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Schwul sein rockt!

Guido Westerwelle ist der neue deutsche Außenminister. Politisch und sprachlich steckt er dafür bereits vor seinem Amtsantritt reichlich Kritik ein. Doch was könnte es für ein deutlicheres Zeichen für mehr Toleranz geben – ausgerechnet Deutschland schickt einen schwulen Spitzenpolitiker in die Welt.
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Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zufolge, wünschten sich nur 28 Prozent der Deutschen den FDP-Chef als Außenminister. 46 Prozent sprachen sich sogar dagegen aus und hätten Westerwelle lieber als Wirtschafts- oder Bildungsminister gesehen. Trotzdem hat sich die neue Bundesregierung aus Union und Liberalen für Guido Westerwelle entschieden. Für einen homosexuellen Außenminister.
Dessen sexuelle Neigung sorgt in Deutschland heute weder in der Politik noch in den Medien für ein großes Spektakel. In der Bundesrepublik haben wir uns schon lange daran gewöhnt. Das heißt, eigentlich erst seit acht Jahren. Damals trat nämlich der regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), vor die Fernsehkameras und outete sich medienwirksam mit dem Satz „Ich bin schwul und das ist auch gut so.”
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Westerwelle selbst hatte sein öffentliches Coming-Out vor fünf Jahren – am 50. Geburtstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Seitdem tritt er gelegentlich öffentlich mit seinem langjährigen Lebensgefährten Michael Mronz auf. So auch am 27. September 2009. Am Abend der Bundestagswahl.
Westerwelle steht auf dem Podium im „Römischen Hof” in Berlin und strahlt über das ganze Gesicht. Und seine Freude will er, muss er, teilen – mit seinem Liebsten. Arm in Arm stellt er sich mit Mronz vor die Kameras und blitzenden Fotoapparate. Überglücklich lehnt sich der Sieger des Abends an die Schulter seines Partners. Ungewöhnlich ja – unmöglich nein. Deutschland ist reif für einen schwulen Außenminister.

Doch in diesem besonderen Amt ist für die Person und für die gesamte Bundesrepublik eine andere Frage viel wichtiger: Wie offen ist die Welt für einen schwulen Spitzenpolitiker? Einige Deutsche befürchten, von einem Homosexuellen nicht in allen Staaten angemessen repräsentiert werden zu können. Sogar Hasskampagnen intoleranter Gruppierungen gegen die Bundesrepublik werden befürchtet.
Das sind keine Seitenhiebe gegen Schwule, sondern viel mehr Ängste vor den intoleranten Staaten unserer globalisierten Welt. Vor allem im Mittleren Osten oder Asien, könnte Guido Westerwelles Auftreten zu Problemen führen. Dort ist Homosexualität immer noch strafbar und die Regierungsvertreter könnten ein Einreisen und einen Besuch des deutschen Außenministers gar als eine Beleidung ihrer Kultur betrachten.

Aber warum sollten ausgerechnet wir als Deutsche Angst davor haben? Vielmehr sollten wir stolz auf das Erreichte sein. Gerade in unserem Land ist es doch von besonderer Bedeutung, dass ein schwuler Politiker derart Karriere macht. Fast genau vor 75 Jahren begannen die Nationalsozialisten an gleicher Stelle damit, Schwule, Lesben und Bisexuelle zu verfolgen und zu misshandeln.
50 000 Verurteilte. 15 000 Verschleppte in Konzentrationslager, wo mehr als die Hälfte teils an unmenschlichen medizinischen Versuchen qualvoll sterben musste. Und heute zeigt sich genau dieses Land vom unübertrefflichen Gegensatz: Ein Schwuler wird Außenminister.

Wir sollten also weniger auf uns blicken und uns Gedanken über unser Ansehen im Ausland machen. Vielmehr sollte uns doch das enorm intolerante Verhalten Sorgenfalten ins Gesicht werfen, welches immer noch in 80 Staaten unseres Erdballens an den Tag gelegt wird. Per Gesetz gilt in diesen Ländern gleichgeschlechtlicher Sex auch heute immer noch als illegal. In Ländern wir Iran, Mauretanien, Saudi Arabien, im Sudan und Jemen droht Homosexuellen sogar die Todesstrafe.

Zugegebenermaßen, wird in diesen Nationen auch ein schwuler deutscher Außenminister keine ganze Kultur hin zu mehr Toleranz bewegen können. Doch in vielen der betroffenen Staaten ist zumindest ein Beginn, ein Anreiz, ein Beweggrund einer Aufklärungsarbeit vorstellbar, die Guido Westerwelle schon alleine durch einen Besuch anstoßen könnte. Notwendig ist die Gleichstellung von Homosexuellen schon lange. Auf der ganzen Welt. Schwule, Lesben und Bisexuelle sind keine anderen oder gar falschen Menschen. Sie haben zwar eine Neigung, die nicht der breiten Masse entspricht, und entgehen dem üblichen gesellschaftlichen Partnerschaftsdenken. Das ist jedoch weder verwerflich noch Grund für Ausgrenzung, Hass und Todesstrafe.

Von „außen” auf die Herrscher der betroffenen Länder einreden, macht dabei allerdings keinen Sinn. Oft genug ist ein solcher Weg eher schädlich für den internationalen Dialog. Niemand, der nicht selbst in den jeweiligen Staaten aufgewachsen ist und lebt, versteht deren Kultur, deren Lebens- und Denkweise. Genauso kann auch kein Heterosexueller der Welt alleine durch sein Auftreten und seine Auslandsreisen für ein positives Zeichen für Schwule und Lesben sorgen. Westerwelle kann das.
Er trägt durch den offenen Umgang mit seiner Homosexualität als Außenminister unweigerlich eine Botschaft in die Welt. Eine Botschaft von mehr Toleranz. Homosexualität könnte so auch in bisher feindselig eingestellten Ländern zum Thema werden. Thema in den Medien. Und vor allem ein Thema in den Köpfen der Menschen.

Vollkommen egal, welche politischen Ziele Guido Westerwelle in den kommenden vier Jahren Regierungszeit vertreten wird, er ist das personifizierte Symbol der deutschen Toleranz. Natürlich werden einige Länder dieses Zeichen bewusst falsch deuten. Sie werden es zu ihrem eigenen Nutzen auslegen und womöglich auch gegen Deutschland verwenden. Aber in einem Großteil der Staaten wird es die Homosexualität ein Stück weit normaler werden lassen oder zumindest zu einem Thema der machen. Und allein deshalb lohnt sich das Projekt Guido Westerwelle im Amt des Außenministers.

(Text: Konrad Welzel / Fotos: Sebastian Schütz by jugendfotos.de)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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