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Euphorisches Gefühl der Überlegenheit

London war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz von Eskalationen. Doch selten nahmen die Unruhen Ausmaße wie im August dieses Jahres an, als ein wütender Mob ausgehend vom Stadtteil Tottenham London verwüstete.


Wenn die „Met”, der Londoner Metropolitan Police Service, eines aus der Vergangenheit gelernt haben sollte, dann dies: In einer Sieben-Millionen-Stadt kommt es immer wieder zu Ausschreitungen mit Gewalt.
1981: Courtenay Laws, Gemeindevertreterin Brixtons, bringt es gegenüber dem SPIEGEL auf den Punkt: „Brixton – das war der Höhepunkt an Frustration, Enttäuschung, Heimatlosigkeit und Konfrontation”. Während der Unruhen im südlichen Stadtteil Brixton brannten Molotowcocktails mindestens fünfundzwanzig Häuser nieder, zahlreiche Geschäfte wurden geplündert, zumeist von Jugendlichen.

Damals bereits sah man als Gründe neben der hohen Arbeitslosigkeit und der erschreckenden Wohnsituation den Rassismus der Metropolitan Police und die Sparpolitik Margaret Thatchers an.

Die Parallelen zwischen den Ereignissen vom August dieses Jahres und dem damaligen Geschehen sind frappierend. Als hätte sich nichts geändert. Als hätte niemand etwas aus der damaligen Situation gelernt. Sollten Politik und Polizei tatsächlich so sehr auf der Stelle gehen, dass sich innerhalb von dreißig Jahren nichts ändern konnte?

Der Staat hatte zwar begonnen, in Wohnqualität und Sicherheit der betroffenen Gegenden zu investieren. Doch angesichts der Tatsache, dass insbesondere der Sozialbereich von dem 91-Milliarden-Sparprogramm des Premierministers David Camerons betroffen ist, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wut der Londoner sich ihren Weg an die Öffentlichkeit bahnen würde. Thatcher lässt grüßen.

Die Metropolitan Police darf sich nicht nur als Auslöser, sondern auch als Grund der Unruhen bezeichnen. Denn von Repression und Rassismus war gestern wie heute die Rede. Jugendliche Farbige kritisieren vor allem, ungerechtfertigter Weise und öfter durchsucht zu werden als weiße Mitbürger. Die Ereignisse vom August 2011 geschahen nicht aus reinem Protest gegen die Ermordung Mark Duggans, sondern waren vor allem eine soziales Aufbegehren, das sich von dem euphorischen Gefühl der Überlegenheit gegenüber der Polizei nährte.

Da die Gewaltdelikte in den letzten Jahren zurückgegangen waren, rechnete niemand mit den „Wutbürgern”, die sich in diesen Massen auf die Straßen begaben. Schnell war vielerorts eine Kapitulation der Metropolitan Police zu spüren, die nicht vorbereitet gewesen war, obwohl man aus den Brixton-Unruhen 1981 hätte lernen können.

Ein Eingreifen der Politik scheint angebracht zu sein, nun da der Schock überwunden ist. Schließlich rührten die Proteste nicht von irgendwoher. Insbesondere vor den Olympischen Spielen 2012 ist England geraten, seine Präsenz in den öffentlichen Medien positiver zu zeichnen. Dies könnte nun endlich mit klaren Lösungsansätzen der Politik gelingen. Zumindest sollte man dieses erwarten können.

(Text: Ronja Heintzsch)

Ronja H.

Konstruktive Kritik in bitterscharfen Kommentaren üben, die Welt bereisen, auf aktuelle Problematiken hinweisen - all dies sind Gründe, aus denen Ronja beschloss, sich dem Metier Journalismus zu verpflichten. Schließlich gibt es noch einige unaufgedeckte Watergate-Affären in dieser Welt.

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