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“Für die Homosexuellen hat der Herr immer eine Peitsche bereit”

Die Gesellschaft tut aufgeklärt. Ob jemand homo- oder heterosexuell ist, scheint oft keine Rolle mehr zu spielen – das wird zumindest behauptet. Doch an vielen Stellen werden Homosexuelle noch immer benachteiligt. Blutspenden etwa dürfen sie nicht. Ein Kommentar von Tim Janßen.
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“Für die Homosexuellen hat der Herr immer eine Peitsche bereit” – das sagte der Bakteriologe Fahrnbach dem Magazin “der Spiegel” im Jahr 1982, als der erste Bericht über AIDS in Deutschland erschien. Die Öffentlichkeit nimmt HIV heute nicht mehr als “Schwulenpest” wahr. Stattdessen ist diese Ansicht weitestgehend der differenzierteren Beobachtung gewichen, dass HIV sowohl homo- wie auch heterosexuelle Menschen gleichermaßen betrifft.

Doch gibt es noch immer Bereiche im öffentlichen Leben, in denen homosexuelle Menschen diskriminiert werden. Einer dieser Bereiche ist die Blutspende. Homosexuelle Männer dürfen kein Blut spenden, da sie als Risikogruppe für HIV Infektionen eingestuft werden.
Diese Einschätzung der Bundesärztekammer gründet sich auf eine Studie des Robert-Koch-Institutes nach der circa 70 Prozent aller neuen HIV Infektionen homosexuelle Männer betreffen.

Sicherlich muss bei der Blutspende das höchstmögliche Maß an Sicherheit gewährleistet sein, um die Patienten vor einer Infektion zu schützen.
Doch ist es moralisch und rechtlich unbedenklich, Menschen nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von der Blutspende auszuschließen? Ist nicht ihr persönliches Verhalten grundsätzlich wichtiger? Gerade angesichts niedriger Zahlen von blutspendewilligen Menschen in Deutchland – nur 4 Prozent der Deutschen spenden ihr Blut regelmäßig – ist es an der Zeit, dieses Verbot aufzuheben.

Ein Blick auf die medizinische Seite offenbart auch keine Gründe, homosexuelle Männer von der Blutspende auszuschließen. Früher gab es Antikörper-Tests, bei denen erst nach drei Monaten das Virus zuverlässig nachgewiesen werden konnte. Heute hingegen sind neue moderne Testverfahren Standard, die das Erbgut des Erregers direkt nachweisen und mit denen man bereits nach etwa zwölf Tagen die Diagnose bekommt – ein zu vernachlässigender Zeitraum.

Es ist sowieso fraglich, inwiefern dieser Ausschluss in der Praxis umgesetzt werden kann, da man niemandem seine sexuelle Orientierung ansehen kann und man lediglich in einem Fragebogen zu seiner sexuellen Orientierung befragt wird. Jeder homosexuelle Mann, der Blut spenden will, kann also falsche Angaben machen, da diese auch nicht auf Richtigkeit überprüft werden können.
In einer modernen Gesellschaft sollten Menschen nicht lügen müssen, um etwas Gutes tun zu dürfen. Sie sollten auch nicht von Seiten des Staates offiziell als “Risikogruppe”, also als “gefährlich” eingestuft werden. Dies schadet der Gleichberechtigung von homosexuellen und heterosexuellen Menschen, die das Ziel jeder aufgeklärten Gesellschaft sein muss. Jeder Mensch hat das Recht, seine Sexualität frei auszuleben und so sollten auch nicht von vorneherein ohne entsprechende Tests Blutspenden für homosexuelle Männer verboten sein.

Daher wäre es nur logisch und fair, Homosexuelle grundsätzlich zur Blutspende zuzulassen und Risikogruppen nicht über sexuelle Orientierungen definieren und ausschließen, sondern je nach Person zu entscheiden. So sollte jeder Mensch, der Safer-Sex betreibt Blutspenden dürfen und jeder, der keinen Safer-Sex betreibt oder sehr viele wechselnde Geschlechtspartner hat von der Blutspende ausgeschlossen werden. Dabei darf es aber keine Rolle spielen, ob derjenige homosexuell oder heterosexuell ist.

(Text: Tim Janßen)

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