Spätestens an Weihnachten ist es so weit – der Student lässt sich mal wieder daheim blicken. Doch was erwartet einen Studierenden dort? Und wie soll er mit dieser Situation umgehen? Ein kleiner Einblick ins alljährliche Weihnachtschaos weit weg vom gewohnten Uni-Leben.
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Kaum raus aus der Schule, zieht es die meisten Studenten in eine neue Stadt, die erste eigene Wohnung wird bezogen und plötzlich ist man auf sich allein gestellt. Man wird immer selbstständiger, die Anrufe zu Mutti immer seltener und die Besuche des Elternhauses innerhalb eines Jahres kann man in den höheren Semestern fast schon an einer Hand abzählen. Nur an Weihnachten, da soll sich alles ändern. Für die Mehrzahl unter den Studenten ist es klar, dass die besinnlichsten Stunden im Jahr daheim verbracht werden. Raus aus der Wohngemeinschaft, rein in die früher so vertrauten heimischen Gemäuer.
Aber was erwartet einen Studenten in solchen Ausnahmesituationen eigentlich? Nun, in der WG hat es meistens nur für eine Kerze und einen Pappstern gereicht, daheim aber hängen die bunten Christkugeln am Weihnachtsbaum und zahlreiche blinkende Lichterketten schmücken Tisch und Fenster. Die gesamte Dekoration hat seit 20 Jahren wie selbstverständlich den gleichen Platz, das kleine Licht der Krippe ist vielleicht immer noch nicht repariert und die Tanne hängt wie jedes Jahr ein bisschen schief im Baumständer.
Von einem Moment zum anderen rutscht man von der Rolle des erwachsenen Studenten in die Rolle des Kindes. Plötzlich ist nicht mehr die Systemtheorie von Niklas Luhmann wichtig, plötzlich kopiert man keine Skripte mehr, sondern jetzt zählt nur noch, ob „Stille Nacht” mit dem richtigen Ton gesungen wird und Diskussionen darüber, ob die Bescherung vor oder nach dem Essen stattfindet. Dass dieser abrupte Rollenwechsel nicht immer von leichter Hand geht, ist einleuchtend.
Nicht immer sind die Eltern, die Geschwister, die Verwandten auf dem neusten Stand, was einen gerade bewegt, welche Sorgen einen beschäftigen und, auf welchen Partys man getanzt hat oder welche Texte man momentan für die nächstanstehende Hausarbeit vorbereitet. Deswegen sind die Gespräche in den meisten Fällen eher aufklärend und nicht immer gibt es Übereinstimmungen. Vielleicht kann der Vater nicht nachvollziehen, wieso der Student plötzlich die Ansicht vertritt, bei der nächsten Bundestagswahl die SPD wählen zu wollen, wo er doch schon lange Mitglied der CDU ist. Oder die Mutter ist nicht damit einverstanden, dass man seit Neustem kein Fleisch mehr essen möchte, wo sie doch schon immer zu Weihnachten den Rollbraten auf den Tisch stellt. Und er bisher auch immer geschmeckt hat.
Die gleiche Problematik kann es auch bei den Geschenken geben. Kann sich ein Student, der sich im universitären Alltag mit abstrakten Theorien oder aber den billigsten Biersorten der Stadt beschäftigt, noch über einen türkisenen Schlafanzug freuen? Kann man wirklich noch aufgeregt sein, wenn man die neuste CD von „Kings of Leon” geschenkt bekommt, obwohl man das Album schon seit Wochen auf seinen Ipod geladen hat?
In der Zeit des Studentendaseins verändert sich in der Regel sehr viel: In diesem Alter und in diesem Abschnitt bilden sich gewöhnlich erste feste Strukturen im Leben, meist aber ohne Einbezug der Eltern.
Weihnachten soll perfekt sein, aber das ist es nicht immer zwingend. Es ist manchmal ein wenig erschreckend, wie schnell man daheim bei Mami und Papi wieder in die Rolle des Kindes schlüpft. Aber man sollte es genießen. Wie oft im Jahr kommt es noch vor, dass man sein Essen nicht in gelben Mensa-Schälchen, sondern sogar mit einer passenden Weihnachts-Serviette gereicht bekommt. Und wie oft kommt es vor, dass man sich schlicht und einfach über das Wetter unterhält?
(Text: Christina Hubmann)