Die Welt ist in Aufruhr. Teile der arabischen Welt kämpfen für Demokratie und Freiheit, in der Türkei wird Staatsoberhaupt Erdogan zum Despoten erklärt und ebenso angegriffen. Nun, pünktlich zum Confederations Cup 2013, erhebt sich das brasilianische Volk.  [divide]

Seitdem der Ball am Zuckerhut rollt, gehen die Menschen auf die Straßen und machen ihrem Unmut rund um die Stadien dieses Confed-Cups Luft. Sie protestieren gegen marode Schulen und Krankenhäuser, gegen soziales Elend und Korruption. Grade in Brasilien, das – zumindest Neoliberalisten à la Michael Friedmann – als fortschrittliches Schwellenland auf dem Weg in die erste Welt erschien.

Doch die Wut entzündet sich vor allem an den derzeit laufenden Feierspielen der FIFA: Der Confed-Cup 2013 dient als Vorläufer, als Testlauf für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr. Und im Rahmen dieser Fußballevents wurden abermals Hunderte Millionen Euro für Stadien ausgegeben. Während Krankenhäuser und Schulen vom Schimmel befallen sind, überragen hypermoderne Konsumtempel, die sich Fußballstadien schimpfen, die Skylines der Städte. Das ist nur schwer dem gemeinen Bürger zu erklären.

Unterstützung aus den Reihen der Nationalmannschaft
Der brasilianische Ex-Fußballer Giovane Elber zeigte sich im ZDF „ziemlich überrascht“ von den Protesten, vor allem, weil es zuvor meist ruhig gewesen war. Das Volk scheint die Bühne des Confed-Cups für ihre Zwecke zu nutzen. Zumal dieser mit seinen teuren Stadien selbst in einem fußballverrückten Land wie Brasilien als Hassobjekt gilt.

Das Besondere dieser Proteste ist vor allem die positive Resonanz, die den Protestlern von Seiten des brasilianischen Nationalteams entgegenschlägt. Nationalstürmer Hulk meinte: „Viele denken, dass Fußballer nur an Fußball denken. Aber wir wissen, was gerade passiert. Wir wissen, dass sie Recht haben mit ihren Protesten und dass in unserem Land viele Dinge verbessert werden können“.

Auch David Luiz schlägt in dieselbe Kerbe: „Der Bürger, der nicht zufrieden ist, hat das Recht, sich zu äußern. Und so werden wir erkennen, wo die Fehler stecken. Der Brasilianer liebt sein Land, deshalb finden diese Proteste jetzt statt“. Anerkennung für die Intentionen der Demonstranten. Vor einigen Jahren hatten die Kicker der iranischen Auswahl mal mit grünen Armbändchen ihre Sympathie für die Anti-Regierungs-Aufstände bekundet. Sie mussten die Bänder in der Halbzeit noch ablegen.

Politik auf dem Fußballfeld?
So hatte die iranische Politik damals aktiv in den Fußball eingegriffen, was unbedingt massiv zu verteufeln ist. Politische Einflussnahme gehört zwar durchaus zum Alltagsbild, ist jedoch klar abzulehnen. Andererseits kann der Fußball eine Bühne für die Stimme der Ungehörten darstellen. Die Stadien sind voll, die Öffentlichkeit schaut hin. So sind Weck- und Hilferufe im Rahmen solcher Events wie dem Confed-Cup verständlich und lediglich eine logische Konsequenz der Unterdrückung der Hilflosen.

Der Fußballrentner Juninho, immerhin 40-facher Nationalspieler Brasiliens, hatte von seinen Landsleuten gefordert, die Nationalhymne als Zeichen der Protest-Unterstützung mit dem Rücken zur Flagge singen. Sie hielten sich nicht an seinen Vorschlag. Vielmehr sangen sie zusammen mit den Fans die Hymne derart laut, dass der Sound aus den Lautsprechern kurzerhand ausgeschaltet wurde. Man hörte nur noch die singenden Spieler und Zuschauer – ein Akt des Zusammenschlusses. Ein Zeichen der Solidarität und des Miteinanders.

Dieses kleine Zeichen wird den Demonstranten nicht viel weiterhelfen, es kann lediglich eine kleine mentale Stütze sein im Kampf um mehr Rechte und Freiheit. Dennoch hat die öffentliche Bühne des Confed-Cups die Thematik der brasilianischen Sozialprobleme erst aufs Schild des weltweiten Freiheitkampfes gehoben. Und das ist doch auch schon mal was.

 

(Text: Jerome Kirschbaum)

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  • Jerome K.

    Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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Von Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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