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Die Gerechtigkeit des Todes

In der “Neuen Juristischen Wochenschrift”  erschien 1998 ein Artikel mit dem Titel „Zehn Jahre keine Todesstrafe mehr auf deutschem Boden“. Erstaunlich, ist doch seit 1949 mit Inkrafttreten von Artikel 102 des Grundgesetzes festgeschrieben: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Auch für Juristen bleibt hier wenig Spielraum zur Interpretation.

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Die Legitimation staatlichen Strafanspruchs
Die Vollstreckung der Todesstrafe ist die unbedingte, absolute und unumkehrbare Durchsetzung staatlicher Sanktion. Seine bedeutende Schrift „Vom Sinn der Strafe“ von 1963 leitete der Rechtswissenschaftler und Strafrechtsprofessor Eberhard Schmidhäuser mit einem Auszug eines Berichtes einer Hinrichtung von 1757 ein. Fein säuberlich wurden darin die Qualen des mehr als eineinhalb Stunden Gemarterten dargestellt. Dann stellt Schmidhäuser die Frage: „Wie sollen wir strafen dürfen, wenn wir keinen Sinn unseres Tun sähen?“ Diese Frage stellt sich geradezu drängend bei der Verhängung der Todesstrafe.

Was Strafe soll, ist und kann, versuchen drei Strömungen zu beantworten. Diese sind die absolute und die relative Strafrechtstheorie und die Vereinigungstheorie. Die absolute Theorie existiert in den Spielarten Vergeltungs- und Sühnetheorie. Die Vergeltungstheorie verfolgt den Ausgleich eines schuldhaft begangenen Schadens. Das Talionsprinzip des Alten Testamentes, vielfach umschriebend mit dem Spruch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

Sozialer Zweck versus Sühne
Die Sühnetheorie hat die Sühne des Straftäters im Fokus, der Täter soll mit der Gesellschaft durch einen gerechten Schuldausgleich Versöhnung finden. Bekannte Vertreter dieser Theorie waren die Philosophen Immanuel Kant und Geord Wilhelm Friedrich Hegel. In seiner “Metaphysik der Sitten” von 1785 forderte Kant kategorisch: „Selbst, wenn sich die bürgerliche Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflösete (…), müßte der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind, und die Blutschuld nicht auf dem Volk hafte (…).“ Die absolute Theorie beeinflusste die Strafrechtslehre im 19. Jahrhundert.

Die relative Theorie hat den sozialen Zweck der Strafe im Auge. Dabei kann es um Abschreckung der Allgemeinheit, also Generalprävention gehen. Die andere Spielart hat die Besserung des Täters im Blickfeld, die Spezialprävention. Wichtige Gedanken zur Generalprävention entwickelte der bedeutende, deutsche Kriminalist Anselm Feuerbach (1775 – 1833). Dem rechtsunterworfenen Bürger soll durch Androhung von Strafe durch Aufbau psychologischen Zwangs die Straftatbegehung unmöglich gemacht werden. Die Spezialprävention kann negativ durch harte Strafen, aber auch positiv durch Resozialisierungsmaßnahmen herbeigeführt werden.

Die Vereinbarung beider Ansätze
Die Vereinigungstheorie versucht, absoluten und relativen Ansatz miteinander zu verbinden. Im deutschen Strafgesetzbuch in § 46 heißt es für die Grundsätze der Strafzumessung: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.“ Dabei ist Satz 1 im Hinblick auf die absolute, Satz 2 hinsichtlich der relativen Theorie zu verstehen.

Die Todesstrafe wird meist mit zwei Argumenten begründet. Einmal als Vergeltung im Namen der Gerechtigkeit. Der Staat soll stellvertretend das Recht haben, das Leben eines anderen Menschen um der Gerechtigkeit willen zu nehmen. Zum anderen wird der Schutz der Bevölkerung gegen schwerste Verbrechen genannt. Ein Menschenleben wird ausgelöscht, um das Gemeinwesen vor dessen Besitzer zu schützen.

Für diese Argumentation wird in der Regel die absolute Theorie herangezogen. Die Gegner der Todesstrafe hingegen berufen sich eher auf die Spezialprävention, also die relative Theorie.

(Text: Johanna Schricker)

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Eine philosophisch-theoretische Betrachtung der Todesstrafe
Über die Verbreitung der Todesstrafe 2013

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