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Zwischen Popcorn-Kino und Gesellschaftskritik

Die Zeit läuft. Ein Asteroid ist auf Kollisionskurs. Nur noch wenige Stunden bis zum Einschlag. Das Schicksal des Planeten liegt in den Händen eines kleinen Teams von Astronauten und Bohrarbeitern. Als kurz vor Schluss noch der Zünder der Atombombe streikt, opfert sich der sonst etwas mürrische Harry Stamper und sprengt den Kometen mitsamt sich selbst in die Luft. Der Weltuntergang ist noch einmal vertagt worden – dank einer Mischung aus modernster Technik, heroisch-selbstlosen Superhelden und einer gehörigen Portion Patriotismus.


Die Szenen stammen aus dem Film Armageddon – das Jüngste Gericht von Regisseur Michael Bay. Als apokalyptischer Katastrophen-Film ist er in guter Gesellschaft: Ebenfalls im Jahre 1998 kam Deep Impact in die Kinos, dessen kometischer Handlungsverlauf verblüffend ähnlich ist. Doch neben Asteroiden lauern im Film noch viele andere Gefahren für die Menschheit: Roland Emmerich rettet die Welt gleich drei Mal, nämlich in Independence Day vor Außerirdischen, sowie in The Day After Tomorrow und 2012 vor Naturkatastrophen. Beliebt sind außerdem Viren als Wehen der Endzeit (Twelve Monkeys, 28 Days Later) oder aufmüpfige Roboter (Terminator, The Matrix).film_ssHinzu kommen noch die zahlreichen Horror- und Splattervarianten, in den gerne auch Zombies (Dawn of the Dead) aufmarschieren. Häufig spiegelt die Art der Katastrophe die gesellschaftlichen Zustände der Zeit. So fühlte man sich in den 80ern noch eher durch einen Atomkrieg bedroht (The Day After), während heute eher der Klimawandel als größte Angst der Menschen besteht. Einen rasanten Anstieg der Zahl der Endzeitfilme gab es übrigens kurz vor der Jahrtausendwende.

Genretechnisch unterscheidet man oft zwischen Katastrophenfilmen, bei denen der Schaden relativ begrenzt bleibt und letztlich abgewendet wird, und sogenannten post-apokalyptischen Filmen. Bei letzteren steht nicht so sehr die Katastrophe und ihre Verhinderung selbst im Vordergrund, sondern der danach eintretende Überlebenskampf. Trotz fließender Grenzen scheint es eine gewisse Präferenz für das zuerst genannte Szenario bei den großen Blockbustern zu geben, schließlich soll das Popcorn ja nicht ganz im Halse stecken bleiben. Gegen die recht durchschaubaren Handlungsverläufe der Hollywood-Katastrophenfilme revoltieren vor allem Low-Budget-Produktionen, bei denen die Katastrophe gern auch passieren darf, wie in Last Night. Eine solche postapokalyptische Dystopie ist bei den Mad Max-Filmen zu finden, in denen sich Motorradgangs aus den Trümmern der Zivilisation ihre Welt zusammenbauen. Oder alternativ liefern sich die Sintflutüberlebenden in Waterworld einen ähnlichen Überlebenskampf auf dem Wasser.

Zwischen Fortschritt und Untergang
Armageddon – das ist der Ort, an dem nach den Legenden der Bibel der finale Kampf zwischen Gut und Böse ausgefochten wird. Das Böse – das ist oft auch eine Personifizierung des technischen Fortschritts an sich, dem beklemmenden Gefühl der Leere hinter den Fassaden der Konsumgesellschaft. So wurde schon lange vor Fight Club in Fritz Langs berühmtem Stummfilm Metropolis (1926) der Fortschrittsoptimismus der modernen Gesellschaften infrage gestellt. Den Symbolen des Konsums – Kaufhäusern und Luxusautos – sieht man genüsslich bei deren Untergang zu (oft natürlich nicht ohne deren Annehmlichkeiten noch ein letztes Mal zu auszunutzen). Wie die Filmwissenschaftlerin Astrid Söderbergh Widding pointiert sagt, wird in der kargen Wüste der Apokalypse sichtbar, dass auch die vorige Welt schon eine Wüste war. Apokalyptische Motive wie die Umwandlung der Menschen in Nummern sind längst schon in der Gegenwart Realität. Zugleich ist aber jede Dystopie auch eine Utopie: In den Fragmenten der zerstörten Welt schimmert bereits eine neue, bessere Welt durch.

Unter Mittelmäßigen und Messiasgestalten
Im Schatten der großen Katastrophe stehen zugleich immer auch die individuellen Kämpfe zwischen Gut und Böse: Inmitten von massenhafter Panik und Verzweiflung finden sich Liebespärchen, versöhnen sich Familien und werden rücksichtslose Fieslinge plötzlich zum Musterphilosophen. Die Hauptcharaktere lernt man zunächst noch in ihrem Alltag kennen, als Average Joe, der Versicherungen verkauft, seine Familie vernachlässigt und no satisfaction bekommen kann. Die Katastrophe wird hier zum Lackmustest für den einzelnen Menschen: Von den Hauptcharakteren wird nachgeholt, was man ein Leben lang versäumt hat. Wie bei The bucket list, der Geschichte von zwei Krebskranken, die eine Liste mit Dingen aufstellen, die sie bis zu ihrem Tod noch schaffen wollen. Insofern ist die Apokalypse immer auch in der Tat eine Art jüngstes Gericht – da warten auch Asteroiden und Aliens noch bis zum Ende des berüchtigten letzten Dialogs, für den man sich ein paar Taschentücher bereithalten sollte.

Die eigentlichen Feinde der Menschheit sind plötzlich nicht mehr die katastrophalen äußeren Umstände, sondern die Feindseligkeiten der Menschen untereinander. Der unscheinbare Einzelne wird schließlich zum selbstlosen Retter für andere. Das ist gut christlich, schließlich kommt auch dort der Messias aus einfachen Verhältnissen, während die Mächtigen die Zeichen der Zeit übersehen. Ob man durch das Anschauen der filmischen Apokalypsen jedoch auch auf einen tatsächlichen Weltuntergang besser vorbereitet ist, möge hier den Spekulationen in Internetforen überlassen bleiben.

(Text: Sebastian Helwig)

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