Knapp eine Woche vor der Wahl: back view-Redakteurin Lea Kramer führt ein Gespräch mit dem Jungpolitiker Johannes Schell über Politikverdrossenheit, Werte und natürlich auch die Chancen der CDU zum Einzug in die Landesregierung. Der 26-Jährige tritt für die „Junge Union” als Ersatzkandidat im Wahlkreis 57 (Singen-Stockach) am nördlichen Ende des Bodensees an.
[divide]

back view: Du trittst als Ersatzkandidat für die „Junge Union” an, der Erstkandidat Wolfgang Reuther kommt von der CDU. Um Mitglied der JU zu sein muss man nicht zwingend in die CDU eintreten, richtig?
Johannes Schnell:
Die JU zählt als eigenständige Partei und wir sind größer als die FDP oder die Grünen. Theoretisch könnte man auch gegen die CDU antreten, aber das macht man normalerweise nicht. Wir haben auch eine eigenständige Finanzierung, was uns eine gute Ausgangsposition gibt. Viele sind ebenfalls CDU-Mitglied, aber wenn uns Positionen der Partei nicht gefallen, können wir schon einmal ein bisschen Dampf machen.

Gibt es konkrete Fälle?
Wir sind viele junge Leute und haben dann doch manchmal deutlich andere Einstellungen als die CDU – beispielsweise in der Netzpolitik. Da betreibt die JU ein deutliches Werben für den eigenen Standpunkt und versucht die CDU auch ein bisschen zu erneuern. Überwiegend sagt man sich dann an den Parteitagen hart die Meinung. Als die JU einmal gefordert hatte, dass Angela Merkel zum Parteitag der Jungen Union kommen sollte, weil man über einige Dinge reden wollte, und sie das nicht tat, gab es Proteste. Das hieß dann „Aufstand gegen Mutti”. Generell sieht sich die JU als den “Erneuerungsmotor” der CDU.

Du bist seit 2004 in der JU engagiert – seit 2007 bist du Vorsitzender des Kreises Singen. Was war deine Motivation, Politik zu machen?
Ich war immer schon an Politik interessiert. Meiner Meinung nach entscheiden viele Leute, was Politik angeht, leider oft aus dem hohlen Bauch heraus. Wenn man sich politisch engagiert, bekommt man viel Hintergrundwissen und auch interessante Connections. Ich habe letzte Woche Norbert Röttgen getroffen, er hat erzählt welche Anstrengungen das Ministerium unternommen hatte, um bei der E10-Einführung alles richtig zu machen. Sie haben mit dem ADAC gesprochen, mit Automobilkonzernen. Er hat gesagt, dass es auch die Mineralölkonzerne waren, die sich gesträubt haben, die Informationen an den Verbraucher weiterzugeben – sie verdienen ihr Geld ja schließlich auch mit Öl und nicht mit Ethanol. Das wirft dann schon ein ganz anderes Licht auf die Sache und es ist schade, dass das nicht alle so mitbekommen.

Oft spricht man von der „Politikverdrossenheit” der Jugend. Du bist Kreisvorsitzender und Lehrer, wie siehst Du das in deinem Umfeld?
Der Kreis der Jungen Union umfasst den ganzen Landkreis Konstanz. Bei uns sind circa 250 Personen ehrenamtlich tätig. Ein Großteil derer macht das aus Idealismus, sie kommen selbst zu uns, weil sie an die Sache glauben. Von denen könnte man das nicht behaupten. Aber, wenn ich so in meinen Gemeinschaftskundeunterricht anschaue – da gibt es schon Schüler bei denen geht leider gar nichts. Es gibt aber auch einige, die wissen viel über das Tagesgeschehen. Ich glaube, es hängt viel von der Erziehung der Eltern ab, wie diese Politik in ihren Alltag integrieren.

Was tut die „Junge Union”, um Jugendliche für Politik zu begeistern?
Als Helmut Rau noch Kultusminister von Baden-Württemberg war, hatten wir eine Veranstaltung, die „Schülerforum” hieß. Wir haben an die SMV’en (Schülervertretungen, Anm. d. Red.) und die Schülerzeitungen im Landkreis Konstanz Einladungen verschickt zu einem Gespräch mit dem Minister. Dort konnten ihm die Schüler dann die Meinung sagen. Leider wurde diese Aktion relativ schwach angenommen. Im Gegensatz dazu waren wenige Tage später beim Bildungsstreik seltsamerweise ganze Klassenverbände auf den Straßen und haben demonstriert – sie bekamen dafür schulfrei.

Wie sieht der ideale Unionswähler aus?
Wir wollen auf jeden Fall Leute ansprechen, die ein christliches Menschenbild vertreten. Das heißt für mich nicht, dass sie ein braver Katholik sein müssen, der in die Kirche läuft. Die wichtige Aussage der CDU ist eigentlich immer wieder, dass man sagt, wir möchten den Leuten die Wahlfreiheit geben, ihr Leben nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Ich denke, oft macht die CDU eine Realpolitik, die nicht den Leuten vorgaukelt, dass es die eierlegende Wollmilchsau gibt, sondern die CDU weiß sehr genau, dass, wenn man tatsächlich regiert, Kompromisse eingegangen werden müssen.

Zurück zum Wahlkampf. Seit wann seid ihr konkret unterwegs?
Wolfgang Reuther, der Erstkandidat, ist seit über einem Jahr unterwegs. Er zeigt sich verstärkt bei öffentlichen Veranstaltungen und in den Ortschaften, damit die Leute ihn kennenlernen. Die heiße Phase hat mit Beginn des Jahres angefangen. Im Februar durfte plakatiert werden und seit Ende der Fastnacht sind wir in der krassen Phase: Jeden Tag findet eine Veranstaltung statt.

Was ist deine Aufgabe?
Oft sind Wolfgang Reuther und ich gemeinsam unterwegs. Gestern Abend hatte ich eine eigene Veranstaltung, auf der ich gesprochen habe. Manchmal sind wir auch an unterschiedlichen Veranstaltungen, dann bin ich der alleinige Ansprechpartner.

Was hast Du bisher im Wahlkampf erlebt?
Man erlebt sehr, sehr viel. Ich mache eine Beobachtung immer wieder: den Menschen fällt es schwer, Zuständigkeitsbereiche zu erkennen. Bundes- und Landesthemen werden vermischt und ich werde mit Beidem konfrontiert.

Treten Dir die Menschen auch negativ gegenüber?
Ja, natürlich. Ich respektiere grundsätzlich jede andere demokratische Meinung, aber wenn mich jemand anpöbelt, finde ich das unangebracht. Ich höre dann weg, ansonsten würde ich mich wahrscheinlich irgendwann darüber ärgern.

Die FDP hatte ja mal einen Aufkleber mit dem Wunschergebnis auf den Schuhsohlen kleben. Was wäre deiner Meinung nach das Best-Case-Szenario?
Den Aufkleber mit den 18 Prozent haben sich mittlerweile die von der SPD geholt. Meiner Meinung wäre es für den Landkreis oder für den Wahlkreis Konstanz das Beste, wenn Andreas Hoffmann in den Landtag einzieht, dass Wolfgang Reuther hier in Singen das Ergebnis bekommt, das er verdient und, dass in Baden-Württemberg die Schwarz-Gelbe Koalition weitergeführt wird. Die CDU sollte in Baden-Württemberg ein Ergebnis mit 40+ erzielen, damit es dann auch reicht.

(Text: Lea Kramer)

Autor

Von Lea K.

Schreibe einen Kommentar