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Über die Kindheit von Lancelot Armstrong

Ein Einblick in die Kindheit von Lancelot Armstrong soll ein besseres Bild von seiner Person und seinem Gesundheitszustand geben:

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Lancelot wuchs in der Armen-Siedlung „Martha Brea“ mit vier Geschwistern in Jamaika auf. Das Leben dort war hart. Wasser mussten die Kinder von einem Standrohr auf der Straße holen und in Öl-Trommeln lagern. Die Ernährung der Kinder bestand im wesentlichen aus Obst, Bananen, der Frucht des Brotfruchtbaumes und Fisch aus dem Fluss unter dem Haus. Gekocht wurde auf einem primitiven Kohle-Herd mit Hilfe von Lack-Dosen.

Als Lancelot noch ein kleiner Junge war, heiratete seine Mutter einen Alkoholiker, der fortan gegenüber den Kindern sehr gewalttätig war. Für die Züchtigung der Kinder hatte er eine spezielle Schlaufe, die er immer bei sich trug. Körperliche Züchtigung war zu dieser Zeit normal in Jamaika, aber die Brutalität die Lancelot ertragen musste ging extrem weit über das „übliche“ hinaus.
Mit fünf Jahren hatte Lancelot bereits mehrere Traumata am Kopf durch Verletzungen. Sein Vater kam oft völlig betrunken nach Hause, erbrach sich und wurde ohnmächtig.

  • Lancelot wurde auch von seiner Mutter, Tante und Großmutter „diszipliniert“, welche mit ihm im selben Haus wohnten. Dabei haben sie ihn mit Gürtel und Peitsche geschlagen.
  • Lancelot blieb mit seinem gewalttätigen Vater, der Tante und der Großmutter allein zurück, als seine Mutter sich entschloss in die Hauptstadt Kingston zu gehen, um dort als Krankenschwester zu arbeiten, in der Hoffnung, dass es der Familie dadurch besser gehe.
  • Durch die Mangelernährung und die ständigen Misshandlungen entwickelte der kleine Lancelot die seltene Krankheit „Pica“. Eine Krankheit die meist vernachlässigte und misshandelte Kinder betrifft. An Pica erkrankte essen Dinge die nicht als Nahrung geeignet sind. Lancelot aß Lehm, Schmutz, Kalk und Sand, aber auch Farbreste und Hühnerkot. Er begann seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, bis er zu bluten anfing. Dies tat er meist nachdem er verprügelt wurde. Dadurch hatte er häufig Kopfschmerzen und Nasenbluten, was ihn jedoch nicht dazu veranlasste mit diesen Selbstverletzungen aufzuhören.
  • Die Schule war reine Folter für das Kind. Aufgrund der Misshandlungen hatte Lancelot eine schwere Lernbehinderung entwickelt und Stotterte beim Sprechen. Auch in der Schule hatte er häufig Nasenbluten und „Ausfälle“ in der Form, dass er auf den Boden fiel und sich hin und her rollte, wobei sich sein Körper unkontrolliert schüttelte. Dies alles trug dazu bei, dass die anderen Kinder sich von ihm abwandten und er vollkommen isoliert war.
  • Er litt unter häufigem Erbrechen, Durchfall und Magenschmerzen, was ihn oft daran hinderte die Schule zu besuchen, wodurch er zusätzlich Probleme hatte in der Schule noch mitzukommen.
  • In den 1960er Jahren wurden die Schulen in Jamaika gnadenloser und grausamer. Kinder mit Lernproblemen wie Lancelot, wurden „Dummköpfe“ genannt und mussten in der Ecke sitzen, wurden aber auch auf andere Weise gedemütigt. Körperliche Züchtigung von Kindern mit Lernproblemen durch die Lehrer war an der Tagesordnung. Lancelot wurde in der Schule mit Peitsche und Gürtel geschlagen. Dabei hielten die Lehrer ihn meist an einem seiner Arme fest und schlugen auf ihn ein. Kinder wurden damals für jede ihrer „Behinderungen“ geschlagen. Für Lancelot der an Krampfanfällen, Nasenbluten, Stottern litt und der für sein Alter sehr klein war, gab es da keine Chance.
  • Lancelot wurde in der Schule als „Dummkopf“ geschlagen und danach zu Hause für seine angebliche „Faulheit“, weil er in der Schule nicht mitkam.
  • Lancelots Bruder Harlo, versuchte ihm teilweise beim Lernen zu helfen, dennoch war auch diese Beziehung nicht konfliktfrei. So versuchte Harlo ihn einmal mit einem Messer zu erstechen, wodurch Lancelot mehrere Monate im Krankenhaus verbringen musste. Sein Onkel und sein älterer Bruder Danny ertränkten Lancelot fast in einem Wasserfass. Als ihn seine Großmutter aus dem Wasser zog war er bewusstlos und blutete aus den Ohren. Auch verlor Lancelot zwei seiner Finger, als sein Bruder Danny Zuckerrohr mit einer Machete schnitt, wobei er Lancelots Finger amputierte.
  • Trotz allem war Lancelot ein guter Schwimmer. Und obwohl er so klein war, wurde er immer wieder damit beauftragt Leichen von Ertrunkenen aus dem Fluss „Martha Brae“ zu bergen, der hinter dem Haus seiner Familie vorbeifloss. Der Fluss war recht wild und so ertranken damals mehrere Menschen, meist Kinder, die Lancelot bergen musste. Manche lagen schon seit Tagen im Wasser und waren entsprechend aufgebläht und geschwollen. Dies war für Lancelot sicher ebenfalls traumatisierend, denn zu dieser Zeit war er noch ein Teenager.
  • 1977, als Lancelot 15 Jahre alt war, gab es in Jamaika einen gewaltsamen politischen Aufstand in der Stadt Falmouth, ca. 6 Meilen von seinem Wohnort entfernt. Es gab Ausschreitungen und Schießereien. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt, aber der Umbruch ließ sich nicht aufhalten.
  • Als Lancelot 16 Jahre wurde, wanderte seine Mutter allein in die USA aus und ließ ihn bei seiner Großmutter zurück.
  • 1980, als Lancelot 17 Jahre alt war, wurde in Jamaika neu gewählt und diese Wahlen waren recht gewaltsam und turbulent. Die beiden politischen Parteien stahlen Wahlurnen, in denen sie viele Stimmen der Gegenpartei vermuteten. Lancelot wurde dazu verpflichtet Wahlurnen zu schützen und er war sehr erschrocken von der Tatsache, dass er auch dabei getötet werden könnte.

Zu dieser Zeit, lebten die Menschen in ständiger Angst vor der Polizei. Mit 19 Jahren verhaftete die Polizei ihn wegen eines angeblichen Raubes, den er aber nicht begangen hatte. Dennoch wurde er mehrere Monate in Untersuchungshaft gesteckt und von der Polizei gefoltert. Sie schlugen ihn mit einem Hammer auf seine Zehen und auf die Unterseite seiner Füße. Auch schlugen sie auf seine Genitalien ein, an die sie Gewichte gebunden hatten. Sie fügten ihm Elektroschocks mit Kabeln zu und schlugen ihm einen seiner Zähne aus. Er wurde jedoch nie verurteilt und schließlich aus der Haft entlassen.

Es gab viele Zeugen, die über Lancelots elende Kindheit und Jugend ausgesagt haben. Darunter auch mehrere Gutachter, die über Lancelots Kopfverletzungen, seine kognitiven Defizite und Dysfunktionen von Teilen seines Gehirns berichteten. Keiner dieser wichtigen Zeugen wurde jemals von seinen Verteidigern oder dem Gericht in den Zeugenstand gerufen. Noch wurden diese Fakten den Geschworenen mitgeteilt!

Dr. Antoinette Appel, forensische Neurospychologin, bezeugte, dass Lancelot eine bedeutende Geschichte von Hirntraumata und schweren Anfällen hat, einschließlich einem Trauma das bei seiner Geburt entstanden ist. Sie bescheinigte ihm Hämatome im Gehirn und Hirnblutungen im Alter von fünf Monaten, als auch bei seinem fast Ertrinken im Altern von 9 Jahren im Wasserfass und als er im Alter von elf Jahren mit einem Stein auf den Kopf geschlagen wurde, sowie bei einem Fahrradunfall im Alter von 16 und bei mehreren Autounfällen mit Bewusstlosigkeit. Weiter wies Frau Dr. Appel darauf hin, dass die letzte schwere Kopfverletzung im November 1989, also kurz vor dem ihm vorgeworfenen Mord, bei einem Autounfall stattgefunden hatte. In diesem Zeitraum hatte Lancelot Hypo-Stoffwechsel, was bedeutet, dass sein Gehirn nicht richtig durchblutet wurde und dadurch nicht richtig arbeiten konnte. Auch bezeugte sie Lancelots verminderte neurokognitiven Fähigkeiten, die durch seinen Konsum von bleihaltiger Farbe in seiner Kindheit, durch seine Erkrankung an Pica, noch verschärft wurden.

Die Untersuchung durch den Psychiater Richard Dudley ergab, das Lancelot unter mehreren neuropsychiatrischen Problemen litt, einschließlich langanhaltender kognitiver Defizite infolge von traumatischen und genetischen Faktoren. Auch bezeugte er, dass Lancelot von seinen Betreuern wiederholt vernachlässigt und körperlich misshandelt wurde, wodurch viele seiner Symptome entstanden sein könnten. So leide er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und chronischen Depressionen, aber auch Pica sei dadurch bei ihm dadurch entstanden. Dr. Dudley erklärte, dass der Schaden in Lancelots Frontallappen kognitive Beeinträchtigungen verursacht, die ihn bei der Fähigkeit Entscheidungen zu treffen behindern. Dudley führt weiter aus, dass diese „Behinderung“ ihn nicht befähigte sich immer im Rahmen der Gesetze zu verhalten. Darüber hinaus litt Lancelot unter einer extremen emotionalen Störung zum Zeitpunkt des ihm vorgeworfenen Verbrechens.

Die Neuropsychologin Dr. Terry Goldberg führte an Lancelot eine Reihe von neuropsychologischen Tests durch, sowie einen Intelligenztest. Die Testergebnisse bestätigten, dass Lancelot an einer schweren Beeinträchtigung seines Frontallappens leidet, wodurch er grundlegende Defizite bei der Informationsverarbeitung hat. Weiter bestätigten die Tests eine kognitive Dysfunktion und Probleme mit seinem Arbeitsgedächtnis und begrenzte Sprachkenntnisse. Der IQ-Test ergab lediglich einen IQ von 77. Sie meinte, dass eine Person mit solch großen Schwierigkeiten in Stress-Situationen, wie sie bei Kriminalität vorkommen, schwere Beeinträchtigungen bei ihren Impulsreaktionen hat. Sie bestätigte, dass diese Beeinträchtigungen ursächlich an seinen Hirnschäden liegen, wenn sie auch nicht auf dem EEG auftauchen würden.

Dr. Thomas Hyde, verhaltensbezogener Neurologe, bezeugte ebenfalls erhebliche organische Hirnfunktionsstörungen bei Lancelot, einschließlich Frontallappen, Scheitellappen und Temporallappen-Dysfunktion. Nach Dr. Hyde ist der Frontallappen der wichtigste Teil des Gehirns für die Regulierung des Verhaltens. Menschen mit einer Frontallappendysfunktion leiden häufig an Urteilsbeeinträchtigungen, Argumentationsproblemen und neigen zu unangemessenen emotionalen Reaktionen in schwierigen Situationen. In Kombination mit einer Temporallappendysfunktion wird der Argumentationsprozess und die Impulsivität behindert, was zu einer Abwesenheit von Rechtsempfinden führt, sowie Vernunft und Einsicht in Stress-Situationen vermindert.

Dr. Gunst, die einen Bachelor-Abluss in Geschichte und einen Master in lateinamerikanischer Geschichte hat, kennt sich speziell in Sachen Jamaika aus und lebte von 1984-1986 in dort. Sie bezeugte, dass Lancelot schweren seelischen Schaden erlitten hat, durch seine Kindheit in dem Inselstaat. Auch bestätigte sie die Polizeigewalt, Armut und körperlichen Misshandlungen die Lancelot zu Hause und in der Schule erlitten hat. Vor ihrem Zeugnis hatte sie Datensätze studiert, mit Familienmitgliedern von Lancelot gesprochen und Lancelot selbst interviewt. Sie bestätigte die bittere Armut in der Lancelot aufwuchs und dass seine Schulausbildung reine Folter war, weil seine Lernbehinderung nicht erkannt und er dort regelmäßig körperlich gezüchtigt wurde, auch dass er zu Hause immer wieder geschlagen wurde, in einer Art und Weise, die weit über das hinaus ging was damals in Jamaika üblich war.
Dr. Gunst bezeugte ebenfalls die politische Gewalt in Jamaika zu jener Zeit, der gerade auch die Jugend ausgesetzt war, denn sie mussten oft die Wahlurnen bewachen und viele von ihnen wurden dabei erschossen. Ebenfalls bestätigt sie die enorme Brutalität der Jamaikanischen Polizei. Die Polizei war damals berüchtigt für Mord und andere Gewalttaten. Lancelot selbst war Opfer dieser Polizeigewalt und wurde in deren Gewahrsam gefoltert, dabei waren seine Erfahrungen übermäßig, selbst nach den Maßstäben dieser Tage.

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Einen solchen Menschen zu Tode zu verurteilen hat mit Rechtsprechung nichts zu tun. Vielmehr scheint bei dem Urteil die Tatsache, dass es sich bei dem Opfer um einen weißen Polizisten gehandelt hat und Lancelot Armstrong ein Schwarzer ist, eine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Dabei verurteilte die Jury ihn nicht einstimmig, sondern mit 9 gegen 3 Stimmen, was allein schon in anderen Bundesstaaten der USA automatisch die Todesstrafe ausgeschlossen hätte, nicht jedoch in Florida.

Die Initiative ‘Hilfe für Lancelot“

Im Frühjahr 2012 gründeten mein Mitstreiter Kai Friedrich und ich die IHfL, ‘Initiative ‘Hilfe für Lancelot’. Wir setzen uns für die Abschaffung der Todesstrafe ein, unabhängig von der Schuldfrage, da eine Hinrichtung weder die Opfer des Täters wieder lebendig macht, noch, wie Statistiken zeigen, die Zahl der Gewaltverbrechen vermindert. Eine Hinrichtung bedeutet aber wieder neues Leid, in diesem Fall für die Angehörigen und nahestehenden Personen des Exekutierten und den Gefangenen selbst. Besonderen Fokus setzen wir dabei auf die Todesstrafe in den USA.

Unser Arbeitsschwerpunkt liegt bei Lancelot Armstrong, der seit 1991 in der Todeszelle in Raiford/Florida auf seine Hinrichtung wartet muss. Wir stehen im regelmäßigen Kontakt mit Lancelot Armstrong und seiner Mutter. In möglichst regelmäßigen Abständen schicken wir ihm Geld, das wir als Spenden gesammelt haben, damit er sich davon besseres Essen kaufen kann, denn die Nahrung im Todestrakt ist mehr als minderwertig und macht viele Gefangene krank. Aber er kauft sich davon auch Materialien für seine Gemälde die er malt. Seiner verarmten und schwer kranken Mutter konnten wir in den letzten zwei Jahren die teure Reise dank unserer Spendensonderaktionen finanzieren, so dass Lancelot Armstrong seine Mutter nach vier Jahren endlich wieder in die Arme nehmen konnte. Auf unserer Webseite lancelot-armstrong.de haben wir viele Möglichkeiten für Spenden geschaffen, um Lancelot zu helfen.

Neben Infoständen in der Innenstadt von Kassel, wobei wir Spenden und Unterschriften sammeln, sind wir umfangreich im Internet aktiv, um auf seine schreckliche Situation aufmerksam zu machen und letztendlich eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen.

Mittlerweile betreiben wir auch ein Nachrichten-Blog zum Thema Todesstrafe. Dort berichten wir über aktuelle Fälle und Entwicklungen und versuchen immer wieder Menschen dazu zu bewegen sich für Todeskandidaten einzusetzen, deren Hinrichtungstermin feststeht. Natürlich schreiben wir im Blog auch immer wieder über Lancelot Armstrong und er selbst kommt dort persönlich zu Wort.

Seit einiger Zeit haben wir auch ein Kunstblog online gestellt, in dem Lancelot Armstrongs Gemälde ausgestellt sind. Sie können gegen Spende für ihn erworben werden, denn hunderte seiner Werke hat Lancelot Armstrong uns mittlerweile nach Deutschland geschickt.

Niemand hat den Tod verdient, zur Not gäbe es normale Haftstrafen, und Lancelot sowie viele andere Todeskandidaten in den USA wären, selbst wenn sie schuldig sind, in Deutschland schon längst wieder frei!

Die IHfL stellt sich auf die Seite aller zum Tode Verurteilten, egal ob schuldig oder nicht, denn es sind Menschen. Wenn es um die Todesstrafe geht, werden wir immer klar Partei ergreifen…

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