Brennpunkte

„Wunsiedel ist bunt”

Nicht nur in Zeiten von neuem Rechtsterrorismus wird deutlich, dass in Deutschland eine stark verbreitete Fremdenfeindlichkeit durchaus noch vorhanden ist. Bund, Länder und Gemeinden wollen mehr gegen Rechtsextremismus tun. Eine Initiative, die schon lange Flagge zeigt, ist das Bündnis „Wunsiedel ist bunt” aus Oberfranken.
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Grau ist es an diesem Vormittag. Grau und neblig. Doch hier und da finden sich in Wunsiedel auch ein paar farbenreiche Ecken mit roten, gelben und blauen Staturen. „Wunsiedel ist bunt” lautet das Motto der Initiative gegen Rechtsextremismus und so soll die kleine Stadt in Oberfranken auch nach außen wirken.

wunsiedel_rechtsWunsiedel – das ist die Festspielstadt, in der seit über zwanzig Jahr lang jährlich Gedenkveranstaltungen für den am 17. August 1987 verstorbenen Rudolf Heß angemeldet werden. Die Grabstelle vom „Stellvertreter des Führers”, wie ihn die Neo-Nazis verherrlichend nennen, besteht seit letztem Jahr zwar nicht mehr, erregt aber weiterhin öffentliches Interesse. Wunsiedel bleibt als Schauplatz der Gedenkstätte bestehen, in dem die Rechtsextremen „ihren Märtyrer; ihre Ikone mit Kultstatus rühmen”, wie es Karl Rost, der erste Vorsitzende der Bürgerinitiative „Wunsiedel ist bunt” formuliert.

Seit Jahren versuchen das Landratsamt Wunsiedel und das Verwaltungsgericht Bayreuth durch ein allgemeines Versammlungsverbot die Gedenkfeiern zu unterbinden. Doch es bestünde keine offensichtliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und damit auch kein Recht auf ein Verbot, lautet die offzielle Begründung.
Zu „Glanzzeiten” konnten die rechtsextremistischen Gruppen bis zu 4500 Personen zählen, die aus ganz Deutschland und darüber hinaus aus Schweden, Dänemark, Italien oder Frankreich in das kleine Wunsiedel mit den knapp 9500 Einwohnern anreisten. Sechs Mal wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von rechtsradikalen Gruppen durch Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben.

Es sind also die rechtlichen Abwägungen, auf die die Stadt Wunsiedel und ihre Initiativen immer wieder ihre ganzen Hoffnungen setzen. „Moralisch sind wir im Recht, aber juristisch ist ihnen fast alles erlaubt”, so Rost. Nüchtern verbreitet er diese Worte. Rost, der nebenbei im Asylantenheim seiner Stadt tätig ist, weiß, wie schwer es sein kann, gegen die Argumente der neonationalen Gruppen anzukommen.

Er ist nur einer von denjenigen, die gegen die Verherrlichung von Rechtsextremismus kämpfen. Die Anzahl der Anhängern an den Heß-Veranstaltungen und die damit verbundenen Bedrohung für die Stadt wurde in den vergangenen Jahren immer größer. Durch Rosts Initiative wurden bereits zahlreiche Gegendemonstrationen geplant. Straßennamen der Durchzugsstrecke für den Gedenkmarsch wurden mit den Namen von Widerstandskämpfern gegen das Dritte Reich umbenannt und Kundgebungen zum „Gedenken an die Opfer des Todesmarsches vom 15. April 1945″ wurden geplant.
Momentan beteiligen sich etwa zwanzig Leute bei „Wunsiedel ist bunt”. Rost weiß, dass die große Breitenwirkung nicht mehr vorhanden ist, aber er sieht dies als einen Erfolg seiner bisherigen Arbeit an, „weil die neonationalen Veranstaltungen in Grenzen gehalten werden konnten. Das Bedrohungsgefühl und die Wahrnehmung haben sich also geändert.”

wunsiedel_linksDie Jugend ist von großer Bedeutung
Die Initiative legt besonderes Augenmerk auf die Jugendarbeit. Rost glaubt, dass die rechtsradikalen Gruppen besonders jungen Menschen viel bieten können. Da wären zum Beispiel das Vermitteln von einem Gemeinschaftsgefühl und der Stolz, ein Deutscher zu sein. „Das macht gerade einen pubertierenden Jungen, der seinen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hat, stark”, so Rost.

Organisationen wie „Wunsiedel ist bunt” haben daneben mit dem Problem des Nicht-Wissens zu kämpfen. „Die Neo-Nazis ziehen ihre gesamte ideologische Kraft aus der Vergangenheit. Die weiße arische Rasse ist das Fundament ihres Selbstverständnisses und sie glauben nur das, was sie glauben wollen”, so Rost.
Auch die allgemeine Öffentlichkeit kenne seiner Meinung nach zu wenig von der eigenen Geschichte. „Man ist gegen Hitler und gegen Ausschwitz sind wir auch, aber allgemein herrscht erst einmal Desinteresse.” In seinem Bücherregal stehen Werke wie „Deutsche Autoren” und in einer großen Box daneben sammeln sich Artikel über die deutsche Chronologie. Die Geschichte des eigenen Volkes zu kennen, ist wichtig, findet Rost.

Deshalb leiten Organisationen wie die seinige aufklärende Initiativen gegen Rechtsextremismus in den Schulen oder rufen zusammen mit dem Bürgermeister Karl Willi Beck das „Wunsiedler Forum” hervor, das im Rahmen einer städtischen Veranstaltung einmal im Jahr mit Vertretern von Kommunen, Schulen und Vereinen zusammenkommt.

Der Rassismus hat eine lange Tradition. Es ist „das braune Erbe, mit dem wir leben müssen.” Das Problem lässt sich nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen, doch Menschen wie Rost sehen sich in der Pflicht, etwas dagegen zu tun: „Wir verjagen sie vielleicht nur aus unserem Ort und sie können sich immer noch woanders versammeln, aber wir dürfen ihnen unsere Stadt nicht ohne weiteres preisgeben.”
Nicht nur die Initiatoren von „Wunsiedel ist bunt” sind der Meinung, dass man den Rechtsradikalen ihre Basis nehmen und ihnen mit einer ablehnenden Haltung gegenüber treten muss. Das wird nicht nur durch die bunten Staturen in der ganzen Stadt sichtbar.

(Text und Fotos: Christina Hubmann)

Christina H.

Christina wollte eigentlich mal Busfahrer werden, ehe sie sich entschloss, doch "irgendwas mit Medien" zu machen. Schreiben tut sie nämlich schon immer gern. Und wie das Leben ohne dieses Internet funktioniert hat, fragt sie sich schon seit Längerem - erfolglos.

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