BildungGesellschaftMedienNetzwelt

Hundewelpen und Irakkrieg – Zeitungssterben

In der Medienbranche wird oft der Begriff Zeitungssterben verwendet. Was es damit wirklich auf sich hat und wie der Journalismus im Jahr 2016 aussieht, erklärt der Komiker John Oliver.

[divide]Der amerikanische Comedian John Oliver hat bereits vor einigen Jahren bewiesen, dass er ein Talent dafür hat, die richtigen Themen zur richtigen Zeit auseinander zu nehmen und diese, gepaart mit viel Humor, wieder zusammenzusetzen. Die Videos seiner Show „Last Week Tonight“ werden in den sozialen Medien tausendfach geteilt und viele internationale Qualitätsmedien widmen ihm Artikel, um sein journalistisches Gespür und seine Qualität als kritischen Komiker zu loben.Zeitungssterben backview.eu

Wie als würde sich der gebürtige Engländer für diese Anerkennung seitens der Medien revanchieren wollen, thematisierte er kürzlich in seiner Show, wieso sich der Journalismus derzeit auf einem beunruhigenden Kurs befindet, was die Ursachen dafür sind und wieso es auch diejenigen betrifft, die sich nicht mit dem Tagesgeschehen auseinandersetzen. Oliver heizte damit ein Thema an, das seit vielen Jahren im Hinterkopf jedes Medienwissenschaftlers ist, der sich mit Journalismus auseinandersetzt: Wie wird sich der Journalismus in den kommenden Jahren durch Smartphones und Tablets verändern und was passiert mit den sogenannten traditionellen Medien.

Das Zeitungssterben

„Stupid shows like ours lean heavily on local papers. In fact whenever this show is mistakenly called journalism, it is a slap in the face to the actual journalist whose work we rely on.”

Einen zentralen Punkt in Olivers Show nehmen die wachsenden Probleme im Bereich der Printmedien ein. Eine Entwicklung, die vor allem den deutschen Zeitungsmarkt seit Jahren beunruhigt. Denn mit rund 16 Millionen Tageszeitungen und fünf Millionen Wochen- und Sonntagszeitungen, die täglich in Deutschland verkauft werden, ist das Land der größte Zeitungsmarkt Europas und der fünftgrößte der Welt. Und obwohl Printmedien auch heute noch großes Vertrauen in der Berichterstattung genießen, gehen die Auflagen der Tageszeitungen seit 1991 stetig zurück (1991 waren es 27,3 Millionen Auflagen). In den letzten Jahren mussten viele namhafte Zeitungen ihre Produktion einstellen oder massive Einsparungen vornehmen, die sich wiederum auf die Qualität des Journalismus auswirken.

In den vergangenen Jahren ließen sich Konflikte in den Medienhäusern feststellen, wie mit der Problematik umzugehen sei. So fühlten sich beispielsweise viele Onlineredakteure unfair behandelt, da bislang Printredakteure durchschnittlich mehr verdienten als ihre Kollegen. Gleichzeitig wurden aber viele Stellen im Printbereich abgebaut, da die Onlineauftritte der Medien inzwischen mehr Leser erreichen als die gedruckten Ausgaben. Zum Bedauern vieler Journalisten. Denn obwohl der Onlinejournalismus viele Vorteile mit sich bringt, birgt er gleichzeitig extreme Risiken für qualitativ hochwertigen Journalismus.

Qualität als erstes Opfer der Digitalisierung?

An inspiring new motto[…]: All the puppy news that’s fit to print, and maybe some Iraq news too, if we can afford it, f**k you.

So hat sich beispielsweise zwischen den Onlineredaktionen ein ungesundes Wettrennen eingestellt. Die Zeit zur Überprüfung von Quellen und Informationen hat teilweise massiv abgenommen. Vielmehr geht es darum, schneller zu sein als die Konkurrenz. Ob das goldene Motto der Recherchearbeit „Check-Gegencheck-Recheck“ noch gilt, lässt sich deshalb oft bezweifeln.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung von Onlinejournalismus: Vereinfacht lässt sich sagen, dass die Artikel am meisten Geld bringen, die am häufigsten aufgerufen und „geliked“ werden. Dieses Finanzierungskonzept erweist sich dann als Problem, wenn die relevanten und wichtigen Artikel nicht gleichzeitig die beliebtesten sind. John Oliver führt dieses Problem ziemlich bildlich vor Augen: „Hundewelpen bringen mehr Klicks als Kriegsberichterstattung.“ Über was sollte also berichtet werden? Denn letztlich müssen sich auch Medienhäuser finanzieren.

Internet ist nicht der alleinige Übeltäter des Zeitungssterben

„But the truth is: Publishers are desperate. No one seems to have a perfect plan to keep newspapers afloat.”

Dass der Journalismus – und vor allem der Printjournalismus – derzeit in einer Krise steckt, lässt sich jedoch nicht alleinig auf den neuen Kommunikationskanal Internet und der damit verbundenen Digitalisierung schieben. Der österreichische Journalist Veit Valentin Dengler gibt in einem Spiegel Online Artikel die Schuld auch ein Stück weit den Verlagen selbst. Die größere Problematik seien seiner Meinung nach nicht die Smartphones und das Internet, sondern der explodierende Nachrichtenmarkt und eine gewisse Ökonomisierung der Zeitungen, der sich die Zeitungsverlage bisher nur unzureichend gewidmet haben:  „Es ist an der Zeit, dass die Zeitungen ihre ökonomischen Hausaufgaben erledigen.“

Das Medienmonopol ist vorbei

Doch neben den Schuldzuweisungen und der Schwarzmalerei gibt es auch durchaus positive Stimmen seitens der Medienwissenschaftler und Journalisten. So behaupten sogar der stellvertretende ZEIT-Chefredakteur Bernd Ulrich und der ZEIT ONLINE-Chefredakteur Jochen Wegner, dass im Grunde beide Medien profitieren. Der Online-Journalismus, weil er mittlerweile, wenn er gut ist, ebenso hochwertig ist wie guter Printjournalismus, die Online-Angebote viele Leser erreicht und weil das neue Medium ein größeres Repertoire an Erzählformen bietet als die gedruckten Zeitungen. Aber auch die Printmedien hätten in manchen Fällen profitiert: „Denn entgegen den Prognosen vieler digitaler Apologeten ist das Gedruckte nun mal nicht gestorben. Einige wenige Printmedien konnten sogar von der Massenbewegung hin zum Netz profitieren, die nämlich ihrerseits eine Gegenbewegung angestoßen hat: die Suche nach Ruhepunkten außerhalb des Digitalen.“ Auch die Hybridform zwischen gedrucktem- und Onlinejournalismus hätte in manchen Fällen gut funktioniert.

Letztlich sollten sich dennoch alle Konsumenten ein Zitat zu Herzen führen, das John Oliver in seiner Sendung Anfang August zum Besten gegeben hat:

„The truth is a big part of the blame for this industry’s dire straits is on us and our unwillingness to pay for the work journalists produce. We`ve just grown accustomed to getting on news for free and the longer we get something for free the less willing we are to pay for it.”

[“Und die Wahrheit ist, auch wir tragen mit unserem Widerwillen, für journalistische Arbeit zu zahlen, Mitschuld an der Not dieser Industrie. Wir sind gerade in der Gewohnheit aufgewachsen, Nachrichten kostenlos zu bekommen, und je länger wir etwas umsonst bekommen, desto weniger haben wir Lust dafür zu zahlen.“]

An diesem Punkt fängt Oliver an, den Zuschauer seiner Show anzusprechen, der die Sendung über YouTube anschaut und dazu das W-Lan des darunterliegenden Cafés nutzt. Stellt sich nur noch die Frage, wie und wo hast du diesen Artikel gelesen?

(Foto: Konstantin Schätz)

Schreibe einen Kommentar