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“Politik von morgen braucht keine Politiker von gestern”

Andreas Popp ist stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Der diplomierte Wirtschaftsmathematiker war schon bei der Europawahl Listenkandidat für die Piraten und steht nun als Direktkandidat bei der Bundestagswahl auf der Liste. Mit back view spricht er über die kommenden Wahlen und die Ziele seiner Partei.
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back view: Schon 2006 gibt es die Piratenpartei in Deutschland, warum hat man vor dem Wahljahr 2009 noch nichts von ihr gehört?
Andreas Popp:
Es ist die erste Bundestagswahl zu der wir antreten. Erfahrungsgemäß ist das Interesse an Parteien, auch kleinen, zur Wahl natürlich deutlich größer. Das Interesse an unserer Partei kommt auch daher, dass der schwelende politische Konflikt rund um die „Digitale Revolution” durch die Netzsperren-Debatte eskaliert ist.

Was unterscheidet Ihre Partei von den Großen?
Wir besetzen Themen, die von den großen Parteien allerhöchstens als Randthemen gesehen werden. Dabei versuchen wir uns möglichst basisdemokratisch zu organisieren und jedem die Mitarbeit zu ermöglichen. Dies kommt besonders bei jungen Menschen an, wie unser deutlich geringerer Altersdurchschnitt zeigt.

Was hat Sie persönlich dazu bewogen ein Pirat zu werden?
Ich bin leidenschaftlicher Gamer. Nach dem Amoklauf von Emsdetten hatten wir wieder diese unsägliche Debatte um das so genannte „Killerspielverbot”, das ist mir sehr sauer aufgestoßen. Die Piratenpartei ist die erste und einzige Partei die sich offensiv gegen ein solches Verbot gestellt hat. Daraufhin habe ich mich über die Ziele der Partei informiert und mich sofort wieder gefunden.

andi poppWarum glauben Sie, dass Sie mit Ihren Zielen hauptsächlich jüngere Menschen ansprechen? Und mit welchen Punkten in Ihrem Programm möchten Sie auch ältere Wähler ansprechen?
Die kontroverse Diskussion über unsere Themen offenbart einen tiefen Graben zwischen den Politikern der alten Schule und der neuen Generation der so genannten „Digital Natives”. Letztere sind zwar im Schnitt deutlich jünger, aber das Problem ist hier nicht das Alter, sondern das Verständnis für die neuen Technologien. Unsere Themen sind für jung und alt gleichermaßen wichtig.

Was sagt die Piratenpartei um Thema Bildungsstreik?
Bildung ist eines unserer Kernthemen und wir nehmen es sehr ernst. Dass junge Menschen auf die Straße gehen, um auf die desolate Bildungssituation aufmerksam zu machen, zeigt dass es vielen genauso geht. Schade ist dabei nur, dass diejenigen die an den Hebeln sitzen, den Protest von der Straße schon gar nicht mehr hören.

Einige Ihrer Programmpunkte werden als sehr kontrovers und nicht umsetzbar wahrgenommen. Im Speziellen bei den Urheberrechtsbestimmungen von Musik und Film. Wie stellen Sie sich eine Umsetzung vor?
Die Urheberrechtsfrage wird hauptsächlich deswegen als kontrovers empfunden, weil viele glauben wir wollen das Urheberrecht komplett abschaffen und dann aus der Hüfte schießen um es zu verteidigen. Unser Ziel ist aber eine Reform. Dazu zählt vor allem, dass das Urheberrecht nicht bis in den privaten Lebensbereich der Bürger reichen darf und dass die Laufzeiten deutlich kürzer werden.

Kaum eine Partei nutzt das Internet als Medium für den Wahlkampf wie die Piratenpartei. Wird Wahlkampf in Zukunft so aussehen?
Das Netz wird auf jeden Fall an Bedeutung gewinnen, es zu nutzen ist aber nicht so einfach. Es ist ein offenes Medium, in dem jeder Sender und Empfänger zugleich ist. Man kann dort nicht einfach Wahlplakate kleben, sondern muss den Dialog suchen. Und dazu gehört vor allem auch zuhören und nicht nur selbst reden.

Mit welchem Wahlausgang rechnen Sie?
Ich mag es nicht, zu spekulieren. Unser Minimalziel ist auf jeden Fall das Ergebnis von der Europawahl zu halten (0,9 Prozent; Anmerkung der Redaktion). Wenn wir das erreichen, können wir von einem Wahlerfolg sprechen. Aber wir zielen ganz klar auf die Fünf-Prozent-Hürde. Das ist zumindest dieses Jahr sicher noch ein sehr ambitioniertes Ziel, aber am Horizont ist es schon sichtbar.

Warum würden Sie sich selbst wählen?
Wir brauchen dringend Politiker im Bundestag, welche die Chancen und Risiken des technologischen Umbruchs verstehen. Bisher werden die Ratschläge und Befürchtungen von Bürgerrechtlern, Technikexperten und Netzbürgern eifrig ignoriert oder gar bekämpft. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Politik von morgen nur von Politikern von gestern gemacht wird.

Herr Andreas Popp, vielen Dank für das Gespräch  und viel Erfolg für die Bundestagswahl

Weitere Informationen: www.piratenpartei.de

(Interview: Kristin Heck / Foto: Piratenpartei)

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