KulturMusik & Theater

„In der Muffathalle hatte ich ganz schön Muffensausen“

Das Leben, das die Electro-Popband ‚Cosby‘ in ihrem eigenen Studio in Unterföhring bei München führt, wirkt nicht wie Sex, Drugs & Rock’n’Roll; nicht wie Rumhängen zwischen leeren Bierdosen und sich stapelnden Pizzaschachteln. Bei Christoph Werner, Robin Karow, Kilian Reischl und Frontsängerin Marie Kobylka trifft eher Perfektionismus und Technik auf Talent und Kreativität.

Cosby im TonstudioNoch mal von vorne. Immer wieder singt die 25-jährige Marie der Band ‚Cosby‘ den neuen Song. Sie hat die dicken Wollschuhe angezogen. Den ganzen Tag wird sie heute im Studio verbringen. Geduldig sitzt Robin neben ihr am Tisch, blickt auf den Bildschirm, verliert seinen Blick in der Tonspur. Leise, dumpfe Tastentöne sind im Hintergrund zu hören. ‚Wuschel‘, wie Christoph genannt wird, steht seit Stunden an seinem Synthesizer in der Ecke. Er trägt einen gemusterten ‚One-Piece‘-Anzug, ein weißes Kopfhörerkabel spitzt unter seinen Locken hervor. Er scheint fernab von dieser Welt in die Töne vertieft zu sein.

“Wir wollen uns vier Hühner anschaffen”

Kilian stupst ihn an, weil das Mittagessen fertig ist: Es gibt Spaghetti aus Zucchini. Vegetarier sind die Vier nicht, aber Marie hat einmal einen veganen Monat eingelegt. Seither gibt es Milch nur selten und in Bio-Qualität. „Wir wollen uns vier Hühner anschaffen und im Innenhof halten – wegen den frischen Eiern“, erzählt sie. Bisher ist Robins Hund Rosi das einzige Tier, das immer dabei ist. Rosi schläft auf dem Sofa, während ‚Cosby‘ neue Songs kreiert.

Zur Band formiert haben sich die Vier vor etwa zwei Jahren. Kilian hatte sich damals ein Tonstudio in Unterföhring eingerichtet. „Wir haben uns gleich verstanden – sowohl freundschaftlich, als auch musikalisch“, ergänzt Robin, der das Zimmer daneben angemietet hatte. Christoph wollte eigentlich eine Ausbildung zum Tontechniker machen, ist schließlich über Umwege im Studio gelandet. Nirgends sonst ist der Lerneffekt schließlich größer.

Alles in Eigenregie

Und Marie? Die saß eines Nachmittags am Klavier, auf dem bereits Freddy Mercury gespielt hat. Sie hatte einen Freund ins Studio begleitet. Robin und Kilian waren von ihrer klaren und ausdrucksstarken Stimme begeistert. Man traf sich, machte Musik, probierte aus, und formierte sich schließlich zur Band. Viele Dinge musste sich ‚Cosby‘ erst aneignen, viele Dinge erst mal anschaffen – ein eigenes Label zum Beispiel. „Man geht dazu auf die Gemeinde und zahlt 12 Euro. Das war’s erstmal“, erinnert sich Kilian. „Aber dann muss man es natürlich führen und wissen, was man damit macht.“ Fast alles erfolgt bei ‚Cosby‘ in Eigenregie; auch die Produktion von Foto und Videos, die Bearbeitung der Homepage, die Studioaufnahmen. Gesangsunterricht nahm Marie bei Kilians Frau.

Christoph, Kilian, Marie und Robin haben es sich am Tisch gemütlich gemacht und gehen den weiteren Tagesablauf durch. Die Bookerin muss noch angerufen, eine Giganfrage beantwortet und an den neuen Titeln gefeilt werden. Die Vier arbeiten und leben in ihrem Studio. „Fehlt nur noch, dass ich meinen Bademantel mitbringe“, scherzt Marie. Die Band verbindet nicht nur eine gemeinsame Leidenschaft und enge Zusammenarbeit, sondern mittlerweile auch eine enge Freundschaft.

„Wir haben ein sehr ehrliches Verhältnis. Gibt es Probleme, sprechen wir sie an. Es ist wie in einer Beziehung – da streitet man sich auch, vor allem, wenn man wie wir den ganzen Tag zusammenhängt, aber im Grunde ändert es nichts an der Basis“ erzählt Marie. Sie steht nach dem Mittagessen in der Küche, bestätigt mit ihrem Handy eben noch eine der vielen Facebook-Freundschaftseinladungen und brüht Kaffee für alle auf. „Es gab eine Zeit, da nahm ich mir vor, in der Zukunft irgendwas Langweiliges zu machen. Etwas, bei dem man sicher ist, dass nichts schief geht, aber auch nichts besonders tolles passiert“, erzählt sie.

Nerds versus Cro

Irgendwie haben sich ihre Lebenspläne aber geändert. Marie genoss klassischen Klavierunterricht und schrieb nebenbei erste eigene Songs. Vorbilder gab es zu dieser Zeit viele, Beyoncé zum Beispiel, die Marie mit etwa 12, 13 Jahren nachahmte. Als Kind lauschte sie dagegen eher den Rolling Stones oder Queen – der Musik, die ihre Eltern hörten. Mittlerweile findet Marie Cro „ganz cool irgendwie; auch, wenn die anderen Drei das nicht so nachvollziehen können.“ Die anderen Drei nennt sie auch gerne mal liebevoll ‚Nerds‘ – wegen ihrem Faible für technische Musikgeräte.

Kilian schmiss in der zehnten Klasse die Schule. „Mit 10 Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen, mit 15 wollte ich Rockstar werden. Danach gingen die Fragen weiter: Wie kann ich etwas aufnehmen, wie schreibe ich Songs, wie funktioniert eigentlich ein Schlagzeug?“, erzählt Kilian. Marie dagegen begann nach dem Abitur erst mal ihr Geographie-Studium – als Absicherung, falls das mit der Band nicht hinhaut. Doch der Spagat zwischen Bandleben und Uni ist nicht einfach.

„Wenn ich alles nur halbherzig mache, verpasse ich vielleicht eine Gelegenheit. Meine Eltern haben immer gehofft, dass ich den Bachelor noch zu Ende bringe, schließlich bin ich schon im vierten Semester, aber mittlerweile haben sie akzeptiert, dass ich innerlich den Weg der Musik, nicht des Studiums, gewählt habe“, gibt Marie zu. „Früher habe ich noch Viele um ihre Meinung zu diesem Thema gebeten. Aber wenn man etwas ernst meint, braucht man keine Bestätigung mehr für eine Entscheidung.“ Nur, so richtig realisieren kann sie es noch nicht. Immer wieder bekommt Marie Nachrichten, zum Beispiel von Freunden aus Berlin, die ‚Cosby‘ im Radio hören. „Das ist schon abgefahren.“

Statt Privatjet gibt es noch Nebenjobs

Haben ‚Cosby‘ Angst vorm Scheitern? „Die Phase habe ich seit längerem nicht mehr“, sagt Robin. Die Ideen sprudeln eher gerade nur so. „Es muss immer weitergehen. Es kann immer noch geiler, noch besser werden.“ „Manchmal gibt es kreative Durststrecken“, ergänzt Marie. „Aber bekommt man Bestätigung für das, was man tut, hat man wieder neue Energie. Irgendwie kriegt man immer wieder was Neues hin.“

‚Cosbys‘ Musik klingt, als wären sie schon längst nur noch im Privatjet unterwegs. Noch sind die Vier aber nicht jeden Tag auf Tour. Nicht ausschließlich für die Band zumindest. Nach vielen Stunden im Studio warten noch die Nebenjobs. Marie gibt Poledance-Stunden und kellnert im Café. Manchmal ist sie einfach müde von der körperlichen und geistigen Arbeit. Manchmal gebe es viele Nachtschichten, weil Robin und Christoph nebenbei Imagefilme für Industriekunden drehen. Sonntags besucht Marie oft ihre Eltern. Sechs Stunden Schlaf reichen der Frontsängerin mit den derzeit kurzen blonden Haaren zum Glück. „Ich muss jetzt viel arbeiten.“ Ein Funkmikrofon möchte sie sich bald leisten. „Steht man auf der Bühne und die Zuschauer singen sogar mit, macht es den ganzen Stress aber wieder wett“, gibt sie zu.

Anfangs hatte Marie Angst, die erste Note zu vergessen; mittlerweile besteht bei ‚Cosbys‘ Auftritten kein Hauch von Zweifel an der Professionalität. „Aber ich hätte nichts dagegen, noch viel öfter Konzerte zu spielen, bevor ich eines Tages bei Stefan Raab stehe“, sagt sie mit einem sympathischen Lächeln. „Bei dem Auftritt in der Muffathalle hatte ich schon echt Muffensausen. Da waren so viele Gäste, die extra deswegen kommen und dementsprechend natürlich auch etwas erwarten haben“, gibt Marie zu. Manchmal frage sie sich, wie es wohl für Coldplay sein müsse, vor einer ausverkauften Olympiahalle zu spielen – ob die wohl nervös sind? „Auf der Bühne muss man immer gut drauf sein, auch, wenn man es nicht ist. Am Anfang war es echt schwer, sich immer genau in diese Stimmung des Stücks einzufühlen, aber mittlerweile macht es einfach ‚Klick‘.“

Ein Ritual hat Marie nicht, aber sie schaltet das Licht aus, bevor sie den neuen Song im Studio einsingt. „Ich gehe selten zu Menschen, um zu erzählen, was mich beschäftigt; über die Musik geht das viel einfacher.“ Fragt jemand konkret nach dem Inhalt, fällt es ihr dementsprechend schwer, über Privates zu sprechen. Inhaltlich geht es meistens um Liebe, Freundschaft, Beziehungen oder gute Partys. „Mir ist ganz lieb, wenn jeder ein Stück weit seine eigene Interpretation hat. Ich hoffe einfach, dass das jeweilige Lebensgefühl der Songs ankommt.“

Die vier Münchner Marie Kobylka (Gesang, Piano), Christoph Werner (Synthesizer, Gitarre), Robin Karow (Schlagzeug) und Kilian Reischl (Bass) arbeiten seit Anfang 2013 intensiv an ihrem ersten Album. Die EP LOVE AND WAR ist seit Herbst 2014 erhältlich. Weitere Infos gib es unter thisiscosby.com.

(Text und Fotos: Christina H.)

Christina H.

Christina wollte eigentlich mal Busfahrer werden, ehe sie sich entschloss, doch "irgendwas mit Medien" zu machen. Schreiben tut sie nämlich schon immer gern. Und wie das Leben ohne dieses Internet funktioniert hat, fragt sie sich schon seit Längerem - erfolglos.

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