SüdenWeltenbummler

Luca Toni in der Weihnachtskrippe

Die Weihnachtsfeiertage gehören zu den Lieblingsfesttagen unserer westlichen, christlichen Kultur – Tradition und Religion vermischen sich am Tag der Geburt Christi. Aber wie feiert man in Italien, einem Land in dem beides – Tradition und Religion – noch so stark in den Köpfen der Menschen verankert sind?

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Ist es noch alles wie es war, als mein Opa und meine Oma die Ankunft Jesus erwarteten, um sich im Winter etwa frisches Obst leisten zu können – oder ist es zumindest wie in den 1950er Jahren, als meine Eltern noch dem Weihnachtsmann (Babbo Natale, in Italien, etwa „Vater-Weihnacht”) ihre schönen Briefchen schrieben und für ihre Lieblingsgeschenke beteten.

Botschaften schreibt man eigentlich heute noch. In vielen Städten können Kinder einen Brief schreiben, abschicken und eine Antwort bekommen. Vielleicht kommt sie nicht direkt aus dem kalten Lappland, sondern aus dem Postamt, in dem emsige Angestellte den Kleinen ein Lächeln mit einem vom Weihnachtsmann unterschriebenen Brief schenken.
Im Bezug auf die allgemeine Stimmung, sieht Weihnachten heute allerdings ganz anders aus. Trotz der Krise und der Knappheit an Geld, verlangt die Konsumgesellschaft nach glänzendem Weihnachtschmuck auf den Straßen – schon Mitte November, und jedes Jahr ein Tag früher – und nach dekorierten und funkelnden Schaufenstern, an denen Familien, alleinerziehende Mütter, alte Pärchen oder junge Liebende das Glück im Kaufen suchen.

Jüngst geheiratete Männer treiben sich in den Läden herum und versuchen sich daran zu erinnern, welche Kleidung seine (sich sehnende und seufzende) Frau zwei Stunden lang angeschaut hatte – genau an dem Tag an dem Inter-Mailand gegen Juventus spielte und er einfach nur rasch nach Hause wollte. Junge, schöne Verkäuferinnen auf Zeit nehmen solche Männer sadistisch aufs Korb und lassen sie eher 30 Minuten lang im Laden schmachten als ihnen zu helfen und ihnen die richtige Kleidung zu verkaufen.
Väter suchen nach etwas einfachem für ihre Frauen, Kinder an ihrer Hand beschweren sich und wimmern, sie haben ein anderes Kind gesehen mit dem neuesten Spielzeug und schreien „Die will ich auch, die ist so schön”. Die Väter schütteln langsam den Kopf, schauen die jungen und schönen Verkäuferinnen an und denken das gleiche. Alles sieht so aus wie überall, wie in jedem anderen Land – gibt es wirklich nichts mehr besonders an der italienischen Weihnacht?

Weihnachten ist ein Familienfest
Doch, es gibt einen Bereich, in dem man immer sicher mit den Italienern spielen kann: die Familie. Kurz vor Weihnachten steigt die Geschenkwut und der Feiertagswahnsinn, man muss sich auf das Weihnachtsessen vorbereiten. Körperlich und geistig.
Körperlich, weil die Tradition will, dass die ganze Familie sich am 25. zum Mittagessen trifft und sich erst zu später Stunde verabschiedet (im Süditalien, trifft man sich bereits am Abend des 24. – die Zahl der am Tisch verbrachten Stunden ändert sich aber nicht): Währenddessen isst man. Nur wenige andere Kulturen verbinden das Essen und das Feiern auf eine so enge Weise – in Italien gibt es ohne Essen keine richtige Feierlichkeit. Und es geht nicht nur um die Quantität.
Jede Region Italiens hat ein spezielles Rezept für Weihnachten, die Generationen von Omas überliefert haben und aus der sie sich nicht entziehen kann: tortellini und zampone in Bologna, panettone in Mailand, cappone in Neapel, fegatini in der Toskana. In meiner Familie sollte man die drei Tage vor Weihnachten fasten und auch die drei danach, um das Essen bei meiner Oma zu überleben – in diesem Fall vermischen Italiener Fasten- und Weihnachtszeit ganz gerne.

Aber auch die geistige Vorbereitung ist besonders wichtig, da die Familientreffen immer anstrengend sind – wenn alle Verwandten nach langer Zeit wieder zusammen kommen. Es gibt hunderttausend Neuigkeiten, man muss über alle diskutieren, und zwar alle gleichzeitig, während Kinder um die Geschenke streiten und die Bäuche versuchen, sich einen Platz aus den Hosen zu sichern. Aber eigentlich, werden solche Familientreffen in der ganzen Welt organisiert. Die italienische Familie ist ja sprichwörtlich berühmt, aber die alten Familien aus dem Süden, die mit dem klassischen Stereotyp Italiens verbunden sind, existieren fast nicht mehr.

Die Befana entscheidet: Geschenke oder Kohle
Nein, etwas anderes muss die italienischen Feierlichkeiten unterscheiden. Die Feste enden bei uns tatsächlich nicht am 25. Dezember. Je nach Region, wird immer ein Baum dekoriert oder ein Krippe zusammengebaut – die schönsten Krippen der Welt kommen aus Neapel. Sie sind fantasievoll, verrückt, mit Wasserfällen oder kleinen Wäldern versehen – grundsätzlich kann alles verwendet werden, was irgendwie in die Krippe passt: von Luca Toni zu Berlusconi, ernsthaft oder zum Spaß – und es ist überhaupt nicht blasphemisch, es ist genau so, wie Italiener den Gott loben.
Die Krippen bleiben bis zum 6. Januar auf den Regalen, Tischen, oder auf dem Boden im Wohnzimmer stehen. An diesem Tag wird der katholischen Tradition nach die Ankunft der drei Könige gefeiert – aber in Italien gibt es eine ganz besondere Figur, die am 6. Januar gefeiert wird: die Befana. Dies ist eine alte Frau, süß wie eine Oma und verrückt wie eine Hexe. Sie bringt den Kindern Süßigkeiten und kleine Geschenke – aber nicht allen, sondern nur den Guten. Den Anderen, bringt die alte übergeschnappte Frau nur Kohle.

Niemand spricht es öffentlich aus, aber sie ist die Lieblingsfigur unserer Feierlichkeiten – sie ist demütig, schlicht und einfach. Kein verzogenes Kind würde sich über die Geschenke der Befana beschweren, dass sie keine Playstation 4 oder moderne Dinge bringt. Nur Bonbons und Kekse.An ihrem Tag trifft sich die ganze Familie noch einmal wieder, die Stimmung ist aber diesmal entspannter. Der Wahnsinn und der Stress vom eigentlichen Weihnachtsfest sind vorbei, man muss nicht mehr so viel essen, das neue Jahr ist da und die Italiener mögen es zu Hause feiern – in einer gemütlichen Stimmung.

(Text: Claudio Tocchi)

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