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“Wenn Soldaten fallen und Militär Politik ersetzt, herrscht Krieg”

Petra Pau hat seit 1998 durchgehend ein Mandat im Deutschen Bundestag. Von 2000 bis 2002 war sie stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion und gehört seit 2005 dem Vorstand der Linksfraktion an. Seit 2006 ist die 46-Jährige stellvertretende Präsidentin des Deutschen Bundestages. Mit back view spricht Petra Pau über die deutsche Politik.
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back view: Wie kann man den Menschen in Zeiten der Politikverdrossenheit Politik näher bringen?
Petra Pau:
Allgemein erlebe ich kaum Politikverdrossenheit, sehr wohl aber, dass Bürgerinnen und Bürger die Folgen der offiziellen Politik missbilligen und sich selber ohnmächtig fühlen.

Schüler, Studierende und Lehrer auf der Straße – wo anfangen?
Bei einer verfehlten Steuerpolitik, die der Allgemein-Bildung Mittel entzieht, und bei einem falschen Föderalismus-Verständnis, das Kleinstaaterei schafft.

Beim Afghanistaneinsatz der Bundeswehr darf ein Wort nicht in den Mund genommen werden – doch ab wann ist ein Krieg ein Krieg?
Wenn Soldaten fallen, Zivilisten zerbombt werden und Militär Politik ersetzt, dann herrscht Krieg, alles andere ist juristische Spiegelfechterei.

Warum würden Sie sich selbst wählen?
(Kleiner Bruch des Wahlgeheimnisses): Nicht „würde”, ich tue es, weil ich überzeugt bin, dass Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit wichtiger sind, als Profit und Macht.

In der ehemaligen DDR arbeiteten Sie als Lehrerin für Deutsch und Kunst. Heute werben Sie für die Einführung einer Gemeinschaftsschule. Wie sollen Kinder besser lernen können, wenn sie bis zur achten Klasse alle eine Schule besuchen?
Ich habe in der DDR eine Gemeinschaftsschule erlebt, die – modifiziert – heute als skandinavisches Erfolgs-Modell gilt. Das in Deutschland übliche 3-gliedrige System spielt ungerecht Aschenputtel. Nur, das es kein Märchen ist, sondern viele Kinder ins Abseits führt.

petra pau2Ist es der Großen Koalition in den vergangenen vier Jahren gelungen, im Bereich des Datenhandels ein Zeichen zu setzen und den Schutz der persönlichen Daten voranzutreiben?
Der Koalition aus CDU/CSU und SPD ist es „gelungen”, alle überfälligen Verbesserungen im Datenschutz zu beerdigen. Mehr noch: Verbriefte Bürgerrechte werden attackiert und die Demokratie wird so weiter ausgehöhlt.

Im Programm Ihrer Partei werben Sie weiterhin für die Abschaffung von Hartz IV. Was wollen Sie konkret ändern und wie lässt sich das finanzieren?
Die Philosophie von „Hartz IV” ist: Die Massenarbeitslosigkeit sei vor allem ein individuelles Problem. Das blendet die ökonomische Ursache und die gesellschaftliche Verantwortung aus.
Zur Finanzierung unserer Alternativen verweise ich auf das Wahlprogramm der LINKEN. Und ich merke an: Keine andere Partei wird so penetrant nach der Finanzierbarkeit ihrer Politik gefragt wie meine. Dabei haben die Verfechter einer neoliberalen Politik gerade Milliarden Euro „verbrannt”, ohne auch nur  in einem Halbsatz zu sagen, wie sie das wieder gut machen wollen.

Sie haben als Bundestagsabgeordnete Verantwortung und Macht zugleich. Sie sind die Stimme des Volkes und managen unser Land. Im Vergleich zu Managern von Unternehmen verdienen Sie allerdings deutlich weniger – zu wenig?
Ich will hier keinen philosophischen Streit über „Macht” eröffnen. Er lohnte sich dennoch. Als Abgeordnete bekomme ich hinreichend Bezüge, um unabhängig politisch agieren zu können. Ein Ackermann, Mehdorn oder Zuhmwinkel möchte ich nie werden.

Frau Petra Pau, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Bundestagswahl.

Weitere Informationen: www.petrapau.de

(Interview: Konrad Welzel / Fotos: Petra Pau)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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