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Ratspräsidentschaft: Ein bisschen glänzen

Griechenland hat die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernommen. Es ist schon das fünfte Mal, doch diese steht unter einem schlechten Stern: Ausgerechnet das Land, was am tiefsten in der Krise steckt, heißt es aus dem Ausland. Einige forderten den Verzicht, andere erhoben gleichzeitig Vorwürfe gegen die Arbeitsweise der Troika. Ein Zwischenbericht aus dem Land, wo es nur vordergründig bergauf geht.
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Griechenland„Was kann Griechenland schon ausrichten? In Europa haben alle ein schlechtes Bild von Griechenland, wir hängen am Tropf der Troika und um unsere Selbstständigkeit ist es schlecht gestellt“, sagt der 23-Jährige Manos. Er ist arbeitslos und verbringt seine Vormittage auf Jobsuche in der Innenstadt Athens.
Die Krise ist in diesen Tagen weniger sichtbar geworden. Menschen eilen durch die Ermou-Straße, gefüllte Einkaufstüten in den Händen. Manche bleiben in Restaurants und Cafes sitzen und beobachten das Treiben.

Eine von ihnen ist Maria. Die 51-Jährige hat in einer Fabrik gearbeitet, die vor zwei Jahren geschlossen wurde. Mit einem Buch in der Hand geht sie vormittags in ein Cafe. Sie sucht den Austausch zu anderen arbeitslosen Griechen, zuhause fällt ihr die Decke auf den Kopf.

Auf einem Spaziergang durch die Innenstadt erzählt sie, was vorbeieilenden Touristen verborgen bleibt: „Die Krise ist noch genauso brutal wie vor fünf Jahren. Die Familien leisten viel Auffangarbeit, aber wir spüren keine Unterstützung von Europa. Im Gegenteil: Wir haben unsere Arbeitsplätze verloren und nach einem Jahr gibt es kein Arbeitslosengeld mehr. Ich glaube nicht, dass wir diese Politik mit der Ratspräsidentschaft verändern können.“
So wie Maria und Manos sehen es viele desillusionierte Griechen. Über Finanzminister Schäubles Worte, mit Griechenland ginge es wieder bergauf, kann sie nur bitter lachen.

Ziele
Im Vorfeld hatten deutsche Politiker aus CDU und FDP Griechenland empfohlen die Ratspräsidentschaft zu verschieben. Die griechische Politik betrachtet sie jedoch als Herausforderung.
In vier Themenfeldern will Griechenland verstärkt Fortschritt erzielen: Wachstum, Beschäftigung und Kohäsion sind in jeder Präsidentschaft Pflichtbestandteil. Konkret will man hierbei die Arbeitslosigkeit eindämmen und den Zugang zu Finanzierungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen verbessern.

Das zweite Themengebiet behandelt die Vertiefung der Europäischen Union und der Eurozone. Hier soll noch bis zur Wahl des Europäischen Parlaments im Mai eine Bankenunion etabliert und die wirtschaftspolitische Steuerung verstärkt werden.
Der dritte Ansatz widmet sich Zuwanderung, Grenzen und Mobilität. Griechenland weist hier besonders auf die Staaten hin, die in der Krisenzeit durch wachsende Flüchtlingsströme zusätzlich belastet werden.

Ziel sei ein umfassendes Migrationsmanagement der EU voranzutreiben. Der letzte Punkt des Programms ist die Meerespolitik, die von zweierlei Seiten betrachtet wird: Auf der einen Seite werden die Potenziale des Meeres für die wirtschaftliche Entwicklung der EU betont und auf der anderen Seite die Probleme, wie etwa die aktuelle Sicherheitslage an den südlichen Seeaußengrenzen.

GriechenlandWer überwacht die Wächter?
Derweilen wurden im Europäischen Parlament Stimmen laut, die die parlamentarische Kontrolle der Troika forderten. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments setzte daraufhin im November 2013 eine parlamentarische Untersuchung zur Rolle und den Tätigkeiten der Troika ein. Ihr Berichterstatter ist der österreichische Europaabgeordnete und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas.

Die Troika besteht aus den drei internationalen Geldgebern: EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds. Sie wurde im Jahr 2010 kurzfristig eingesetzt, nachdem bekannt wurde, dass Griechenland Notkredite brauchen würde. Regelmäßig reisen Beamte und Experten zur Überprüfung der zugesagten Reformvorhaben in die überschuldeten Krisenländer.

Der Untersuchungsbericht von Dezember 2013 thematisiert eine unzureichende rechtliche Grundlage für die Arbeit der Troika und schreibt den Kontrolleuren außerdem eine Mitverantwortung am Einbruch der Wirtschaftsleistung, an der Zunahme der Einkommensunterschiede in den Programmländern und an der verstärkten Armut geführt.
Der Bericht wählt dabei harte Worte: „Das Europäische Parlament bedauert, dass die Programme nicht an die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Verträge (…) gebunden sind.“

Probleme und offene Forderungen
Die Ungleichheit der Einkommensverteilung sei überdurchschnittlich angestiegen und die Jugendarbeitslosigkeit befinde sich auf einem inakzeptabel hohen Niveau. Der Bericht hebt hervor, dass das Mandat unklar war und keine angemessene rechtliche Grundlage bestanden habe.

Kritisch wird auch die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) gesehen, da das Mandat auf Kredit- und Geldpolitik begrenzt war. Alle anderen Beteiligungen erfolgten auf unsicherer Rechtsgrundlage. Die Forderung des Berichts: Mehr Transparenz, mehr Mitsprache und Kontrolle. Karas, der Leiter der Untersuchungskommission fordert als erste Maßnahme eine interne Geschäftsordnung für transparentere Entscheidungsabläufe.

Langfristig solle die Arbeit der Troika durch einen neuen Europäischen Währungsfonds auf Basis von EU-Recht übernommen werden, um so Reformen und Hilfsgelder demokratisch legitimieren und parlamentarisch kontrollieren zu können. Wie realistisch das ist, sagt Karas nicht. Alle 28 Mitgliedstaaten müssten dazu einer Vertragsänderung zustimmen. Und das dauert.

Strukturelle Probleme
Zurück nach Athen: Maria führt durch verwaiste Einkaufszentren vorbei an leeren Restaurants und geschlossenen Geschäften. „Enoikiazetai – zu vermieten“ kann man an jeder Ecke lesen. „Der öffentliche Schuldenstand liegt bei 176 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und selbst wenn die Wirtschaft wächst, bleibt die Arbeitslosigkeit hoch“, sagt Maria.

Sie ist überzeugt, dass Zeit und Spielraum für die Visionen Griechenlands in der Zeit der Ratspräsidentschaft nicht ausreichen werden: „Alle machen den gleichen Fehler: Sie erhoffen sich aus kurzfristigen Maßnahmen langfristige Verbesserungen. Immer wieder werden Dinge versprochen, die nicht gehalten werden können und die Politik glaubt, wir merken es nicht.“
Mit 50 Millionen Euro ist das Budget Griechenlands für den EU-Vorsitz das kleinste seit es EU-Präsidentschaften gibt. Dazu kommt, dass diese Ratspräsidentschaft zeitlich erheblich verkürzt wird, da das Europäische Parlament im April in die Europawahlpause geht.

Manos macht sich derweilen eher Sorgen um die ausbleibenden Investitionen in Griechenland: Die Ratspräsidentschaft ist nichts weiter als ein Ehrenposten. Griechenland muss versuchen seine Botschaften wirkungsvoll zu versenden, um ein bisschen zu glänzen. Mehr brauchen wir uns daraus nicht zu erhoffen.“

(Text & Fotos: Lisa Brüßler)

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