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Gewalt hinter Gittern

In Bonn begann gestern die Verhandlung gegen drei jungen Männer, die im November des vergangenen Jahres, in der Jugendhaftanstalt Siegburg einen Mithäftling gefoltert und zum Selbstmord gezwungen haben sollen. Die Öffentlichkeit reagierte geschockt über die Brutalität, die die Jugendlichen dabei an Tag legten haben sollen und darüber, dass eine solche Tat nicht von den Wachangestellten verhindert werden konnte. Acht Verhandlungstage sind nun zur Klärung des Falles angesetzt.

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Grausamen Details über die letzten Stunden des Opfer prägten den gestrigen Auftakt der Verhandlung. Die Männer im Alter von 17 bis 21 Jahren quälten ihr Opfer mit Schlägen, missbrauchten es und zwangen es Urin zu trinken und Erbrochenes zu essen. Der Höhepunkt der Folter war der Mord an dem Gepeinigten. Vier Versuche das Opfer an der WC-Türe zu erhängen scheiterten, nach dem fünften Versuch holten die Angeklagten den Mann aus seiner Bewusstlosigkeit zurück und forderten ihn Bericht über seine Nahtoderlebnisse zu erstatten. Der sechste Versuch das Opfer „wegzuhängen“, so wie die Täter es nannten, endete tödlich. Erst am nächsten Tag fand ein Wachmann den Toten in der Zelle.

Doch Gewalt unter Häftlingen ist keine Seltenheit. Auffällig ist, dass der Großteil der Täter Jugendliche unter 25 Jahren ist. Häufig sind die Täter in Gruppen organisiert, die ihre Opfer gezielt auswählen und quälen. Die Mithäftlinge sind der Willkür ihrer Peiniger hilflos ausgesetzt. Über die Hälfte werden durch Schläge häufig mittel bis schwer verletzt. Experten schätzen die Dunkelziffer der Folterungen weitaus höher.
Es gibt viele Gründe für Gewalttaten hinter den Gitterstäben. Viele Häftlinge bringen bereits ein Gewaltpotential mit ins Gefängnis. Sie sind schon vor ihrem Haftantritt negativ bei der Polizei aufgefallen. Bei einem anderen Teil wird die Gewaltneigung während des Absitzens der Strafe geweckt und geschürt. Die jungen Menschen schließen sich Gruppierungen an, um Ansehen und Respekt gegenüber ihrer Mithäftlinge zu genießen.

Die Wurzeln für die Gewaltbereitschaft junger Menschen, befinden sich häufig in deren bisherigem Leben. Die Kindheit ist geprägt von Unbeständigkeit und nicht selten von Gewalt, die die Kinder durch das Elternhaus erfahren. Auch die drei Täter, die seit heute vor dem Bonner Landgericht stehen, erlebten eine unstetige Kindheit. Sie wechselten häufig den Wohnort, das Verhältnis zu ihren Eltern ist schlecht und sie verbrachten einen Teil ihres jungen Lebens bereits in Kinderheimen und psychischen Einrichtungen.

Die Politik und die Justiz wollten den Gewalttaten mit besser geschulten Justizvollzugsbeamten entgegen wirken. Die Beamten sollen dazu in der Lage sein eine Gewaltbereitschaft oder einen Konflikt unter den Häftlingen früh erkennen zu können, um eine Eskalation zu verhindern. Die Arbeitsplätze der Beamten sollen aufgestockt werden, so dass man Häftlinge persönlich betreuen kann. Die Insassen dagegen sollen an Drogenaufklärungsprogrammen teilnehmen. Außerdem ist ein besseres Freizeitangebot geplant, das der Abschaffung von Frust und Resignation dienen soll.

Über das Schicksal der drei Männer aus Siegburg werden die nächsten sieben Verhandlungstage entscheiden – für die Familie des Opfers eine Woche voller Qual und Ohnmacht, denn sie wohnen dem Prozess als Nebenkläger bei.

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