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Krach mit System

Wer ein Faible für Percussion hat, kennt bereits die außergewöhnlichen Klangexperimente der Band “Stomp”. Nicht mit Mülltonnen, diesmal jedoch mit Krankenhauspatienten, experiementieren die Musiker des schwedischen Films “Sound of Noise”, in dem “Music for six drummers and one city” gemacht wird.
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Tick. Tick. Tick. Tick. Ein Metronom. “Ett. Två. Tre.” Eins, zwei, drei. Vorzählen. Ein Rhythmus, etwas störrisch, dann regelmäßig. Langsam mischen sich neue Klänge ein, wabern hin und her, es entsteht ein Sog. Der Sog der Musik zieht den Zuschauer in den Bann. Die sechs Percussionisten trommeln mit allem, was ihnen in den Sinn und in die Hände kommt: Mit Baggern auf Baustellen, im Postamt mit Poststempeln und mit Sägen an Stromleitungen. Alles ist genauestens durchgeplant und die Künstler arbeiten auf ihr Meisterwerk hin: Eine Symphonie, gespielt mit der ganzen Stadt. Eine Message haben die Sechs auch: Sie wollen neue Musik machen und haben die Nase voll vom ewigen Einheitsbrei aus Haydn, Mozart, Beethoven.

Was klingen mag wie eine Dokumentation über eigenwillige Trommler, ist eine Fiktion mit Krimi-Handlung. Die Künstler-Bande wird verfolgt von einem Polizisten, der Musik verabscheut, namens (Überraschung) Amadeus. Er kommt aus einem Musikerhaus, doch da er leider nie entsprechendes Talent unter Beweis stellen konnte, ist er das schwarze Schaf der Familie. So hat er sich geschworen, sein Leben lang für Stille zu kämpfen, wahre, schöne, kühle Stille. Die Independent-Trommler mit ihrer Symphonie für die Stadt sind ihm daher ein Dorn im Auge. Da sie zu seinem Glück bei ihren unangekündigten Konzerten gegen einige Gesetze verstoßen, hat Amadeus allen Grund, ihnen den Kampf anzusagen.

Wer den Trailer sieht, erwartet vielleicht ein blutiges, makabres Musikspektakel. Dort sieht man, wie die Musiker einen OP-Saal übernehmen, einen Patienten hereinrollen und mit bzw. auf ihm musizieren: Das regelmäßige Pressen auf den Brustkorb bildet den Takt der Musik, dazu mischt sich das Zischen des Beatmungsgerät, das Piepsen der Herztöne und schließlich das Surren einer Kreissäge.

Doch der Trailer leitet fehl: „Sound of Noise” ist, trotz vereinzelter Anspielungen auf Polizei- und Krankenhaus-Filme, vor allem ein Film über Liebe zum ausgefallenen Musizieren. Die Handlung tritt nie in den Vordergrund, Hauptrolle spielt immer die Musik. Und bei der abschließenden Symphonie hält der Zuschauer den Atem an.

Einzig die bemühten Romantik-Szenen und die misslungene Komik nehmen dem Film etwas von seiner Faszination. Zwischendrin wird es arg surrealistisch. Aber Star ist und bleibt die Musik. Vorgänger war ein Youtube-Filmchen namens „Music for one apartment and six drummers” (Sechs Musiker dringen in ein Apartment ein und machen mit Alltagsgegenständen Musik) – in Analogie dazu heißt die Abschlusssymphonie „Music for six drummers and one city”. Die Idee, Musik mit Alltagsgegenständen zu machen, ist nicht neu. Doch sie ist so hervorragend mit den Bildern synchronisiert, dass sich der Zuschauer mittendrin glaubt. Auch ohne 3D. Und das ist neu.

Fazit: Mal etwas anderes. Selten ist man so von Musik überwältigt – nur die Pseudo-Romantik nervt. „Sound of Noise”  läuft seit dem 11.08. in den deutschen Kinos.

Drei einhalb von fünf Musiknoten.

(Text: Anna Franz)

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