KulturLiteratur

“A long way gone”

Manche Reisen würde man lieber nicht antreten. Ishmael Beah erzählt auf beeindruckende Weise von seinen Erlebnissen zu Zeiten des Bürgerkrieges in seinem Heimatland Sierra Leone. Kriege fordern Opfer und am schlimmsten betroffen sind meist die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft: Kinder, Frauen, Alte und Schwache.

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Für die meisten von uns findet Krieg weit weg statt. Nur aufgrund der Nachrichtenmeldungen im Fernsehen und in der Tageszeitung erfahren wir davon. Zwar erreichen Flüchtlinge regelmäßig auch die europäischen Grenzen, dennoch ist die Vorstellung von Krieg mit all seinen Folgen für die meisten Jugendlichen hierzulande etwas Unvorstellbares. Auch für Ishmael war dies der Fall – bis schließlich Flüchtlinge an seinem Dorf vorbeikommen und auch er als Zwölfjähriger die besorgten Blicke der Erwachsenen zu verstehen beginnt. In seinem Buch „A long way gone. Memoirs of a boy soldier” beschreibt Ishmael Beah wie seine Kindheit ein abruptes Ende findet. Von seiner Familie getrennt versucht er, nicht zwischen die Fronten zu geraten – ein unglückliches Unterfangen.

Zusammen mit drei Freunden beschließt Ismael über das Wochenende in die nächste größere Stadt, Mattru Jong, zu gehen um dort an einem Hip-Hop Tanzwettbewerb teilzunehmen. Auf dem Weg dahin müssen die vier Jungs jedoch feststellen dass sie nicht mehr an ihrem Ziel ankommen werden. Die Rebellen sind weiter in das Landesinnere vorgedrungen und blockieren den Rückweg. Das Durcheinander nach dem Angriff und die Angst den Rebellen zu begegnen führt die kleine Gruppe, abseits der großen Straßen, quer durch Sierra Leone. Es dauert nicht lange und sie begegnen den ersten Opfern des Bürgerkrieges. Ishmaels Beschreibungen der Opfer, der Angst, der Unwissenheit und dem Entsetzen lassen eine bedrückende Stimmung entstehen, welche bis zum Ende des Buches nicht so recht weichen mag.

Getrieben von dem Wunsch seine Eltern wieder zu sehen und einen sicheren Platz zu finden, irrt Ishmael zusammen mit einer wechselnden Gruppe von Menschen in seinem Land umher – eine lange Reise zu Fuß beginnt. Den gewalttätigen Rebellen entkommen er zwar, jedoch begegnet er dem staatlichen Militär welches ihn rekrutiert.
Ishmael schildert das furchtbare Verfahren der Rekrutierung, das erste Benutzen der Waffen und seinen inneren Willen zum Widerstand gegen das Töten. Letztlich wird dieser allerdings durch Drogen und Alkohol gebrochen. Er wird zu einem gewissenlosen Mörder gemacht. Im Krieg ist das Recht des Stärkeren Gesetz Nummer eins und so lernt Ishmael, wie auch seine Freunde sich mit Gewalt durchzusetzen. Die Militärführer üben starken psychischen und physischen Druck auf die Kinder aus. Ihrer Argumentation zufolge sind die Rebellen Schuld an dem Ausbruch der Gewalt. Deswegen ist es das erklärte Ziel möglichst viele Rebellen und ihre Unterstützer umzubringen, was dazu führt dass beide Gruppen die gleichen Gräueltaten begehen und Kinder auf beiden Seiten kämpfen.

Schon nach ein paar Seiten ist man von Ishmaels Erzählweise, seinen exakten, mit Kinderaugen gesehenen Beschreibungen der Situationen und der Menschen in den Bann gezogen. Er schildert seine Geschichte mit all den Wendungen eindrucksvoll. Man möchte helfen und fühlt sich hilflos während man auf dem Sofa sitzt. Es ist keine Geschichte, um Mitleid zu erregen, es ist eine Geschichte, die die eingerosteten Gehirnzellen wieder ins Rollen bringt.

(Text: Johanna Zapf)

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