Film & Fernsehen

Wir gucken in die Röhre

Das Blättern durch die Fernsehzeitschrift eröffnet den Zuschauern seit geraumer Zeit keine großen Überraschungen mehr. US-Importe reihen sich an Daily-Dokus, während „Klassiker” wie DSDS oder das Dschungelcamp mit immer neuen Staffeln kein Ende nehmen wollen. back view fragt sich: Wie lange sehen wir uns das noch an?


Die Webseiten von ProSieben, RTL und Co. brüsten sich zum Start der neuen Fernsehsaison 2012/2013 mit den innovativsten und neuesten Formaten. Noch unterhaltsamer gemäß des Pro7-Slogans, noch spaßiger soll es bei RTL II werden. Doch in Wahrheit bleibt alles beim Alten.

ProSieben wartet nach wie vor mit einem US-Serienrun auf: The Big Bang Theory geht in die fünfte Staffel, die Simpsons laufen in der Endlosschleife und Ted erzählt in How I Met Your Mother nach wie vor, wie er die Mutter seiner Kinder kennenlernte. Mit dem Angebot jener TV-Reihen geht der Sender auf die Nachfrage des Publikums ein. Doch an Serien aus Deutschland, die der Komik aus den USA das Wasser reichen können, scheint es zu mangeln.

Lediglich Joko und Klaas mit ihrem Erfolgsformat „neoParadise” könnten Abhilfe schaffen, indem sie frischen Wind in die eingestaubte Welt der Entertainer bringen. Oder auch die „heute show” auf ZDF mit Oliver Welke, die mit einem seriösen Anstrich gnadenlos aktuelle politische Diskussionen aufs Korn nimmt.

Made in Germany?
Doch die Anzahl qualitativ hochwertiger Sendungen, die in Deutschland produziert werden, lässt sich an zwei Händen abzählen. Fraglich ist, ob man sich in den Studios der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender überhaupt noch die Mühe macht, das Publikum aus seiner allgemeinen Lethargie zu holen.

Es scheint viel einfacher, eine voyeuristische Dokumentation à la „Mitten im Leben” oder „Frauentausch” nach der nächsten zu drehen, um die Sensationslust des Publikums zu befriedigen, als sich nach ethisch-vertretbaren, bildenden und gleichzeitig unterhaltenden Formaten umzusehen. Dass der Grund für all jene Sendungen laut RTL das „Aufdecken gesellschaftlicher Missstände” sei, bestätigt nur noch mehr den Verdacht, dass sich die Sender scheinheilig aus der Affäre zu ziehen versuchen.

Die guten alten Zeiten
Wer früher den Fernseher nachmittags anschaltete, um sich berieseln zu lassen, ist heute mitunter so enttäuscht, dass er aufs World Wide Web umsattelt. Hier lassen sich Restaurants finden, ohne vorher Rach, den Restauranttester, nach seiner Meinung gefragt haben zu müssen. Das Internet bietet dieselben Video-Clips wie „Upps – die Pannenshow” und Facebook hält mitunter auf Pinnwänden lustigere Dialoge als in der Sendung „Supernanny” bereit.

Wozu also noch fernsehen, wenn dort der Lieblingsfilm an seiner spannendsten Stelle durch eine Werbung für Steinofenpizza unterbrochen wird? Um den Sendern zu demonstrieren, dass man ernsthaft an dem Leben der Geissens interessiert ist?

Um dem deutschen Fernsehen überhaupt noch eine Zukunft zu geben, darf der deutsche Fernsehzuschauer nicht vor dem Plasma-Bildschirm einschlafen und damit die Quote verzerren, oder aus reiner Langeweile Richter Alexander Hold sehen. Die Nachfrage bestimmt nach wie vor das Angebot.

Wenn ein Großteil des Publikums sich auf das gezielte Anschauen bestimmter Programme mit Inhalt konzentrieren würde, so würde auch das Angebot jener Sendungen steigen und dem deutschem TV den Stellenwert und die Qualität zurückgeben, die es einmal hatte. Nicht nur die Sender sind daran schuld, dass keine guten Programme mehr produziert werden, das Publikum selbst muss sich schuldig für die eigene Verdummung fühlen. Der Zuschauer im heimischen Wohnzimmer hat also nicht nur die Kontrolle über die Fernbedienung, sondern auch zu einem Teil über das Programm.

(Text: Ronja Heintzsch)

Ronja H.

Konstruktive Kritik in bitterscharfen Kommentaren üben, die Welt bereisen, auf aktuelle Problematiken hinweisen - all dies sind Gründe, aus denen Ronja beschloss, sich dem Metier Journalismus zu verpflichten. Schließlich gibt es noch einige unaufgedeckte Watergate-Affären in dieser Welt.

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