Süden

Die schönste Stadt am Ende der Welt

stadtansicht2Bunt, kreativ und sonnenverwöhnt, oder doch eher brandgefährlich und kriminell? Viel wird über Kapstadt erzählt. Aber nicht umsonst wird diese Stadt auch von einigen als die schönste der Welt bezeichnet. Grund genug, sich selbst ein Bild zu machen. back view-Mitarbeiterin Stefanie Helbig hat sich vor Ort umgesehen und sowohl Touri- als auch typische Weltenbummler-Stätten besucht – und stieß dabei auch auf die Frage nach der Moral.
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Erste Anlaufstelle für junge Europäer auf Reisen ist die Long Street. Hier reiht sich Hostel an Hostel. Von „Long Street Backpackers” bis „Cat and Moose” ist auf jeden Fall irgendwo ein Bett in einem Schlafsaal frei – inklusive anderen Reisenden, die gerne gemeinsam die umliegenden Clubs erkunden.

Die sind meist nur ein oder zwei Türen entfernt, denn die Long Street ist die Amüsiermeile für Touristen unter 30. Was ein wenig nach Lloret de Mar klingt, ist in Wirklichkeit wunderschön. Die über 300 Jahre alte Long Street ist gesäumt von viktorianischen Häusern, die in allen erdenklichen Farben leuchten.

longstreet 2Die Straße hat eine lange Geschichte: als „New Orleans” der Südhalbkugel war sie das Zentrum der südafrikanischen Jazzszene, sie bot Lebensraum für Kapstadts deutsche Bevölkerung, und hier stand die erste Universität Südafrikas. Die Hausbesitzer wollten ihr Ansehen steigern, und ließen sich auf britischen Schiffen die schmiedeeisernen Balkone mitbringen. Heute wird auf ihnen getanzt, denn viele der alten Häuser beherbergen jetzt Bars und Clubs, und die Balkone sind der beliebteste Ort, um den Abend zu verbringen.

Für ruhige Nächte sollten Ohrstöpsel im Gepäck nicht fehlen. Wenn es mal etwas anderes sein soll , kann man auch mit einem Katamaran auf Sunset-Tour fahren und bei einem Cocktail den Sonnenuntergang über dem Meer beobachten.

Doch Kapstadt hat auch tagsüber eine Menge zu bieten. Oberste Touristenpflicht ist das Besteigen des Tafelbergs. Man kann zwar auch mit der Seilbahn hinauffahren, aber es geht nichts über das Gefühl, ihn selbst zu erklimmen. Der Aufstieg dauert etwa vier Stunden, die letzte halbe Stunde ist extrem steil und anstrengend, bis man den Gipfel erreicht hat, auf den Atlantischen Ozean hinunterjubelt und alles vergessen hat.

blick vom tafelberg1Nach einem so langen Aufstieg macht die Seilbahnfahrt ins Tal richtig Spaß. Hier oben kann es allerdings sehr kalt werden, besonders wenn der Berg sein „Tischtuch” aus Nebel trägt. Wer trotzdem noch nicht hinunter möchte und Action mag, kann sich nach „Abseiling” erkundigen. Eine deutsche Wortadaption, die so ausgesprochen wie geschrieben wird. Dabei wird man von erfahrenen Bergsteigern gesichert und dann heißt es nur noch – mit dem Rücken zum Abgrund – vertrauen und loslassen.

Kontrastprogramm: Geschichte. Robben Island, Kapstadts Gefängnisinsel, liegt elf Kilometer vor der Stadt im Ozean. Hier hat Nelson Mandela 27 Jahre seines Lebens verbracht. Ehemalige Gefangene führen durch die Anlagen: durch den Kalksteinbruch, in dem die Gefangenen arbeiten mussten und, sich an dem feinen Staub die Augen verletzten, und natürlich durch Mandelas Zelle, in der er „Der lange Weg zur Freiheit” geschrieben hat. Der letzte Häftling wurde erst 1996 entlassen, seit 1999 ist die Insel Weltkulturerbe. Tickets sind am „Nelson Mandela Gateway” an der Waterfront erhältlich. Am besten besorgt man sie einige Tage zuvor, denn es sind pro Tag nur 300 Besucher zugelassen.

Auch die Townships sind einen Besuch wert. Es gibt bei Besuchern eine große Diskussion darüber, ob es in Ordnung ist, auf geführten Touren die Armenviertel zu besichtigen. Wer sich aber nicht auf eigene Faust traut und keinen Bekannten hat, der sich im Township auskennt, ist mit einer geführten Tour gut beraten.

So oder so: Die Townships nicht anzusehen würde einen zentralen Punkt südafrikanischen Lebens ignorieren. Schon alleine aus Respekt gegenüber den Menschen sollte man aber eher als Besucher denn als Tourist kommen: ungefragt Fotos mit zu tätschelnden Kindern zu schießen, verbietet sich von selbst. Schließlich ist dies kein Zoo, sondern das zu Hause vieler Menschen. Wenn man dies beachtet wird man gern aufgenommen und kommt mit vielen neuen Erfahrungen zurück. Unbedingt sollte man ein „Shebeen” besuchen. In den oft halblegalen Wellblech-Kneipen springt die Lebensfreude bei südafrikanischer Kwaito-Musik sofort über, wenn man sich darauf einlässt und sich ins Getümmel stürzt. Das selbstgebraute Bier gehört dazu: es schmeckt zwar für europäische Geschmacksnerven sehr gewöhnungsbedüftig, ist aber allemal die lokal-kulinarische Erfahrung wert.

Zu guter Letzt darf auch eine Fahrt zum Kap der guten Hoffnung nicht fehlen, am besten auf eigene Faust mit einem Mietauto. Dann kann man ohne Zeitdruck an einem der schönen Strände anhalten und die Füße ins Wasser halten, zum Beispiel am weißen Sandstrand in Muizenberg mit seinen bunten Badehäuschen.

Simon’s Town ist einen Zwischenstop wert, hier tummeln sich hunderte Pinguine am Strand. Es  vergeht eine Ewigkeit,  während man  ihnen bei Watscheln zusieht. Das Kap der Guten Hoffnung ist hingegen eher ein Schild vor einem Berg. Davor halten Busse an, aus denen Touristen springen, um sich fotografieren zu lassen, und dann schnell ins nahegelegene Restaurant zu fahren. Mit ein paar Schritten über die Steine zum Meer hin, kann man dem aber schnell entfliehen.

Kapstadt hat noch weit mehr zu bieten und wer noch ein paar Tage Zeit hat, sollte auch die Region nicht verpassen: Wale beobachten in Hermanus, die Weinregionen besuchen oder im Käfig zu Haien hinabtauchen. Kapstadt ist die schönste Stadt der Welt – am Ende der Welt.

Schließlich kommt im Süden nach ein wenig Land nur noch die Antarktis, bis zur nächsten größeren Stadt Port Elizabeth ist es etwa so weit wie von Berlin bis nach Brüssel. Wer die weiten südafrikanischen Strecken auf sich nehmen will, um noch mehr vom Land zu sehen, kann den Baz Bus nutzen. Er fährt mit „Hop on Hop off”-Tickets von Kapstadt nach Pretoria und sammelt Backpacker ein. Außerdem gut: der „Coast to Coast”-Guide. Er liegt in vielen Hostels umsonst aus und ist ein wertvoller Begleiter bei der Suche nach Unterkunft und Aktivitäten.

Wichtigstes Reiseutensil ist neben der Sonnencreme ein Tuch, das um den Kopf gebunden zum Urlaubsretter wird. Die südafrikanische Sonnenintensität wird gern mit der australischen verglichen, da liegt man lieber mit einem Cocktail am Strand als mit einem Sonnenstich im Bett.

Auch wenn Kapstadt als kriminell gilt: wer einige Regeln beachtet, kann sich hier sicher fühlen. Am wichtigsten ist, nach Einbruch der Dunkelheit ein Taxi zu nehmen; das ist ohnehin komfortabler und viel günstiger als in Deutschland. Wer dann noch große Taschen und auffällige Kameras im Hostel lässt, braucht sich nicht mehr allzu viele Sorgen zu machen. In Kapstadt übrigens freuen sich die Leute, hier zu wohnen und nicht in Johannesburg: weil es hier so schön und dort so gefährlich ist.

(Text und Fotos: Stefanie Helbig)

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