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Grüne Gentechnik – Eine Waffe gegen den Welthunger?

Über die Grüne Gentechnik gibt es ein Dickicht von unterschiedlichen Meinungen: Von apokalyptischen Weltuntergangsszenarien bis zur heilbringenden Bezwingung des Welthungers scheint beinahe jede Ansicht vertreten. Wie aber kann die Grüne Gentechnik tatsächlich zu der Lösung eines so dramatischen Problems wie dem Welthunger beitragen?


Zurzeit leiden weltweit etwa eine Milliarde Menschen an Hunger – das ist ungefähr jeder siebte Mensch auf der Erde. Hunger bedeutet dabei weitaus mehr als nicht über genug Nahrungsmittel zu verfügen. Diverse Stufen von Mangel- und Unterernährung können nicht nur zu drastischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, auch die physische Entwicklung wird durch Hungern erheblich beeinflusst, was sich zum Beispiel in mangelnder Lern- und Leistungsfähigkeit äußert.
Unterernährung im frühen Kindesalter hat somit zum Beispiel neben den schweren Folgen für die Gesundheit auch eine nachgewiesene Auswirkung auf das Bruttosozialprodukt eines Landes. Der Welthunger ist also sowohl ein gesundheitliches als auch ein ökonomisches, politisches und soziales Problem.

Ziele der Grünen Gentechnik
Wie kann die Grüne Gentechnik da helfen? Die Idee der Grünen Gentechnik ist es, den landwirtschaftlichen Anbau durch gentechnische Manipulation der Erbanlagen von Pflanzen zu präzisieren, um so Nahrungsmittel zu optimieren. Dafür werden Pflanzen zum Beispiel mit Resistenzen gegen Schädlingsbefall versehen, was wiederum zu höheren Erträgen unter geringerem Einsatz chemischer Pestizide und Herbizide führen soll.
Dies hat somit gleichzeitig auch eine umweltschonende Wirkung. Auch Resistenzen gegen Viren und Bakterien sowie Toleranzen gegen agrikulturelle Rahmenbedingungen – wie zum Beispiel Dürre oder salzhaltige Böden – können durch gentechnische Verfahren erzielt werden.

Diese Methoden sollen sowohl die Ernteerträge aufbessern als auch den Anbau ökonomischer und ökologischer gestalten, um so Nahrung kostengünstiger für mehr Menschen zugänglich zu machen. Zudem gibt es die Möglichkeit, bestimmte Pflanzen mit zusätzlichen Vitaminen und Mineralien anzureichern, um Mangelernährung entgegenzuwirken.
So hat zum Beispiel die gemeinnützige amerikanische Rockefeller-Stiftung im Jahr 2000 die gentechnische Herstellung des so genannten “Golden Rice” in Auftrag gegeben: Dieser wurde mit Beta-Carotin versetzt, um den in vielen Entwicklungsländern weit verbreiteten Vitamin A-Mangel auszugleichen, der als häufiger Auslöser von schweren Immunsystemschwächen sowie von schrittweiser Erblindung gilt.

Kritik an der Grünen Gentechnik
Diese Ansätze und Perspektiven der Grünen Gentechnik klingen zugegebenermaßen durchaus vielversprechend, trotzdem gibt es – besonders in Europa – laute Proteste gegen die inzwischen bald dreißigjährige Technologie. So sind zum Beispiel Fälle bekannt, in denen die beabsichtigten Resistenzen der genetisch modifizierten Pflanzen keineswegs zu höheren Erträgen und geringerem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel führen, sondern sich stattdessen neue Schädlinge ausbreiten, was das Problem also lediglich verlagere.

Teilweise komme es auch dazu, dass die von den Gen-Pflanzen zur Resistenz abgesonderten Stoffe nicht nur Schädlinge, sondern auch andere Lebewesen – wie zum Beispiel Spinnen, Honigbienen, Schmetterlinge oder auch kleinere Bodenorganismen – negativ beeinträchtigen. Darüber hinaus wird befürchtet, dass sich zum Beispiel durch Pollenflug genetisch veränderte Pflanzen unkontrolliert ausbreiten, wodurch die natürliche Vielfalt bedroht werde und traditionelle Sorten verdrängt würden.

Auch gesundheitliche Risiken für den Menschen können laut Gentechnik-Gegnern keineswegs ausgeschlossen werden. So wurden bei Tierversuchen zum Beispiel Allergien, veränderte Blutwerte an Leber und Niere, Atemwegserkrankungen sowie Antibiotika-Resistenzen beobachtet.
Und auch wirtschaftlich wird die Grüne Gentechnik scharf kritisiert: Neben dem langwierigen und kostspieligen Forschungsaufwand wurden viele der entwickelten Technologien von großen agrikulturellen Konzernen patentiert, was kleine landwirtschaftliche Betriebe und nicht zuletzt Bauern in Entwicklungsländern wesentlich benachteilige.
Viele Gentechnik-Unternehmen – wie zum Beispiel Monsanto, BASF oder Syngenta – sind zudem gleichzeitig führende Pestizid-Vertriebe, wodurch die Landwirtschaft erheblich monopolisiert werde. Nicht zuletzt werden von Kritikern auch ethische Fragen aufgeworfen: Darf der Mensch überhaupt in einem solchen Maße in die Natur eingreifen?

Und jetzt?
Die Liste der Kritikpunkte an der Grünen Gentechnik ist nahezu unendlich und die meisten Argumente vermögen durchaus zu überzeugen. Aber sind all dies auch Argumente, die gegen das Versprechen ankommen, einen Kampf gegen den Welthunger zu führen? Wie entscheidet man das Dilemma zwischen scheinbar unkontrollierbaren Risiken und der prophezeiten Hilfe für die Hungernden?

Auch wenn man – je mehr man sich mit der Grünen Gentechnik befasst – immer stärker den Eindruck gewinnt, dass man ohne ein fundiertes biologisch-chemisches Studium gar nichts mehr beurteilen kann, scheint eine Sache doch zumindest klar zu werden: Ein Wundermittel gegen ein so komplexes Problem wie den Welthunger kann und wird die Grüne Gentechnik niemals sein.
Auch wenn die Ideen löblich klingen und – glaubt man den vielzähligen wissenschaftlichen Studien – ein Potential zur Verbesserung des landwirtschaftlichen Betriebes (zumindest im Ansatz) durchaus erkennbar ist, um ein so vielschichtiges Problem wie den Welthunger zu lösen braucht es mehr als lediglich billige, massenproduzierte Super-Nahrung.

Zudem gibt es genügend Nahrung auf der Welt, um alle sieben Milliarden Menschen zu ernähren – das Problem ist nicht die Masse, sondern vielmehr die Effizienz und die Gerechtigkeit beim Anbau und der Verteilung der Nahrung auf der Welt. Was bringt die Grüne Gentechnik also, wenn es sich arme Bauern in Entwicklungsländern finanziell einfach nicht leisten können, das Paket “Saatgut plus Pestizide” vom Gentechnik-Giganten Monsanto käuflich zu erwerben?

Was bringt die Grüne Gentechnik, wenn bewaffnete Konflikte dazu führen, dass in Gegenden, in denen eigentlich genug Nahrung vorhanden ist, die Lebensmittelpreise so in die Höhe schießen, dass sich diese niemand mehr leisten kann? Was bringt die Grüne Gentechnik, wenn die dürreresistente Reisernte plötzlich von einer Naturkatastrophe bedroht wird? Und was bringt die Grüne Gentechnik, wenn die Ernte dank Schädlingsresistenz unüberschaubar ist, aufgrund schlechter Infrastruktur jedoch nie bei den Hungernden ankommt?

Die Ideen der Grünen Gentechnik sind bestimmt nicht aussichtslos, die Zweifel an ihr sicherlich nicht unbegründet und bei einer so jungen Technologie wirklich abzusehen, was sie tatsächlich leisten kann und welche Risiken sie tatsächlich in sich trägt scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

Um den Welthunger zu stoppen bedarf es jedenfalls mehr als der Grünen Gentechnik. Lägen die Ursachen des Welthungers lediglich in einer Unterpräsenz von Nahrungsmitteln, käme die Grüne Gentechnik sicherlich als Waffe gegen den Welthunger infrage, gegen weitere, mit dem Hungern zusammenhängende Problematiken – wie zum Beispiel Armut, politische Konflikte, Kriege, Naturkatastrophen oder fehlende Infrastruktur – kommt die Grüne Gentechnik jedoch nicht an. Das Problem des Welthungers ist schließlich ähnlich komplex wie die Technologie der Grünen Gentechnik – beides in seinem gesamten und wahren Ausmaß zu begreifen scheint kaum möglich.

(Text: Hanna Zehschnetzler)

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