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Kuchen, Kerzen, Vorfreude

Schon Wochen vorher freue ich mich auf diesen Tag. Ansonsten mag ja ich Pläne eigentlich nicht besonders, aber ich liebe es, meinen Geburtstag zu feiern. Aber eigentlich ist Tag das falsche Wort, denn ich zelebriere normalerweises eine ganze GeburtstagsWOCHE.
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Wer kennt es nicht: Als Kind war man so aufgeregt vor diesem Tag, dass man nicht schlafen konnte, weil man sich so darauf gefreut hat. Bei vielen war das Weihnachten. Bei mir war es mein Geburtstag. Schon als Kind war er das Highlight des Jahres. Vielleicht kam damals bereits der Atheist in mir zum Vorschein, aber mit dem Geburtstag konnte ich um Längen mehr anfangen als mit Weihnachten.

Im Teenageralter waren dann nicht mehr die Nächte vor dem Geburtstag wichtig, sondern die Nacht der Feier. Gartenparties mit Freunden – bis spät in die Nacht.  Und am besten ohne die Präsenz der Eltern.

Ab Anfang Zwanzig erlebte ich dann ein Phänomen, das mir immer noch unverständlich ist: Das Ignorieren des Geburtstags. Mit zunehmendem Alter begannen immer mehr Freunde und Bekannte, ihren Geburtstag zu verleugnen und jeden, der sie daran erinnert, mit bösen Blicken zu bestrafen. Man werde ja alt. Aha.

Ich frage mich immer, was diese Menschen erst an ihrem 30., 40. oder 50. Geburtstag anstellen, wenn sie schon mit Mitte Zwanzig die Krise bekommen. Aber vielleicht wissen sie das selbst nicht so genau. Glücklicherweise ist es ja jedem freigestellt, selbst zu entscheiden.

Ich für meinen Teil zelebriere gerne eine ganze Geburtstagswoche.
Reinfeiern, am eigentlichen Geburtstag feiern, in der Heimat mit leckerem Geburtstagsessen feiern, im Büro mit Kaffee und Kuchen feiern und mit einer Party nachfeiern. Alles so lang wie möglich ausschöpfen. Mittlerweile hat dieses Konzept in meinem Freundeskreis sogar schon seine Nachahmer gefunden.

Was ist jetzt dran am Phänomen Geburtstag? Warum lieben Menschen wie ich ihn so? Ist es eine Egonummer, weil der Tag einem selbst gehört und man im Mittelpunkt steht? Ich glaube nicht. Denn es ist ja nicht mehr wie in der Grundschule, dass man an seinem Geburtstag keine Hausaufgaben bekommt. Man geht ganz normal zur Arbeit. Für alle anderen dreht sich die Welt ganz normal weiter, nur für einen selbst ist es ein besonderer Tag.

Und gerade das ist es – es ist ein Tag, der vollkommen einem selbst gehört. Wenn man niemanden davon erzählt, hat man den Tag als stinknormalen Arbeitstag ganz für sich, aber man kann ihn auch teilen. Und dann ist es schön, zu merken, wer an einen denkt und, wer extra von weit her zu Besuch kommt. Und der Reiz der gewissen Narrenfreiheit, die man am Geburtstag besitzt, ist natürlich auch nicht ganz zu vergessen.

Ich möchte mir die Magie des Geburtstaghabens jedenfalls so lange wie möglich bewahren. Ich bin froh, wenn ich mich auch noch in zehn Jahren freue, einen besonderen Tag mit Freunden und Familie zu verbringen, anstatt mich über Alterserscheinungen zu ärgern. Und ich glaube, dass ein entspanntes Verhältnis zu Geburtstagen auch ein solches zum Altern mit sich bringt. Und vielleicht mischt sich doch ein klein bisschen nostalgische Kinderheitsverklärung hinein. Auch, wenn man nicht mehr so aufgeregt ist, dass man nicht einschlafen kann.

(Text und Fotos: Julia Radgen)

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Julia R.

Julia lebt in Mainz und schreibt am liebsten über Kultur- und Gesellschaftsthemen - und interessante Menschen. Sie ist Social Media-süchtig und verzichtet nur freiwillig auf Internet und Handy, wenn sie zu einem Festival fährt. Wenn sie groß ist, will Julia mal Journalistin werden.

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