Es war das bekannteste Camp Deutschlands und bestand länger als die meisten Ableger der Bewegung: Occupy Frankfurt. Im Schatten der Europäischen Zentralbank, direkt neben dem Euro-Symbol, das alles symbolisiert, wogegen die Aktivisten kämpften, hielt sich das Camp in Frankfurt am Main länger als ein Dreiviertel Jahr.
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Zerstörte Grünflächen, eine Rattenplage und jede Menge Müll – das ist nach Angaben der Stadt Frankfurt vom geräumten Occupy-Camp übriggeblieben. Doch nicht nur die Stadt beschäftigt sich mit dem Wiederaufbau, sondern auch die Aktivisten. Denn ihre Botschaft ist klar: Auch, wenn das Camp geräumt sein mag, ihre Ideen und Überzeugungen sind noch nicht verschrottet. back view blickt auf die Anfänge des Camps zurück und lässt die wichtigsten Etappen innerhalb der zehn Monate von Occupy Frankfurt Revue passieren.
Der 15. Oktober 2011 war international ein bedeutender Tag für den Kampf gegen die Macht der Banken und für mehr Mitbestimmung der Bürger. Die Protestmärsche an diesem Tag, die auch in vielen deutschen Ständen, unter anderem Frankfurt, stattfanden, sollten ein solidarisches Zeichen für „Occupy Wall Street” setzen. Der Protestmarsch zog ins Frankfurter Bankenviertel bis vor die EZB, und das Euro-Zeichen, dem Symbol der zentralisierten europäischen Bankenmacht.
Doch demonstrieren allein reichte einigen Aktivisten nicht, sie ließen sich vor der EZB nieder und eröffneten das Zeltlager, über das monatelang in Medienberichten unter den Namen „Occupy-Camp” berichtet werden sollte. Nach Angaben von Occupy bildeten zum Anfangszeitpunkt knapp 150 Aktivisten mit 80 Zelten das Protestcamp.
Schnell gut organisiert
Von einigen wurde das Camp nur als radikalster Kern der Bewegung gesehen, der schnell wieder verschwinden würde. Doch das Occupy-Camp in Frankfurt hielt sich hartnäckig, organisierte sich gut. Es wurde ein Info-Stand, ein IT-Zelt und andere wichtige Stationen eingerichtet und Spendenaufrufe für wichtige Gegenstände und Lebensmittel gestartet. Nicht zuletzt erfuhr das Camp viel Unterstützung aus der Bevölkerung.
„Die Unterstützung der BürgerInnen aus der Umgebung ist überwältigend, Spenden vom Heizpilz bis zum Käsebrötchen erreichen uns jeden Tag”, schrieben die Mitglieder von Occupy Frankfurt im Oktober letzten Jahres in ihrem Blog. Desweiteren wird Occupy Frankfurt von Anwohner mit Sach- und Geldspenden, mit Isoliermaterial, Decken, Kleidung und Lebensmitteln ausgestattet.
Doch Occupy sollte kein Sitzstreik sein, um passiv zu demonstrieren. Die Aktivisten hielten Versammlungen ab, führten Diskussionsrunden und setzten Schriftstücke mit den ihrer Meinung nach wichtigsten Punkten auf. All das mit dem Ziel, fairere wirtschaftliche Machtstrukturen und mehr Transparenz für die Bürger zu schaffen. „Die herrschenden Mächte arbeiten zum Vorteil einiger Weniger und sie ignorieren den Willen der überwiegenden Mehrheit. Diese untragbare Situation muss ein Ende haben”, ist im Blog der Occupy Frankfurt zu lesen.
Der Schlachtruf lautet: “Wir sind die 99 %”.
Die Occupy-Aktivisten wollten niedergeschriebene Ergebnisse vorweisen, Produktivität lautete das Zauberwort im Camp. Dennoch die Betonung, die auch auf einem Aushang zu lesen ist: “Erwartet keine fertigen Lösungen, helft lieber selbst mit, welche zu finden.” Die Verklärtheit uind mangelnde Produktivität war denn auch einer der Hauptkritikpunkte gegen Occupy.
Demonstrationen und KooperationenRegelmäßig fanden in vielen Occupy-Städten, auch in Frankfurt, Demonstrationen mit mehreren tausenden Teilnehmern statt. Am 12. November 2011 bildeten Occupyler und andere Demonstranten in Frankfurt eine aus circa 10.000 Teilnehmern bestehende Menschenkette. Mittlerweile machten den Campern eher die Temperaturen von bis zu Minus 15 Grad als die Auseinandersetzungen mit der städtischen Politik zu schaffen. Occupy Frankfurt bloggt am 04. Januar 2012: “Einige haben kalte Füße andere haben kalte Hände aber wir machen weiter!”.
Das öffentliche und das Medieninteresse, vor allem am Frankfurter Camp, waren groß, brach aber nach einiger Zeit ab. In das Zentrum der Aufmerksamkeit rückte Occupy wieder, als es sich im Februar mit den Demonstrationen gegen das Acta-Abkommen solidarisierte.
Blockupy und drohende Räumung
Ein Höhepunkt für das Occupy-Camp, um das es mittlerweile ruhig geworden war, war auch die Teilnahme an den Blockupy-Aktionstagen im Mai in Frankfurt, die neben Verkehrschaos auch viel Verwirrung stifteten. Die namentliche Ähnlichkeit und dieselbe Zielsetzung konnten anfangs zur Annahme führen, dass es sich um identische Veranstalter, obwohl Blockupy ein Gemeinschaftsprojekt vieler Organisationen war.
Im Zuge von Blockupy räumte die Polizei Mitte Mai auch vorübergehend das Frankfurter Occupy Camp vor der EZB. Die Occupyler konnten jedoch bald wieder ihren Stammplatz vor der EZB, den sie mehr als ein halbes Jahr lang innehatten, beziehen.
Doch Occupy Frankfurt hatte zunehmend das Problem, dass sich der Kern aus inhaltlich arbeitenden Aktivisten auf einen wahllosen Kreis erweitert hat. Die offene Struktur brachte eine Eigendynamik mit sich, die die Umsetzung der anfangs vorgenommenen inhaltlichen Arbeit erschwerte. In einem Blogeintrag aus dem Monat April schreiben Occupy-Vertreter, es gebe im Camp eine „Drogenproblematik, gestrandete Menschen, die Zuflucht und Liebe suchen”.
Dies sei auch Medienberichten zufolge Argument des Verwaltungsgerichts Frankfurt für die spätere Räumung des Camps gewesen, denn ein gemeinsames Ziel der Camper sei nicht mehr erkennbar gewesen. Drogensüchtige nutzten das Camp als Aufenthaltsstätte, ebenso Wohnungslose, ohne sich an der politischen Arbeit, die als Daseinsberechtigung des Camps angesehen wurde, zu beteiligen. Dies verschärfte die Kritik an Occupy. Auch Occupyler, die sich gewaltsam an Protesten und Demos, wie der M31-Demo beteiligten, schädigten den Ruf der Bewegung. Occupy Frankfurt distanzierte sich immer wieder öffentlich von gewaltsamen Aktionen.
Diskussionsbereitschaft aus der Politik Im Juni und Juli kam es zu Gesprächen zwischen Mitgliedern von Occupy Frankfurt und dem Ordnungsdezerneten der Stadt Frankfurt. Occupy bezeichnet diese Gespräche auf seinem Blog als konstruktiv. Die Kommunikation mit den politischen Vertretern der Stadt Frankfurt, die bisher recht zufriedestellend lief, komplizierte sich im Juni, als die Stadt ihre vermeintliche Zusage brach, das Camp in Zukunft zu gestatten. Die Stadt Frankfurt forderte den 31.07. als Auflösungstermin des Camps.
„Die AktivistInnen sind nicht gewillt, mit ihrem Protest zu einem bestimmten Datum aufzuhören. Die Occupy Bewegung hat inzwischen eher mehr als weniger Grund, den politischen Protest an die Öffentlichkeit zu tragen”, schrieb Occupy Anfang Juni in seinem Blog.
Hierbei kam es zu Konflikten der Zuständigkeiten. Während Peter Feldmann, Oberbürgermeister von Frankfurt, sich diskussionsbereit und kooperatiov gegenüber Occupy Camp zeigte, veranlasste das Ordnungsamt unter Leitung des Dezernenten Markus Frank im August die Räumung des Frankfurter Camps. Dies geschah entgegen der Aussage Feldmanns vor einer Räumung umfassende rechtliche Maßnahmen wahrzunehmen.
Für den 31.07.2012 wurde die Räumung von Occupy Frankfurt anberaumt. Eine Woche vor dem Termin postete Occupy: „Trotz verschiedener Sichtweisen Einzelner wurde deutlich: das Protest-Camp lässt sich nicht freiwillig räumen und ruft zu friedlichem und entschlossenem Widerstand auf.”
Das Ende einer Ära
Am 6. August erfolgte die Räumung des Occupy Camps Frankfurt. Ohne Gewalteinsatz, Festnahmen oder starke Gegenwehr seitens der Aktivisten konnte die Polizei das Camp räumen. Mitte August schreibt Occupy auf seinem Blog: „Knapp 30 Meter Richtung Westen ist das Camp auf den Willy -Brandt-Platz gezogen. Hochengagierte CamperInnen haben gezeigt, dass sie nicht zu vertreiben sind und haben sich die wenigen Meter, die es zu überbrücken galt, von der Polizei tragen lassen.”
Vom Kräftesparen für den Herbst und wachsender Unterstützung aus der Bevölkerung ist an dieser Stelle bereits die Rede. Die Stadtreinigungsgesellschaft FES hat mit der Säuberung des Camps begonnen.
Nach Angaben der Frankfurter Rundschau hat Occupy mittlerweile die offenen Rückstände in Höhe von 10.500 Euro an die FES bezahlt. Die Stadt bgeinnt nun mit der Neubepflanzung des Parkstücks vor der EZB. Es bleibt abzuwarten, ob auch der ideele Samen, den die Occupy-Bewegung sähte, in Frankfurt weitersprießen wird.
(Text: Julia Radgen)