Die Forschung will nicht nur unbesiegbare Computer beim Schach, sondern auch beim Poker entwickeln – diese Software könnte über das Spiel hinaus nützlich sein. Dass das so leicht nicht geht, weiß der Präsident der Austrian Pokersport Association Martin Sturc aus eigener Erfahrung. Er ist der einzige Mensch der Welt, der ein Unentschieden gegen die Pokersoftware DeepStack herausholen konnte.
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Vor 20 Jahren schaffte es erstmals ein von IBM entwickelter Schachcomputer den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow zu schlagen. Wie lange es noch dauern wird, bis der Mensch im Pokerspiel gegen einen Computer den Kürzeren zieht, ist ungewiss. Wieso Computer anscheinend Schach beherrschen als Poker, hängt von der Komplexität des Kartenspiels ab. Doch auch bei Poker halten uns die Rechner auf Trapp. Erst kürzlich konnte der Wiener Martin Sturc als einziger von zehn Teilnehmern gegen die Software DeepStack ein Unentschieden herausholen.
Bei der an der Universität Alberta entwickelten Software handelt es sich um eine besonders komplexe und anspruchsvolle Pokervariante. Innerhalb von vier Wochen mussten die zehn professionellen Spieler des Internationalen Pokerverbands 3.000 Runden online spielen. Der 32-jährige Präsident des Österreichischen Pokerverbands zieht dennoch menschliche Wesen als Spielpartner vor. „Es ist lustiger mit Freunden am Tisch zu sitzen und sich zu unterhalten“, sagt Sturc. „Auch wenn es um Gewinnen geht, würde ich Menschen vorziehen, weil die mehr Fehler machen als ein Computer, der besser ist als die meisten Spieler.“ Die Künstliche Intelligenz ist also merklich auf dem Vormarsch – Sturc sieht es gelassen. Vor allem findet er Poker faszinierend, egal ob eine Computersoftware sich den nächsten Zug ausdenkt oder Gehirnsynapsen.
So kam Martin Sturc zum Poker
Es war 2006 als er sich dachte, dass Österreich einen Pokerverband brauche. Um den damaligen Studiengebühren auszuweichen, wollte er als Sportstudent einen Pokerkurs am Wiener Universitätssportinstitut anbieten. Als der Institutsleiter ihm das mit der Begründung, dass Poker kein Sport sei, verwehrte, gründete der heutige Gymnasiallehrer die Austrian Pokersport Association. Er motivierte andere Vereine zu gründen, organisierte Turniere, Vereinsmeisterschaften und entwickelte ein Ligen- und Rangsystem. Die Bundessportorganisation sollte einlenken und auch Poker als Denksport anerkennen. Zehn Jahre später ist das Ziel noch immer nicht erreicht. Passiert ist trotzdem viel.
Als der Pokerverband alle Voraussetzungen, wie beispielsweise eine gewisse Anzahl an Mitgliedern, erfüllt hatte, um einen Mitgliedsantrag an die Bundessportorganisation zu stellen, beschloss diese ihre Sportdefinition zu ändern. Hieß es davor, dass auch geistige Leistungen als Sport anerkannt werden würden, fehlt dieser Passus nun. Der österreichische Pokerverband startete 2015 daraufhin eine Bürgerinitiative und auch der Internationale Pokerverband ist bemüht, das Spiel als Denksport zu etablieren.
Wir brauchen uns also wenig Sorgen darüber machen, dass in einigen Jahren Poker noch immer sein verruchtes Hinterzimmer-Image haben könnte. Schließlich könnte seine Komplexität Künstliche Intelligenzen (KI) dazu bringen, uns die Welt besser zu erklären. Schon jetzt wollen Forscher die Fähigkeiten von KI über das Pokerspielen hinaus verwenden. Algorithmen könnten Arzneimittel gegen resistente Keime suchen oder zwischen Unternehmen verhandeln. Denn im Vergleich zu uns Menschen fehlt es den KI nicht an Ungeduld und langfristigem Denken.
Spiele wie Poker erzeugen mehr Leidenschaft als Umweltschutz
Wieso wir zwar gern pokern oder bei Gesellschaftsspielen mit Bravour versuchen, einen Kaiserschnitt pantomimisch darzustellen, aber es uns bei langfristig angelegten Dingen wie Gesundheit oder Umweltschutz an Leidenschaft fehlt, ist für Martin Sturc auch keine große Überraschung. Spiele erfreuen sich größerer Beliebtheit als Umweltschutz, Bürokratie oder gesunder Ernährung, „weil man ein schnelleres, wenn auch nicht immer ehrliches Feedback bekommt.“
Beim Spielen weiß man relativ schnell, ob man gewonnen oder verloren hat. Auf der anderen Seite ist genau das bei Poker ein wenig trügerisch, weil das Feedback, das man beim Spielen erhält, nicht immer der Realität entspricht. Manchmal gewinnt auch einfach der schlechtere Spieler
– erklärt Martin Sturc und holt zu einem Vergleich aus. Wenn Rapid gegen Barcelona spiele, dann wisse jeder, dass Barcelona als wahrscheinlich beste Mannschaft der Welt gewinnen würde. Trotzdem könne es passieren, dass Rapid in zehn Spielen einmal gegen Barcelona gewinnt. „Mit diesem einen Mal stimmen die Voraussetzungen, mit denen man ins Rennen geht, nicht mit dem Endergebnis überein. Du musst öfter spielen, damit das passt.“
Daraus folgt für Sturc, dass es sowohl beim Spielen als auch bei gesunder Ernährung besser wäre, langfristig zu denken. Gleichzeitig gibt er aber auch Folgendes zu: Umweltschutz und Bürokratie haben beim Menschen schlechtere Karten, weil das unmittelbare Feedback nicht sichtbar ist.
(Foto: Martin Sturc)