BrennpunkteGesellschaft

Wie sieht der Zivildienst der Zukunft aus?

Wenn zum 1. Juli 2011 die Wehrpflicht endgültig ausgesetzt wird, bedeutet dies zugleich das Ende des bisher existierenden Zivildienstes in Deutschland. Für das soziale System fällt eine wichtige Stütze weg. back view wirft einen Blick auf die gesellschaftlichen Folgen und auf den neuen Freiwilligendienst.
[divide]
1960 war es so weit: Das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst trat in Kraft. Es regelte den Einsatz von Kriegsdienstverweigerern in Deutschland, die laut Artikel 12a des Grundgesetzes „aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern” konnten. Seit 1961 treten seither jährlich die Kriegsdienstverweigerer den Ersatzdienst an. Waren es damals noch 340 junge Männer, so sind es heutzutage etwa 90 000 pro Jahr. Genau diese Anzahl an Arbeitskräften, die hauptsächlich in der Pflegehilfe und in Betreuungsdiensten eingesetzt werden, hat 2011 keine gesetzliche Grundlage mehr.

Der neue Freiwilligendienst
Daher strebt Familienministerin Kristina Schröder an, den bisherigen Ersatzdienst nicht gänzlich abzuschaffen, sondern ihn umzustrukturieren. Ihren Plänen nach soll es einen sogenannten freiwilligen Zivildienst geben, der jedoch bei Weitem nicht das gleiche Leistungspotential aufweisen kann. 35 000 Freiwillige pro Jahr – so lautet das ambitionierte Ziel. Realistisch oder nicht, das wird sich erst herausstellen, wenn die Reform vollzogen ist und die ersten Freiwilligen tätig werden. Fest steht: Die Zahl der „freiwilligen Zivildienstleistenden” wird nicht annähernd so hoch sein, wie dies bisher im vorgeschriebenen Ersatzdienst der Fall war. Auch die Dauer soll flexibel gestaltbar sein. Von sechs bis zu 24 Monaten soll dieser neue Ersatzdienst dauern.

Durch die Abschaffung des Zivildienstes wird es allerdings nicht nur weniger Arbeitskräfte im sozialen Zweig geben. Die längerfristigen Folgen sind gleichermaßen zu betrachten. So wurden bisher viele Zivildienstleistende nach Ende des Dienstes in ihren Organisationen als ehrenamtliche Mitarbeiter übernommen. Hinzu kommt, dass viele Jugendliche niemals den Versuch gestartet hätten, jemals in einer sozialen Einrichtung zu arbeiten, hätte es den Zivildienst nicht gegeben. Zudem drängt sich die Frage auf, ob die zusätzliche Einrichtung eines sozialen Freiwilligendienstes überhaupt notwendig ist. Schließlich gibt es bereits das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr. Warum nicht an die altbewährten Strukturen anknüpfen und die bisherigen Angebote vermehrt unterstützen?

Folgen für die Bundesrepublik
Aus diesem Grund ergibt sich die dringende Notwendigkeit, die Tätigkeiten im sozialen Zweig attraktiver zu gestalten. Dies gilt sowohl für junge, als auch vor allem für ältere Menschen. Wird nämlich diese Debatte mit der Diskussion um Langzeitarbeitslose und den schlummernden Problemen des demographischen Wandels  zusammengeführt, so liegt die Idee nahe, nicht nur junge Menschen einzuspannen. Gerade diejenigen, die im höheren Alter keinen neuen Arbeitsplatz finden, könnten einen Ansatz bilden, um die entstehenden Personallücken im zivilen Bereich zu schließen. Bundesministerin Schröder sagt, ein freiwilliger Zivildienst eröffne den Menschen in Deutschland, die sich engagieren wollen, zusätzliche Chancen – und zwar endlich für Jung und Alt, Frauen und Männern.

Da die Wehrpflicht lediglich ausgesetzt wird und im Grundgesetz fest verankert bleibt, ist das Prinzip des „Staatsbürgers in Uniform” – lediglich stillgelegt und kann jederzeit wieder ins Leben gerufen werden. Und spätestens dann muss der Staat  dafür sorgen, dass auch der Zivildienst wieder eingeführt wird.

(Text: Martina Gewehr)

Schreibe einen Kommentar