lange genug alleine wohnt, entwickelt man die eine oder andere Eigenart, die das Zusammenleben nun einfach erschwert.

Während meines Studiums bin ich oft erst um elf Uhr aufgestanden, habe aber tagelange Nachtschichten eingelegt, wenn eine wichtige Aufgabe anstand. Meine Eltern haben dafür wenig Verständnis. Statt Frühstück einfach mal ‘ne Packung Chips? Um Mitternacht noch Tiefkühlpizza? Essen gibt es bei uns um sieben, und zwar immer mit Salat. Und dass die riesigen Kleiderberge in meinem Zimmer ein über die Jahre ausgeklügeltes System frischer, semi-frischer und schmutziger Wäsche sind, will meiner Mutter auch nicht ganz einleuchten.

„Wann kommst du heute Nacht nach Hause?“
Beliebt ist auch die Frage, mit wem ich mich treffe, und vor allem, wann ich wieder nach Hause komme. Verpasse ich den Nachtbus, soll ich meinem Vater eine SMS schreiben, dass ich mich verspäten werde. Er kann sonst nicht ruhig schlafen. Zum Glück hat er mein Ausgehverhalten der letzten Jahre nicht mitbekommen, er würde wohl mittlerweile unter chronischen Schlafstörungen leiden.

Doch auch, wenn bei den Eltern zu leben bedeutet, wieder in die Rolle des Kinds gedrängt zu werden, sind die Erwartungen an mich gleichzeitig hoch. Ins gemachte Nest könnte ich mich nicht wieder dauerhaft setzen, das war mir bei meinem Einzug klar.
Da wir ja nun alle erwachsen sind, gibt es eine strenge Aufgabenverteilung. Das heißt, dass ich genauso wie meine Eltern koche, bügle, putze und wasche. Und zwar nicht nur wie bisher für mich allein, sondern für die ganze Familie. Auch der Kühlschrank ist leider nur dann prall gefüllt, wenn ich vorher selbst einkaufen war.

„Hotel Mama“ – zu Hause ist es doch am schönsten?!
Es gibt so viele Dinge, die man bis 30 gemacht haben sollte. Wieder bei seinen Eltern einzuziehen, gehört aber eindeutig nicht dazu. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie mich in einer schwierigen Übergangsphase unterstützen. Müsste ich diese Entscheidung aber noch einmal treffen, sie würde wahrscheinlich anders ausfallen. Denn wieder bei den Eltern einzuziehen, bedeutet, ein großes Stück seiner liebgewonnenen Freiheit und Eigenständigkeit aufzugeben. Moment! Ich muss Schluss machen – meine Mutter ruft nach mir. Es gibt Abendessen. Mit Salat.

(Text: Anja Menzel / Foto: Mariesol Fumy by jugendfotos.de)

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