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Frankreich auf dem Weg nach rechts?

Das Verbot der Burka vom April 2011 wirkt wie ein Glied in einer Kette von Ereignissen, die Frankreich – langsam aber sicher – immer weiter nach rechts abdriften lassen: Die Anti-Roma-Rede 2010, der Erfolg der rechtsextremen Kandidaten bei den Kantonalwahlen im März 2011 und nun das Burka-Verbot.
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frankfreichIm Sommer 2010 sorgte Sarkozy für internationale Empörung mit seinen Äußerungen über die ethnische Gruppierung der Roma. Alle, die auf nicht-offiziellen Plätzen campten, sollten sofort des Landes verwiesen werden. Kleiner Haken: Der Staat, verantwortlich für öffentliche Stellplätze, hatte zehn Jahre früher versprochen, mehr davon zu bauen. Aber nur 40 Prozent der vorgesehenen Plätze sind inzwischen geöffnet. Die Roma konnten also nicht anders, als auch auf nicht-offiziellen Plätzen zu campen.

Sarkozys Äußerung kam somit einem „Zigeuner raus!” gefährlich nahe.Ein weiteres Ereignis, das zum Nachdenken anregte, sind die Kantonalwahlen, die am 20. März 2011 in einigen Kantonen Frankreichs stattfanden. Dort erhielten die Kandidaten der rechtsextremen Partei Front National (FN) im ersten Durchgang erschreckend viele Stimmen (19 – 25 Prozent). In der zweiten Wahlrunde konnten sich dann allerdings doch – bis auf zwei Ausnahmen – die Kandidaten der anderen Parteien durchsetzen.

Kleiner Wahlexkurs zu den Kantonalwahlen:
Bei den Kantonalwahlen wählen die Franzosen den Conseil général, den Generalrat. In einem ersten Wahldurchgang kann jeder Kandidat gewählt werden. Die zwei bestplatzierten Kandidaten kommen eine Runde weiter. In einem zweiten Wahldurchgang, eine Woche später, treten die beiden Kandidaten gegeneinander an. Derjenige mit den meisten Stimmen wird Generalrat des Kantons für sechs Jahre. Alle Vertreter der Kantone eines Départements sitzen zusammen im Generalrat. Alle drei Jahre wird in 50 Prozent der französischen Kantone gewählt. 2011 haben allerdings die letzten Kantonalwahlen stattgefunden, da 2014 eine neue Verwaltungsstruktur eingeführt wird, bei der Kantonal- und Regionalräte zu einem Territorialrat verschmelzen.

Rechtsruck in Frankreich?

Daraus kann man allerdings nur bedingt auf einen Rechtsruck Frankreichs schließen. Denn die Franzosen wählen nicht mehr rechts, sie wählen vor allen Dingen überhaupt nicht! Die Wahlbeteiligung bei den Kantonalwahlen war beispielsweise extrem gering, was sich auch in unserer back view-Umfrage widerspiegelte (“Wir gehen nicht wählen – wir haben keine Zeit“).
Viele Franzosen wussten nicht einmal, dass gewählt wurde, da sie nicht ausreichend informiert waren. Das verschaffte den extremen Parteien einen Vorteil, denn deren Anhänger verpassen keine Wahl. Erst durch die Ergebnisse des ersten Durchgangs wurden die Wähler aufgerüttelt und wählten im zweiten (bis auf zwei Ausnahmen) den nicht-extremen Kandidaten in den Generalrat.Präsidentschaftswahlen 2012
Wie hängt der Erfolg rechter Kandidaten bei den Kantonalwahlen und Sarkozys Politik zusammen? Die Verbindung heißt 2012: Präsidentschaftswahlen. Die Kantonalwahlen bestätigen das, wovor Sarkozy Angst hat: Seine Wähler sind frustriert und bleiben weg. Und es gibt ein erschreckend breites Fundament für die rechte Front National.Durch einen Personalwechsel an der Spitze – Marine Le Pen löste ihren Vater Jean-Marie Le Pen ab – hat die rechtsextreme Partei ein jüngeres, moderneres und weibliches Gesicht bekommen. Gegen Ausländer hetzt auch Tochter Le Pen – nur mit einer etwas weniger schockierenden Wortwahl. Das macht sie für einige wählbar.

Nun befürchtet Sarkozy, dass die rechten seiner Anhänger zum FN abdriften. Um das zu verhindern, begibt auch er sich auf den schmalen Grat zwischen „rechts” und „extrem”, unter anderem mit seiner Roma-Rede und dem Burka-Verbot. Seht her – will er zeigen – hier ist ein Mann, der durchgreift. Die französischen Werte werden geschätzt, unsere Nation bleibt stark.

Man muss nicht zwingend „braun” sehen für die Präsidentschaftswahlen 2012. Die Linken und die Grünen sind auch eine Alternative zu Sarkozys Partei und der rechtsextremen FN. Aber genau im Auge behalten sollte man den Lieblingsnachbarn Frankreich schon. Es wäre zu wünschen, dass Sarkozy, anstatt um Wähler zu werben, sinnvollere Politik machen würde. Denn eines haben die Kantonalwahlen auch gezeigt: Sarkozy hat den Franzosen den Appetit auf Politik verdorben.

Dieser Artikel ist Teil eines Frankreich-Schwerpunktes. In einem zweiten Artikel widmet sich die Autorin Anna Franz dem Burka-Verbot in Frankreich: “Schleier-Verbot in Frankreich: Nur eine Wahlkampf-Maßnahme?

(Text: Anna Franz / Foto: Rike by pixelio.de)

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