Literatur

Franzis Leseecke: Englischer Harem

Als Tracy ihren Eltern eröffnet einen Iraner heiraten zu wollen, der schon zwei Frauen hat, reagieren diese alles andere als glücklich. Anthony McCarten zeigt in seinem Roman nicht nur die märchenhaften Seiten der Liebe, sondern auch wie Vorurteile und Unwissen diese zerstören können.[divide]Franzis Leseecke back view

Tracy hat zwar ein gutes Gedächtnis, aber keinen guten Schulabschluss und verbringt ihre Tage hinter einer Supermarktkasse mit Tagträumereien. Als sie beginnt im vegetarischen Restaurant des Iraners Saaman Sahar zu arbeiten, fühlt sie sich versetzt in das romantische, 1001 und eine Nacht-Ambiente das sie schon immer fasziniert. Leider ist Saaman keineswegs das Bild eines Traumprinzen mit seinem Kugelbauch, den zurückgehenden Haaren und den fetten, kleinen Fingern, die wie die eines Kindes aussehen. Trotz der Tatsache das Saaman schon zwei Frauen nach den Riten des Islam, wenn auch nicht offiziell, geheiratet hat, beginnt sie mit ihm eine Beziehung. Diese trifft nicht nur bei ihren Eltern, sondern auch bei ihrem Exfreund Ricky, einem Grabsteinmacher, und den englischen Behörden auf wenig Verständnis.

Franzis LeseeckeKein Harem wie im arabischen Märchen

„Nur mit Mühe hielt sie ihre Neugier im Zaum. Sie malte sich die Szenen in diesem Zimmer aus: Yvette, wie sie dekorativ auf der Chaiselongue lag und in der französischen Ausgabe der Vogue blätterte; Firouzeh, die, auf den Ellenbogen gestützt, auf dem Fußboden lagerte und zusah, wie ihre Kinder phantasievolle, gewaltfreie Spiele spielten, während Sam mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen seine Liebesgedichte auf Farsi las – oder schrieb? – und alle paar Sekunden mit einer lässigen Bewegung das lange Mundstück seiner Wasserpfeife an die Lippen führte.“

Wie auch in seinem neuem Roman „Funny Girl“, geht es in Anthony McCartens Geschichte um menschliche Vorurteile und Rassismus. Seit den Anschlägen von 2005 sind auch die Engländer skeptisch, wenn es um Einwanderer aus den arabischen Ländern geht. Saaman’s Ehen sprechen die Fantasie der Leute, und auch Tracy’s, an und sie stellen sich Harems und verschleierte Frauen, Gruppensex und vernachlässigte Kinder vor, ohne sich mit der Familie zu beschäftigen. Deren gemeinsame Geschichte ist nämlich weitaus weniger romantisch als man sich das vorstellen mag. Tragische Ereignisse ließen sie alle zusammenfinden und bekräftigen ihre ungewöhnliche Freundschaft.

Nicht nur Europäer romantisieren

„Sie sind schockiert – schockiert von unserem gemeinsamen Leben, so wie sie es sich ausmalen. Da, wo sie es nicht verstehen, füllte ihre Phantasie die Lücken. Aber sie haben uns nach ihrem Bilde gezeichnet.“

Als Leser fühlt man sich oft selbst dabei ertappt, wie man sich fragt was in diesem Haus mit den drei Frauen, den Kindern und dem Hahn im Korb vorgeht. Doch auch Sam romantisiert „sein England“ über die Realität hinaus. Seit er sein Studium hier absolvierte, liebt er das Land und seine Menschen, auch wenn diese ihm mit Feindseligkeit entgegenkommen. Auch die Beziehung zu Tracy ist keineswegs so romantisch wie gedacht. Unterbuttert von seinen zwei anderen Frau, erkennt er in Tracy endlich eine unbedarfte Frau, die an seinen Lippen hängt und seinen teilweise sich widersprechenden Ausführungen folgt. Tracy als Hauptfigur ist deswegen nicht besonders sympathisch, besonders als sie sich in nahezu fanatischen Ausmaßen beginnt für den Islam zu interessieren.

Fazit:

„Englischer Harem“ ist kein Roman über eine seltsame Sexbeziehung, sondern über die Freundschaft von drei Frauen die zufällig denselben Mann geheiratet haben. Anthony McCarten zeigt, dass die romantisierten und angsterfüllten Vorstellungen die wir von Arabien und seiner Kultur haben, genauso unwahr sind, wie Sams glanzvolles Bild Englands. Auch wenn es kein Happy End wie bei den Märchen von 1001 und eine Nacht gibt und die Liebesgeschichte einem Nicholas Sparks keine Konkurrenz machen will, zeigt der Roman eine andere Art von Beziehung, die genauso liebevoll ist wie andere.

Meine Bewertung von “Englischer Harem”:
Tassen-3von53 von 5 Sternen

Titel: Englischer Harem
Autor: Anthony McCarten
Originaltitel: The English Harem
Verlag: Diogenes
Seiten: 592
Amazon: Englischer Harem

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