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Kasachischer Zirkus

Zwanzig Jahre ist Nursultan Nasarbajew bereits der Präsident Kasachstans – Sinn für demokratische Strukturen hat allerdings nicht viel. Nach den kurzfristig vorgezogenen Präsidentschaftswahlen vor zwei Wochen werden vereinzelt auch in dem ehemaligen Satellitenstaat Stimmen gegen Nasarbajew laut.
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In Kasachstan leben 16 Millionen Menschen. Die meisten sind arm, leben unter dem Existenzminimum. Kasachstan besitzt zwar ein großes Vorkommen an Erdöl und Gas. Die Kluft zwischen und Arm und Reich geht dennoch stark auseinander. Klar, das Land hat einen gemeinsamen Präsidenten und ihn erst Anfang April erneut bestätigt – doch von einer Demokratie ist Kasachstan weit entfernt.

Präsident Nursultan Nasarbajew herrscht bereits seit über zwanzig Jahren. Das Parlament kann man kaum als solches bezeichnen: Es gibt nur eine Partei, Nasarbajews Partei. Zudem gelten die üblichen diktatorischen Bedingungen: kein Minderheitenschutz, keine Menschenrechte, Korruption, keine freien Wahlen.
Im Sommer 2010 erst lies sich Nasarbajew von „seinem” Parlament zum Führer der Nation wählen. Mit dieser Formalie war ihm auf einen Schlag so ziemlich alles gestattet, selbst nach einem – zugebebenermaßen unwahrscheinlichen Fall – Ende seiner Amtszeit. Genau diese wollte er nämlich vor der Wahl noch gesetzlich verlängern.

kasachstanEr wollte die nächsten beiden Stimmabgaben schlicht aussetzten und sich als Herrscher für weitere Jahrzehnte festbeißen. Einen geeigneten Nachfolger gäbe es ja ohnehin nicht, er würde also sowieso bis 2020 im Amt bleiben, so die Argumentation Nasarbajew. Selbstverständlich erhielt er auch die Unterstützung des Parlaments für dieses Vorhaben. Erst durch die Kritik aus dem Westen wurde der Druck so hoch, dass der Präsident doch noch von diesem Gedanken abwich.

Stattdessen berief er allerdings vorgezogene Neuwahlen ein. Dass er es damit äußerst eilig hatte, ist wohl auf die Angst vor Unruhen im Volk zurückzuführen – Proteste wie in den nordafrikanischen Ländern.  Denn auch in Kasachstan regt sich die Beunruhigung in der Bevölkerung mehr und mehr. Die Menschen sind arm, es herrscht Korruption und die Inflation der Wirtschaftskrise verschlimmert die Lage zusätzlich. Soziale Aufstände, wie gerade erst in anderen Ländern geschehen, wären also auch in Kasachstan möglich.

Die Taktik von Nasarbajew ist deshalb seit Monaten, sowohl den eigenen Menschen aber auch dem Ausland Demokratie vorzugaukeln, um die Gemüter zu beschwichtigen. Sogar von Reformen ist immer wieder die Rede. Auch bei den Präsidentschaftswahlen gab es offizielle sogar Gegenkandidaten. Allerdings können diese in Wahrheit nicht als solche eingestuft werden, denn sie beteuern schnell, dass sie nie auf den Gedanken kämen, sich gegen den eigenen Präsidenten und dessen Marschroute zu stellen.

Dennoch. In der Bevölkerung regt sich vereinzelt Widerstand. Wenn auch noch recht passiv. Viele Oppositionelle boykottierten aus Protest die Wahl. Doch weil der Gewinner ja ohnehin feststand, fiel der Effekt gering aus. Präsident Nursultan Nasarbajew wurde mit 95,5 Prozent wiedergewählt. Die OSZE kritisierte die Wahlen stark und wirft dem Präsidenten Wahlfälschung und erhebliche Unregelmäßigkeiten vor.
Dass die Stimmabgabe bei einem solchen Ergebnis nicht rechtens sein kann, ist wohl eindeutig. Die Wahl ist eine Farce, der Präsident und sein „Parlament” sind ein Zirkus. Sie flunkern ein bisschen mit der Demokratie. Doch, dass das keine Demokratie ist, ist jedem klar. Und auch die Kasachen werden sich nicht ewig an der Nase herum führen lassen.

Bisher regt sich in Kasachstan noch kein starker Widerstand. Zu hoffen ist, dass der langsame Protest bald stärker wird. Denn ohne eine Änderung der Machtverhältnisse, wird sich nur schwer die Lage im Land ändern.
Vor zwanzig Jahren erklärte sich Kasachstan von Russland unabhängig, doch die Machtverhältnisse und Strukturen sind noch immer starr, konservativ, diktatorisch. Eine erneute Revolution ist erforderlich. Denn eine Demokratie benötigt ein richtiges Parlament, einen Präsidenten, der nicht Führer der Nation ist und nicht auf dutzende Male wieder wählbar ist. Eine Demokratie braucht eine Opposition, eine demokratische Verfassung, freie Medien und soziale Rechte.

Die kasachische Bevölkerung muss diesen Zirkus beenden. Nasarbajew hatte die Wahlen vorgezogen, um Unruhen zu vermeiden. Protestieren kann man aber auch nach einer Wahl – und das sollten die Menschen auch!

(Text: Miriam Gräf / Foto: Jona Hölderle by jugendfotos.de)

Miriam G.

Wenn Miriam nicht gerade durch Russland reist, dann schreibt sie darüber. Ansonsten erzählt sie noch gerne von der großen Liebe oder schreibt Hassreden gegen Schokonikoläuse. Miriam ist freie Journalistin für verschiedene Online Medien, darunter generationanders.com und to4ka-treff. Seit 2013 ist sie Mentee im Mentorenprogramm der Jugenpresse und Jungejournalisten.de

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