KulturLiteratur

Franzis Leseecke: Alles ist erleuchtet

Zusammen mit einem Hund, einem pseudo-blinden Großvater und Alex, seinem Reiseführer, macht sich der Autor auf eine Reise in die Ukraine. Sein Ziel: Er will die Frau finden, die seinen Großvater vor den Nazis rettete. Realität und Fantasie vermischen sich in der Weite Osteuropas zu einer Geschichte, die so manche Überraschung birgt.

[divide]

Franzis Leseecke back view

Jonathan Safran Foer gehört zur modernen jüdischen Gesellschaft Amerikas, die sich nicht mehr von der Vergangenheit ihres Volkes abwendet, sondern sich dafür interessiert. Foer fährt wie viele andere nach Osteuropa, um dort nach den Spuren seiner Familie zu suchen. Sein Ziel lautet: Augustine finden, die Frau die seinen Großvater vor den Nazis rettete.

Jewish Heritage Touring

Viele Ukrainer verdienen ihr Geld in den speziell auf jüdisches Klientel ausgerichteten Reisebüros, die darauf spezialisiert sind, ihren Kunden die ehemalige jüdische Seite des Landes zu zeigen: verlassene Schtetl, Friedhöfe und die zerstörten Erinnerungen an eine religiöse Minderheit.

Doch Jonathan hat sich sicherlich andere Reiseführer gewünscht als Alex, dessen Übersetzungskünste eher mäßig sind, dessen Großvater und eine pseudo-Blindenhündin namens Sammy Davis Jr. Jr., die als Begleiterin des Großvaters fungiert. Aber auch seine ukrainischen Bekanntschaften sind mitnichten beeindruckt von ihrem Gast, dem wahrscheinlich einzigen Vegetarier in diesem zutiefst fleisch-affinen Land, der die merkwürdige Angewohnheit hat, von jedem Ort Erinnerungsstücke mitzunehmen.

Jonathan Safran Foer - Alles ist erleuchtetEin Buch im Buch

Die Geschichte erschließt sich dem Leser auf einer Meta-Ebene durch Briefe von Alex an Jonathan und dessen Manuskriptseiten, die er Jonathan schickt und in denen er ihre Reise schildert. Foer, ganz Autor, hatte vor, seine Reise in die Vergangenheit literarisch zu verarbeiten. Er verbindet Vergangenheit und Gegenwart mit Erzählungen aus dem Schtetls seines Großvaters, die, ausgedacht oder von seinen Großeltern erzählt, dem gesamten Buch eine phantasievolle, unrealistische Atmosphäre geben.

Foer bleibt dabei ganz dem Stil der wahrheitsgemäßen Reportage treu, so unangenehm die Erfahrungen und Entdeckungen auch sind, die die Männer im Verlaufe der Geschichte machen und die sie so weit zusammenschweißen, dass noch lange Briefkontakt bestehen bleibt.
„Großvater verhört mich jeden Tag nach dir. Er sehnt zu wissen, ob du ihm die Dinge vergeben kannst, die er dir über den Krieg und über Herschel erzählt hat (Du könntest es verändern, Jonathan. Für ihn, nicht für mich. Dein Buch nähert jetzt dem Krieg. Es ist möglich.).“

Wie viel Wahrheit muss sein?

Ohne die Präsenz von Jonathan bleibt uns nur Alex als Bezugsperson. Anfangs noch ein prolliger Ukrainer, der gerne mit seinen Frauengeschichten protzt und uns das Lesen mit seinen absonderlichen Englischkenntnissen erschwert. Doch er wandelt sich im Laufe des Buches zu einer echten Männerfigur. Er hat auf einmal die Last der persönlichen Familiengeschichte auf seinen Schultern zu tragen und gibt uns einen Einblick in sein Innenleben, das viel vielschichtiger ist, als angenommen.

Ein melancholischer Charakter, der immer stärker in den Zwiespalt zwischen Wahrheit und Wunschdenken gerät, zwischen dem, was geschehen ist und was hätte sein können, der seinen Großvater als Vorbild haben will.

„Wir könnten sogar deine Großmutter in die Geschichte schreiben. Das ist, was du sehnst, nicht? Und das lässt mich denken, dass wir vielleicht auch Großvater in die Geschichte schreiben könnten. Vielleicht, und ich sage das ja nur so, könnten wir ihn deinen Großvater retten lassen. Er könnte Augustine sein. Oder vielleicht August. Oder einfach Alex, wenn du das gut findest. Ich glaube nicht, dass es irgendwelche Grenzen dafür gibt, wie ausgezeichnet wir das Leben scheinen lassen können.“

Mein persönliches Fazit:

Wer die Verfilmung mit Elijah Wood gesehen hat, wird im Roman noch einmal eine völlig andere Art der Geschichte erleben. In Foers Buch ist der Fokus viel mehr auf den Charakteren, die nicht zwangsläufig etwas mit der Familienhistorie des Autors zu tun haben, von dieser aber doch nachhaltig beeinflusst werden. Eine Leseerfahrung, versetzt mit unterschiedlichsten Arten der Literatur; mit Briefen, Manuskripten und fiktiven Chroniken des Schtetls. Eine Reise in die Vergangenheit, die zeigt, dass Geschichte nicht vergessen ist, sondern auch in Enkeln und Ur-Enkeln lebendig ist.

Meine Bewertung von “Alles erleuchtet”:
3 von 5 Tassen für Roman Alles erlaubt3 von 5 Sternen

Titel: Alles erleuchtet
Autor: Jonathan Safran Foer
Verlag: eBook by Kiepenheuer&Witsch
Seiten: 384
Amazon: Alles erleuchtet

[divide style=”2″]

Welches Buch liegt bei euch gerade auf dem Nachttisch oder in der Handtasche? Falls ihr auf der Suche nach neuem Lesestoff seid, schaut doch mal auf meinem Blog vorbei. Dort findet ihr noch mehr Buchvorstellungen und meine neuesten Errungenschaften.

Schreibe einen Kommentar