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Die SPD und die Bundestagswahl 2017

Johanna Uekermann ist Bundesvorsitzende der Jusos. Egal, ob man nur ein „Uekermann-Ultra“ (ja, die gibt es wirklich) oder ein kategorischer Gegner der 29-Jährigen ist – sie verkörpert unbestreitbar Attribute, welche der SPD guttun und welche nicht allzu oft in der ältesten Partei Deutschlands zu finden sind. Sie ist jung, weiblich und hat keine Angst, die eigene Parteiführung und Missstände auch öffentlich anzusprechen. Unvergessen ihre „4-„ für Sigmar Gabriel im November 2015.[divide]
Nun könnte man denken, ihr Landesverband Bayern ist über diese prominente Persönlichkeit in den eigenen Reihen erfreut und macht sich die überregionale Bekanntheit Uekermanns zu Nutzen. Stattdessen wurde sie beim Listenparteitag am vergangenen Samstag auf einen beinahe aussichtlosen 26. Platz gewählt. Uekermann machte am nächsten Tag ihrem Ärger mit einem ziemlich deutlichen Facebook-Post Luft. Die Jusos Bayern zogen nach und überdenken die Zusammenarbeit mit der BayernSPD.

Landeschef Florian Pronold blieb ebenfalls beschädigt zurück. Er hatte nach langen Diskussionen im Landesvorstand den Vorschlag durchgesetzt, Uekermann wenigstens auf den halbwegs aussichtsreichen 22. Platz zu setzen – die Delegierten ignorierten den Wunsch des Landesvorstands. Schönes neues Jahr nach Bayern, das kann ja heiter werden 2017.
SPD Bundestagswahl 2017

Die Alten machen für die Jungen die Politik

Sicher, einige argumentieren nun, das war eine demokratische Abstimmung, Niederlagen gehören dazu. Hinzukommt, dass die über-medial-präsente Uekermann mindestens so viele Gegner wie Freunde hat. Ihr öffentlicher Vorstoß, eventuell durch eine Kampfkandidatur den vierten Listenplatz gegen eine beliebte Bundestagsabgeordnete zu erobern, war ebenfalls kein Sympathieträger.

Doch all dies lenkt von Problemen ab, die nicht nur die bayrische SPD betreffen. Die Genossen und Genossinnen scheinen nicht begriffen zu haben, dass man noch so viel über Politik für junge Leute sprechen kann – wenn man nicht wenigstens ein paar junge Leute in die Politik lässt, nimmt einem das keiner ab. In der nächsten Legislaturperiode stehen elementare Entscheidungen – so sich denn eine entscheidungsfähige und entscheidungsfreudige Regierung findet – auf dem Programm, welche vor allem die kommenden Generationen betrifft. Die Rente, der Klimawandel und seine Folgen, die Zukunft Europas.

In diesem Sinne, kann man es sich leisten, die Bundesvorsitzende des eigenen Nachwuchses mit dem Argument der „Regionalproporz“ auflaufen zu lassen?

Auf der Landesliste der BayernSPD kommt auf Listenplatz 20 die erste Person unter Dreißig. Die SPD in Hamburg – heute eine der letzten sozialdemokratischen Hochburgen – hat auf ihren zwölf Listenplätzen ein aktives Mitglied der Jusos – an Nummer 11.

Die SPD geht hier einen sehr gefährlichen Weg. Denn die Partei heizt den „Generationenkonflikt“ in den eigenen Reihen an. Alteingesessene Mitglieder wollen ihre sicheren Listenplätze für den Bundestag nicht hergeben. Sie sehen eine Art Vorzugsrecht vor den „Neuen“. So aber findet sich für keine Partei Nachwuchs, welcher Lust hat, Zeit und Energie zu investieren.

Um es klarzustellen: die allermeisten engagierten Menschen, ob jung oder alt, sind nicht auf eine politische Karriere aus. Doch wollen auch sie das Gefühl, dass man sie und ihre Interesse ernst nimmt. Mit solchen Listenparteitagen, wo hinter verschlossenen Türen gemauschelt und gemeutert wird, fühlen sich viele wütend zurückgelassen.

Wo soll da der politische Nachwuchs herkommen?

Das Bild, welches die Partei dabei nach außen trägt, ist – vor allem beim jüngeren Publikum – ein ziemlich schlechtes. Denn es entsteht der Eindruck, dass wer sich engagiert, zwar gerne mithelfen darf, aber bitte ohne Ansprüche zu stellen. Da wundert es nicht, dass immer weniger junge Menschen in Parteien mitmachen.

Im Fall Uekermann kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Denn hier kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Niederbayerin auch aufgrund ihrer oftmals kritischen Haltung zur Parteispitze und Bundestagsfraktion „abgestraft“ wurde. Das ist fatal, befindet sich der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel von der Beliebtheit her doch in etwa zwischen dem immer noch nicht abgestiegenen HSV und dem halbjährlichen Zahnarztbesuch. Wenn die Menschen nun noch das Gefühl bekommen, seine internen Kritiker werden klein gemacht, wird es schwierig, Gründe für ein Kreuz bei der SPD zu machen.
Zumal Uekermann durchaus für eine alternative – linkere – Rolle der Sozialdemokraten steht. Sie ist eine erklärte Unterstützerin von rot-rot-grün, einer Erhöhung des Mindestlohnes oder einer Vermögenssteuer.

So stellt sich die Frage, was möchte die SPD für die Zukunft? Ein weiter so mit eingesessenen Leuten und ein paar wenigen jungen Karrieremenschen, die ihre geplante politische Laufbahn als Poster über dem Bett hängen haben – auch als „Netzwerker“ bezeichnet. Oder lieber doch mal was Neues wagen? Einen neuen Schwung und neue Ansätze. Nicht immer nur sagen, wir wollen Politik für die kommenden Generationen machen. Sondern diese einbeziehen, beispielsweise durch eine U30-Quote für die kommenden Listenwahlen.

Dieses Wochenende aber fügt sich passend in den bisherigen gesamten Vorwahlkampf-Auftritt der Partei. Erstmals seit lange ist Angela Merkel angreifbar. Und was machen die Sozialdemokraten? „Rent a Sozi“, die unsägliche K-Frage und jetzt die Demontage der Juso-Chefin. Man bekommt beinahe den Eintrug, die SPD tut alles, damit die Bundeskanzlerin sich keine Sorgen über Weihnachten machen muss.
Es wird spannend, wie die Sozialdemokraten im neuen Jahr loslegen. Nach den bisherigen Auftritten kann es eigentlich nur besser werden.

(Foto: Christopher Jonck by jugendfotos.de)

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