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Warum ich für ein vereintes Europa bin

Die Euro-Krise machte EU-Enthusiasten zu Euro-Skeptikern. Seit 2008 verlor die EU nach und nach ihr gutes Image. „Merkozy“ wurde an den Pranger gestellt. Das Vertrauen war weg. Heute wird der Euro immer öfter nur als sinnlose Erfindung und die EU als ein politischer Reinfall dargestellt. Dabei gibt es gute Gründe, ein solches Bündnis beizubehalten.
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Wenn man ganz an den Anfang zurückgeht, wird man merken, aus welcher ambitiösen Idee die heutige Europäische Union entstand: Robert Schumann schuf am 9. Mai 1950 die gemeinsame Kontrolle des Stahl- und Kohlesektors (EGKS), um die Rüstungsindustrie aufzubauen. Sie galt als der erste gemeinsame Markt zwischen europäischen Staaten. Der Grundstein für die EU war gelegt. Seitdem feiern wir an jedem 9. Mai den Europatag.

Europaeische UnionZurück zum Nationalstaat

Doch was ist in den vergangenen Jahren passiert, dass mehr und mehr Menschen der EU distanziert entgegenstehen? Wie gerne hätten sie wieder Nationalstaaten mit einer eigenen Währung, weil für sie das ganze System nicht funktioniere. Man zeige nur mal mit dem Finger auf einer Landkarte in Richtung Griechenland.

Doch während sie sich nur darauf konzentrieren, das Schlechte an etwas zu sehen, erkennen sie nicht, dass sie die Vorteile alltäglich nutzen, die unser Leben als Europäer in vieler Hinsicht vereinfachen.

Frieden und Demokratie

Es ist zwar ungewöhnlich, dass eine ganze politische Institution einen Nobelpreis erhält, aber verdient hat sie es trotzdem. Die EU sichert Frieden und Demokratie innerhalb ihrer Grenzen. Wir können unbesorgt nebeneinander leben und uns sicher sein, dass selbst weit entfernte Staaten wie Estland oder Bulgarien die gleichen demokratischen und menschenrechtlichen Werte aufweisen. Deshalb war der Friedensnobelpreis 2012 für die Europäische Union auch völlig berechtigt.

Und während wir über Griechenland und Italien meckern, sollten wir uns bewusst machen, dass es nicht einfacher sein kann, in diese Länder zu reisen: Ohne Visum, ohne Anmeldung, ohne Wartezeiten an der Grenze. Von Portugal nach Finnland können wir neun Länder in einem Ritt durchkreuzen. Grenzen existieren praktisch nicht mehr. Das trägt nicht nur zu einem Wachstum der Tourismusbranche bei, sondern verstärkt ebenso die Wirtschaftstätigkeit der Länder.

Eine Garantie der Sicherheit

Weil Kriminelle heute zunehmend international agieren, garantiert die EU eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei und Justiz. EUROPOL ist das europäische Polizeiamt, das die EU-Außengrenzen scharf kontrolliert. Außerdem werden Verhaftungen in den Mitgliedsstaaten durch den europäischen Haftbefehl erheblich vereinfacht.

Jugendlichen und jungen Erwachsenen bietet die Europäische Union zahlreiche Austauschprogramme und Freiwilligendienste an, um fremde Sprachen und Kulturen kennen zu lernen. So haben Studierende zum Beispiel die Möglichkeit, mit dem ERASMUS-Programm an einer Universität im Ausland zu studieren – finanziell gefördert von der EU.

Krise kein Grund für Abschaffung

Es ist wahr, dass die Euro-Krise existenzielle Fragen bei Politikern und Bürgern aufgeworfen hat. Welchen Sinn hat es, dass Deutschland dafür aufkommen muss, wenn Griechenland Schulden macht? Warum sollten wir den Euro behalten, wenn dieser doch unser Nationalbewusstsein zerstört?

Aber berücksichtigen wir im Gegenzug mal: Nicht nur Deutschland, auch andere Staaten bringen das Geld aus den Hilfsfonds auf. Und unser Nationalgefühl gehört in unseren Kopf und nicht auf eine EURO-Münze. Europa ist und bleibt kulturell vielfältig. Eine gemeinsame Währung wird das nie beeinflussen können. Es gibt genug andere Faktoren, wie Sprachen, Rituale, Werte und Religionen, die die Völker zu nationalbewussten Charakteren machen.

Das Potenzial erkennen

Die aktuellen Probleme der Europäischen Union können durch eine Veränderung der Struktur gelöst werden und sollten kein Auslöser für die komplette Abschaffung des Zusammenschlusses sein. Die EU gibt es bereits seit 64 Jahren. Sie wurde von ehrgeizigen Politikern aufgebaut, die sie eine Blütezeit erleben ließ. Es ist eine politisch, wirtschaftlich und kulturell dynamische Kraft, die es in dieser Art kaum anderswo gibt.

Nutzen wir diese Energie. Europa ist vielfältig. Wir sind so nah beieinander und sprechen doch so viele unterschiedliche Sprachen. Die verschiedensten Kulturen begegnen sich hier. Wir müssen uns nur besser kennen lernen.

Schon die jungen Menschen können davon Gebrauch machen und eine proeuropäische Einstellung bekommen. Denn Europäer sollten nicht permanent kritisieren, sondern vielmehr in die Zukunft schauen und das Potenzial des Systems erkennen. Denn nur so lässt sich die Krise überwinden.

(Text: Tom Pascheka / Foto: Jannik Schall by jugendfotos.de)

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