Die Grüne Insel Europas – wer an Irland denkt, hat viele Bilder im Kopf. Stereotypen sind kaum wegzudenken. Doch bestätigen sie sich tatsächlich, wenn man für eine Weile in dem Land lebt und die Einheimischen besser kennen lernt?

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Was sind die Klischees der Iren? Was macht sie aus? Beziehungsweise was macht sie nicht aus? Klischees sind ja bekannterweise zur Hälfte unkorrekt, sonst wären es ja keine. Aber vielleicht finde ich in Killarney bereits typische Dinge, die einfach anders nicht sein können.

Zugegeben, der starke Alkoholkonsum im Land ist wahr. Zwar glaube ich kaum, dass massenhaft Iren betrunken aus den Pubs torkeln, doch das Guinness und der irische Whiskey sind und bleiben die Leckerschmecker in den sozialen Treffpunkten der Städte. Aber dieses Klischee ist der Klassiker. Es gibt noch haufenweise andere.

40 km durch den Nationalpark
torc waterfall Doch zuvor beschäftige ich mich noch einmal mit der Landschaft dieses wunderschönen Countys. Kaum bin ich mit Camille vom Gipfel aller Gipfel hinabgestiegen, schossen mir schon neue Pläne für Wandertouren durch den Kopf. Ungefähr drei Wochen später marschiere ich in zwölf Stunden auf drei verschiedenen Wanderwegen durch die Täler und an den Seen des Nationalparks entlang – zwischen Killarney und den Reeks. Wie soll ich das nur anstellen, frage ich mich zuvor etwas verunsichert, bin aber zu enthusiastisch, um die Tour nicht zu machen.

Ich breche eine Stunde später als geplant auf, begebe mich zum gewohnten bus stop und trampe in die Stadt, von wo der berüchtigte Kerry Way beginnt. Diesen kann man auch in neun Tagesetappen wandern, aber das habe ich heute nicht vor.
Ich sehe auf dem Weg zu meiner Rechten die Bergkette und erreiche nach vier Kilometern das Muckross House, ein ehemaliges Anwesen, das sich auf einem Garten befindet, in dem unzählige  Arten von verschiedenen Blumen zu finden sind. Kurz dahinter geht es zum Torc Waterfall, der mich träumen lässt. Der Wasserfall ist zwar nicht der Höchste der Welt, aber er verleiht einem ein Tick Romantik.
Von dort erstrecken sich die Berghänge neben mir, während ich gefühlt jedes kleinste Detail der Landschaft abfotografiere. Ich laufe zügig. Ich sehe in einer Hiking-Tour immer einen sportlichen Charakter. Aber ich genieße dennoch diese grüne und unberührte Stille in vollem Maße. Ich habe einmal gelesen, dass Irland 40 verschiedene Grüntöne hat. Wer um alles in der Welt hat die gezählt, frage ich mich und stelle fest, dass hier für weitere Farben auch kein Platz mehr ist.

gap of dunloeIch erreiche das Black Valley, wo abermals gigantische Ausblicke meine Wandereuphorie vergrößern und meine Kamera beglücken. Ich treffe Radfahrer aus Görlitz. Sie fragen mich nach dem Weg zur Gap of Dunloe. Ich erkläre ihnen den Weg, denn das ist auch meine Richtung. Währenddessen denke ich mir, dass es schier unmöglich ist Deutsche im Ausland nicht zu treffen.

Die Gap ist eine spektakuläre Gebirgskluft, auf der sich eine Straße sieben Meilen weit  hindurchschlängelt. Vorbei an kleinen Weihern und fast rechtwinkligen Felswänden. Meine Füße tun bereits weh. Die fast 40km stecken mir tief in den Knochen. Doch es ist der einzige Weg zurück nach Killarney. Also halte ich die letzten Kilometer durch. Diese imposante Naturerrungenschaft bildet einen unvergesslichen Ausklang meines Ausflugs. Zurück im Hostel bin ich überglücklich. Ja sogar etwas stolz. Ein kleiner Stolz, der in 200 Bildern festgehalten ist.

Von roten Haaren und schlechten Autofahrern
Meine Arbeit im Hostel ist nicht zu anstrengend. Manchmal, wenn eine riesige Gruppe morgens das Frühstück gebucht hat, kommt man mit den Arbeiten in der Küche nur schwer hinterher, aber sonst wartet man lange auf Gäste, die im Shop eine Cola kaufen wollen. Selbst hinter der Rezeption ist oft nur abwarten angesagt.
„Keine Angst, im Hochsommer wird es hier viel voller sein“, beruhigt uns Saiorse, die Tochter von John. Mit ihren leuchtend roten Haaren scheucht sie die Praktikanten herum, wenn es mal weniger zu tun gibt. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass sie die erste Irin mit einer solchen Haarfarbe ist, der ich begegnet bin.
Mal abgesehen von der Kelly Family, dieser Stereotyp, den jeder sofort mit Iren assoziiert, ist nämlich gar nicht so typisch. Lediglich 4% der Bevölkerung sind rothaarig, unter dem Rest der 3,5 Mio. Einwohner ist eher das Brünett die Amtsfarbe. Zu den Blonden und Schwarzhaarigen kann man nur die deutschen und französischen Touristen zählen, die es hier wie Sand am Meer gibt.

Allgemein erkennt man Touristen – zumindest aus dem Kontinentaleuropa – insbesondere an ihrem vorsichtigen Fahrstil. Irland lebt durch seine langen Fahrzeiten von Roadtrip-Tourismus. Wer über 25 ist kann sich ein Auto mieten und flexibel alle wunderschönen Orte der Insel anfahren. Sie mögen sich zwar schnell an den Linksverkehr gewöhnen. Allerdings bedeutet das noch lange nicht, die Sitten der einheimischen Fahrer zu überblicken. Wer keine Hard Shoulder kennt (der linke Seitenstreifen auf Nationalstraßen zum Einkehren, um den Hintermann vor zu lassen) wird oft solange gedrängelt, bis er mal irgendwann auf die Idee kommt, Platz zu machen. Keineswegs sind die Iren deswegen genervt. Mit einem freundlichen Winken bedanken sie sich dafür.

Generell sind den irischen Autofahrern Verkehrsregeln unbekannt. An Tempolimits auf den Landstraßen halten sie sich ungern. Mit Karacho brausen sie die Straßen entlang und überholen Radfahrer mit derartigem knappen Abstand, dass man denken könnte, sie würden sie anschieben wollen, doch nur ständig verfehlen. Die national secondary roads – entsprechen unseren zweispurigen Bundesstraßen – sind an einigen Stellen recht schmal und mit engen Kurven besetzt. Da lässt es sich oft nicht vermeiden, schnell in die Büsche zu springen, sobald sich ein Auto nähert. Doch ich kann jederzeit den Daumen hinausstrecken, wenn ich zu Fuß auf einer Straße unterwegs bin. Dann halten die Iren für jeden Tramper ohne Bedenken sogar mitten auf der Spur.

In alte Zeiten versetzt
bog museum 1 So erlebe ich Kultur und Geschichte vereint. Ich stehe an der Straße. Meine Richtung: The Bog Village Museum auf dem nördlichen Ring of Kerry. Mein Fahrer fährt mich zügig und etwas holprig direkt ins 24km entfernte Museum. Dabei werde ich immer wieder an das Klischee erinnert.

Das Museum beinhaltet ein kleines rekonstruiertes irisches Dorf, dass das Leben im 18. Jahrhundert repräsentiert. Nachdem ich zunächst durch den Souvenir-Shop schlendere, schaue ich mir die Behausungen an. Alle haben ein Reet-Dach. Die Mauern sind weiß oder bestehen aus Stein und an ihren Seiten sehe ich Lastzüge, Brennmaterial, Werkzeuge oder Töpfe und Kessel. Es gibt die Hütte des Schmieds (forge), des Dachdeckers (thatcher), des Handwerkers (labourer) oder den Stall (stable).

bog museum 2kl Im Innern der Häuser, die nur einen Raum ausmachen, fühle ich mich wie in die damalige Zeit versetzt. Sehr präzise sind die Möbel aufgestellt. Es gibt sogar nachgebaute Dorfbewohner und Tiere in den Räumen. Am Ende des Dorfweges befindet sich die kleine Weide der in der Gegend bekannten Bog Ponys. Bog bedeutet Sumpf und verweist hierbei auf die zahlreichen Moorlandschaften in Kerry, in denen das Torf abgebaut und als Brennstoff verwendet wird. Ich bin beeindruckt. So authentisch habe ich das Dorf nicht erwartet. Wer den Ring of Kerry bereist, darf sich das nicht entgehen lassen.

Doch ich nehme mir vor, mehr vom Ring zu sehen. Natürlich ist das nicht alles. Doch bis dahin sammle ich weitere Erlebnisse mit wahren oder falschen Klischees, die wir von dem aufgeweckten Volk der Iren haben.

(Text und Fotos: Tom Pascheka)

Autor

Von Tom P.

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