Fußball

Im Erfolg vereint

Es war mit Carles Puyol ein Katalane, der den Siegtreffer gegen Deutschland im WM-Halbfinale 2010 köpfte. Und wenige Tage später traf mit Andres Iniesta ebenfalls ein Katalane zum goldenen Tor im Finale und erlöste ein ganzes Land. Denn im Erfolg ist das sonst zerrissene Spanien vereint.


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Am Tag des WM-Finales gingen in Barcelona circa 1.000.000 Menschen auf die Straßen, um für mehr Autonomie zu demonstrieren. Die Region sieht sich nicht im Reigen mit der Hauptstadt Madrid. Man will aus der Repression entfliehen und kämpft spätestens seit der Franco-Diktatur für Eigenständigkeit.

Unter Franco gelangen in Katalonien, vor allem in Barcelona, Revolutionen, die auch heute noch das Selbstverständnis dieser Region prägen. Insbesondere Barcelona sieht sich immer noch als antifaschistischer Gegenpart zum verhassten großen Bruder Madrid. Hier treffen und vermischen sich Politik und Sport.
In einer symbolischen Abstimmung von 2009 sprachen sich 95 Prozent für eine Eigenständigkeit der Region aus. Zwar lag die Beteiligung bei nur 19 Prozent, dennoch demonstriert das Ergebnis eindrucksvoll die politische Strahlkraft und die grassierende Unzufriedenheit rund um die Katalonien-Frage.

Den WM-Pokal in katalanische Farben gehüllt
Am 12. Juli 2010, dem Tag des WM-Finales und der Demonstration in Barcelona, wehten jedoch neben den gelb-rot gestreiften Katalonien-Flaggen auch friedlich jene des Landes Spanien. Im sportlichen Erfolg war man vereint.

Auch auf dem Platz wurde der güldene Pokal in die katalanischen Farben gehüllt, parallel dazu wurde das spanische Wappen geküsst. Die Separatisten hatten derart viel fußballerische Klasse, dass sie die politischen Grenzen auf dem Fußballfeld spielerisch überbrücken konnten.
Denn der Erfolg war wohl kein großes Zeichen der endgültigen Vereinigung und Überbrückung der Grenzen. Das zeigt auch die Demonstration in Barcelona. Es war vielmehr der Sport, der das Land für ein paar Wochen zusammenrücken ließ – ohne dabei die politischen Differenzen zu überbrücken. Sie existierten vielmehr parallel weiter.

Die Liebe zur eigenen Region ist groß
Der EM-Gewinn 2008 lockte in Katalonien nur wenige auf die Straße. Der sportliche Hype entwickelte sich erst zwei Jahre später. Vor allem auch, weil es die Katalanen waren, die den Titel holten. Immerhin sieben katalanische Spieler standen in der Startelf.
Die Liebe zur eigenen Region ging in den letzten Jahren so weit, dass Katalonien sogar eine eigene Nationalmannschaft gründete. Trainiert wird das inoffizielle Team von Johann Cruyff. Im Kader stehen vor allem Barcas Recken wie Fabregas, Xavi, Iniesta, Busquets oder Valdes. Aber auch Bojan Krkic, der nun beim AS Rom kickt.

Sportlich sind die Spanier massiv von den Barca-Akteuren abhängig. Die Nationalelf ist eine von Real Madrid aufgebesserte Barca/Katalonien-Elf. Und das ist die Krux beim Titelverteidiger und Weltmeister. Denn vor allem Xavi, Iniesta und Pique konnten in den letzten Monaten nicht mehr den großen Esprit versprühen wie in den vergangenen Jahren.

Spanien hängt von Katalanen ab
So war das Scheitern in der Champions League gegen Chelsea eine sich anbahnende Konsequenz, die auch die Probleme Barcelonas und damit Gesamtspaniens aufzeigte. Massive Defensive, knallharte Härte – das muss man dem Team wohl entgegensetzen.
Es bleibt abzuwarten, wie vor allem die katalanischen Spieler das Spiel der Furia Roja prägen können. Der Erfolg steht und fällt mit Xavi und Co. – sie können wieder für einige Wochen das Land einen. Dann können wieder zwei Fahnen gleichzeitig wehen, wenn auch nur für wenige Tage lang.


Titelthema zur Europameisterschaft vom 30. Mai 2012

Jogis Anti-Elf
Ein politischer Boykott der Europameisterschaft
Massentiertötungen in der Ukraine
Kommentar zum “Fansein”

(Text: Jerome Kirschbaum)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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