Matt R. (32) kommt eigentlich aus einem kleinen Dorf in Montana, USA, wo er als waschechter Cowboy auf einer Ranch aufgewachsen ist. Doch nach High School, Militärakademie und zehn Jahren bei der Army ist für ihn die Welt zum neuen Zuhause geworden. Matt ist seit fast zwei Jahren auf Reisen.

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Frei nach dem Motto „der Weg ist das Ziel” befindet sich Matt seit nunmehr knapp zwei Jahren auf Weltreise – ohne feste Postadresse ohne Job, ohne Frau, aber dafür mit unzähligen internationalen Kontakten und Vernetzungen.

Zum ersten Mal habe ich Matt 2010 in Ungarn getroffen, als er nach zwei Monaten Roadtrip durch Osteuropa ausnahmsweise mal eine Woche in einer Hotelanlage verbrachte – anstatt in Hostels oder auf diversen Sofas der Einheimischen.
Als ich ihn fragte, was ihn ausgerechnet nach Ungarn brachte, antwortete er grinsend: „Es lag auf dem Weg.” Mein Interesse war geweckt und ich hörte ihm gerne zu, als er mir aus seinem Leben erzählte.

Nach zehn Jahren in der US Army wollte er nur noch raus, weg vom Militär und weg von den Krisenregionen. Die Abfindung nach dem Militärdienst in Amerika ist recht hoch, sodass er es sich leisten konnte, erst einmal nichts zu arbeiten. Aber nur zu Hause zu sitzen, ist auch nichts für ihn. Also schnappte er sich seinen Truck und fuhr los.
Anfangs tourte er nur durch die Staaten, besuchte Freunde oder Bekannte und schlug sich so von West nach Ost. Auf seinem Weg fand er nicht nur neue Bekanntschaften, sondern begann auch, sich an das Reisen zu gewöhnen. So sehr sogar, dass er schließlich beschloss, er würde es weiter führen.

Raus in die Welt und etwas erleben
Entgegen der von Amerikanern normalerweise bekannten, recht konservativen Reiselust – die sie meist nur in schon bekannte Länder führt; in denen dann auch noch vorzugsweise Englisch gesprochen wird – wollte Matt wirklich raus. Am liebsten in Länder und Regionen, die er eben noch nicht kannte, nur vom Hören-Sagen und aus Erzählungen anderer.
Er schloss sich der weltweiten couchsurfing community an und buchte ein Ticket nach Ägypten. Sein Plan war, die Welt zu entdecken und sich dabei sein eigenes Bild zu machen. Von Ägypten ging es weiter nach Israel und letztlich von dort aus nach Europa, und zwar in die Länder, die nicht unbedingt im Reisekatalog zu finden sind.

In Rumänien kaufte er sich einen kleinen gebrauchten Renault und weiter ging die Fahrt. Die meiste Zeit verlässt er sich auf Couchsurfing, sucht ein paar Tage im Voraus nach seinem nächsten Host und lässt sich dann einfach treiben. Dorthin, wo die nächste Couch bereit steht oder in die Richtung, die ihm sein Host vorschlägt.
Nur ab und zu macht er auf seiner Tour auch Gebrauch von einer Mitgliedschaft in einem time-sharing Unternehmen: Gegen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag ist man dort Teil einer weltweiten Hotelkette und kann dann zu vergünstigten Konditionen in den zugehörigen Hotels übernachten. Und genau deswegen kam er eben auch nach Ungarn.

Das Internet bestimmt die Route
Während wir dort auf der Hotelterasse saßen und uns unterhielten oder das ein oder andere Abendessen teilten, war sein Laptop nie weit von ihm entfernt. Er finanziert sich mittlerweile durch die Vermietung von Häusern, die er auf seiner Tour durch die Staaten gekauft und renoviert hat und deren Mieteinnahmen ihn zumindest finanziell erst einmal davon abhalten, einen Job zu suchen.
Die Verwaltung macht er online, genauso wie seine Couchsuche. Den Kontakt nach Hause hält er ebenfalls per Mail und Skype. Natürlich kann er jederzeit nach Montana zurückkehren. Dort würde man ihn immer mit offenen Armen empfangen, aber sesshaft werden, das will Matt nicht – noch nicht. „Dafür gibt es noch viel zu viele Länder zu entdecken” sagt er.  Ob er überhaupt am Ende wieder in die USA zurückkehrt, ist ebenfalls fraglich.

Auf die Frage, wohin die Reise als nächstes geht, antwortet er zunächst eher vage, „mal schauen, was kommt.” Ein Freund von ihm wolle sich in ein paar Wochen mit ihm in Portugal treffen. Irgendwann werde er also Richtung Atlantikküste aufbrechen – in seinem kleinen Renault; ohne Beifahrer.
Noch während seines Aufenthaltes in Ungarn macht er schließlich Pläne mit einer Bekannten, die in Kroatien nach ihren Großeltern suchen will. Genau dafür ist sein Leben nämlich perfekt: spontane Änderungen in seiner Route, unvorhergesehene Zufälle, die ihm die Entscheidung über das nächste Zielland abnehmen.

Geschichte aus 60 Ländern
Als ich knapp zwei Monate später seine erste Mail bekomme, ist er gerade im afrikanischen Mali. Ich muss das Land erst einmal auf der Karte finden, doch Matt berichtet trocken „der Renault läuft noch, aber ich werde ihn wohl demnächst irgendwo stehen lassen. Die Rebellen hier sind etwas schlecht auf Amerikaner zu sprechen, vielleicht sollte ich doch lieber weiter fliegen…”. Ein scheinbar ganz normaler Tag im Leben eines Weltreisenden.

Mittlerweile hat Matt auf seiner Reise knapp 60 Länder besucht. Die letzten Urlaubsfotos kamen aus Bangladesh, aber auch neben den Steinköpfen auf den Osterinseln, am Taj Mahal oder auf dem Gipfel des Machu Picchu war er schon. Seine Philosophie beschreibt er ungefähr so: „Living for the day and making memories to look back on later. For every new experience I live now, my internal net worth will always increase. I’ll take that over a steady paycheck for endlessly repeating the same experience over and over…” Und seine Reise ist noch lange nicht zu Ende.

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18-jährige Erstis versus 30-jährige Langzeitstudenten
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(Text: Carolin Schmitt)

Autor

  • Carolin S.

    Ich habe 2009 angefangen für back view zu schreiben, damals vor allem im Bereich *Sport*. Mittlerweile schreibe ich auch über andere Themen und versuche mein Studium der Anglistik und Amerikanistik auch ab und zu mit meinen Artikeln zu verknüpfen.

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Von Carolin S.

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