Als Kind träumt man von den Triumphen der ganz großen Sportler. Man kleidet und verhält sich wie die Sportidole und vergöttert ihre Erfolge. back view zeigt Euch hier in unregelmäßigen Abständen in der neuen Serie die Sportidole der Redaktion. Heute stellt Christina Hubmann die Reiterin Ulla Salzgeber vor. [divide]
Sie sammelte Schleifen und Medaillen, war Olympiasiegerin und Weltmeisterin: Ulla Salzgeber und ihr Pferd Rusty waren auf der ganzen Erdkugel als Traumpaar bekannt. Wenn der Dunkelbraune durchs Viereck trabte, blieb den Zuschauern der Atem weg – bis sie schließlich euphorisch in die Hände klatschten.
Ich weiß es noch genau: Der Fernseher lief zunächst nur nebenbei – bis die vor Freude fast platzende Stimme des Kommentators meine Aufmerksamkeit erregte. Mein Blick fiel auf eine sehr konzentriert, fast schon zu ernst drin blickende Reiterin auf ihrem dunkelbraunen Pferd. „Grandios. Ganz hervorragend. Diese Traversalverschiebung. Sehr schöne Passage“. Die Prüfung wurde nur mit positiven Attributen in Verbindung gebracht.
Im Hintergrund lief klassische Musik. Sie wurde mal imposanter, mal wieder gemächlich. Ulla Salzgeber ritt ihr russisches Pferd Rusty in einer Grand-Pix-Kür im Aachener Reitstadion. Das Pferd schmiss die Beine so hoch in die Luft, als würde es tanzen und galoppierte so raumgreifend, als würde es einen Berg hinauf wollen.
Erst spät steigt Salzgeber in den Sport ein
Ulla Salzgeber wurde am 5. August 1958 in Oberhausen geboren. Im Alter von zehn Jahren begann sie mit dem Voltigieren. Ihr späterer Trainer Fritz Tempelmann führte sie jedoch an das Dressurreiten heran. Mit 19 Jahren konnte sie 1977 als Mannschaftseuropameisterin der Junioren schließlich den ersten großen Erfolg feiern.
Bereits zehn Jahre später wurde Salzgeber auf Anhieb Mannschaftseuropameisterin und belegte mit ihrem dunkelbraunen Pferd Rusty in der Einzelwertung Platz 6.Dann die gleichen Ergebnisse bei den Weltreiterspielen im Jahr 1998 und 2002: Mit der Mannschaft gewann sie Gold, im Einzelwettbewerb errang sie die Bronzemedaille.
Olympische Medaillensammlerin
Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney wurde Salzgeber mit der deutschen Dressurmannschaft Olympiasiegerin. Im Einzelwettbewerb konnte sie sich hinter van Anky van Grunsven und Isabell Werth den dritten Platz sichern. Nervenstärke musste Salzgeber vor allem dann beweisen, als während ihrer Kür die Musik plötzlich aussetzte und sie ihren Ritt kurzzeitig unterbrechen musste.
Nach der Verabschiedung von Isabell Werths Pferd Gigolo stand Salzgeber dann schließlich an der Spitze der Dressurreiterinnen. Kein Wunder also, dass sie für die Olympischen Spiele 2004 in Athen zunächst als Topfavoritin galt. Nachdem ihr Pferd Rusty allerdings positiv auf das Dopingmittel Testosteron getestet worden war, folgte neben einer Geldstrafe auch eine zweimonatige Sperrung. Nur mittels einer Ausnahmegenehmigung konnte Salzgeber an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen: Ihr Tierarzt habe das Pferd wegen einer Hautirritation ohne ihr Wissen mit dem Mittel behandelt – ohne ihres Wissens.
Rusty kommt in Pension
Als letzte Reiterin in der Wertungsprüfung im olympischen Wettbewerb sicherte sich Salzgeber mit einem nahezu fehlerfreien Ritt 2004 einen weiteren Olympiasieg mit der Mannschaft. Im Einzel-Wettbewerb errang sie trotz aller Bemühungen nur die Silbermedaille. Enttäuscht zeigte sie sich von diesem Ergebnis; verabschiedete sie mit diesem Ritt doch ihr Gold-Pferd Rusty in den wohl verdienten Ruhestand. Ein Sieg war das Ziel.
Erst nach mehrjähriger Abwesenheit im internationalen Dressursport meldete sich Ulla Salzgeber 2008 mit ihrem neuen Pferd Herzruf’s Erbe zurück. Ein gutes Jahr später verzichtete sie auf die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften. Damit kam sie nicht für bei den Weltreiterspielen 2010 in Betracht. Lieber konzentriere sie sich auf ihre Trainertätigkeit, gab Salzgeber damals zu.
Nur mit Disziplin kommt man ans Ziel
Man müsse ein Kämpfer sein, wenn man etwas erreichen wolle, erklärte mir Ulla Salzgeber, als ich sie irgendwann einmal treffen durfte. Die studierte Juristin wirkt auch ein bisschen unnahbar, wenn sie nicht auf dem Pferd sitzt. Sie wählt ihre Worte bedachtsam, spricht direkt; schaut einem tief in die Augen. Sie scheint zu wissen, was sie will. Auch wenn ich nicht mehr im Jugendalter bin, steht sie vor mir, wie mein einstiges Idol, das wohl immer mein Idol bleiben wird.
Ulla Salzgeber scheint für alle Fragen eine Antwort und für alle Probleme eine Lösung zu haben. Sei es auf dem Trainingsplatz, auf dem Pferd oder in ihren privaten Räumen: Sie strahlt eine Entspanntheit, fast schon Abgeklärtheit aus, auch wenn sie unter größtem Zeitdruck steht. Nur dank eiserner Disziplin und kontinuierlicher Arbeit mit den Pferden und dank starker Nerven im Wettkampf wurde sie zweimal Olympia- und zweimal Weltmeisterin. Nur dank ihrer Beharrlichkeit fliegt sie heute auf der ganzen Welt herum, um ihren Reichtum an Wissen mit ihren Schülern zu teilen.
(Text: Christina Hubmann / Foto: Adrian Falcoianu, flickr.com)