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Die Katastrophe nach der Katastrophe

Mindestens vier Millionen obdachlose Menschen, mehr als sechs Millionen Hilfsbedürftige ohne Nahrungsmittel, hunderttausende auf der Flucht. Die Bilanz der Flutkatastrophe von Pakistan ist erschreckend. Um den verzweifelten Opfern zu helfen, benötigt Pakistan weltweite Hilfe. Dennoch ist die Spendenbereitschaft immer noch verhältnismäßig gering.
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Wettlauf mit der Zeit
Von konkreten Zahlen kann man bei der Flutkatastrophe von Pakistan eigentlich nicht sprechen, täglich kommen neue Ergebnisse. Zur Zeit sind schätzungsweise insgesamt 20 Millionen Menschen nach den Überschwemmungen auf die Soforthilfe der Rettungskräfte angewiesen. Es fehlt vor allem an sauberem Wasser, in ihrer Not trinken die Flutopfer verschmutztes Schlammwasser und werden krank.
Hauptsächlich Kinder geraten bei diesen Verhältnissen schnell in akute Lebensgefahr. Die Helfer vor Ort kommen jedoch nur schleppend voran. Ein Grund hierfür ist mitunter die mangelnde Spendenbereitschaft der ausländischen Staaten. Kein Geld – keine Hilfe. Doch was genau hindert die Weltbevölkerung daran, ihre Unterstützung bei einer der schlimmsten Umweltkatastrophe der Geschichte zuzusichern?

Pakistan FlutDas etwas ärmere Haiti
Bis Ende August wurden laut einer Umfrage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI)  in Deutschland 24 Millionen Euro für die Flutopfer gespendet. Zum Vergleich: Nach demselben Zeitraum spendeten die Deutschen für die Erdbebenopfer in Haiti bereits 86 Millionen Euro. Wird die deutsche Bevölkerung nach dem Haiti-Spendenmarathon jetzt unterstützungsmüde?

Pakistan gilt im Gegensatz zu Haiti nicht gerade als attraktives Urlaubsland und lockt daher nicht unbedingt viele Touristen in die Islamische Republik. Somit besteht keine konkrete Bindung zu dem asiatischen Staat, die Menschen vor Ort hat man noch nie gesehen. Das schafft Distanz und eine gewisse Gleichgültigkeit.

Viel wichtiger scheint jedoch die politische Instabilität des Landes zu sein. Kommt mein Geld wirklich an, oder gelangt es in die falschen Hände? Korruption und Verteilungsungerechtigkeit sind in Pakistan keine Seltenheit und somit zweifelt der sonst so spendenfreudige Deutsche.

Manch einem mag das Ausmaß der Katastrophe auch noch gar nicht bewusst sein. Die Aufmerksamkeit ebbte nach anfänglich großem Interesse zunehmend ab und die Situation in Südasien ist nun nicht mehr Tagesthema Nummer eins. Während auf diversen Events immer noch zu Spenden für Haiti aufgefordert wird, scheint Pakistan schon vergessen zu sein.

Chance für die Taliban
Das Zögern der Weltbevölkerung liefert allerdings den Taliban eine gute Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu machen. Denn der Unmut der Pakistaner über die Regierung ist vernichtend. Deren Maßnahmen und Krisenmanagement sind kaum spürbar, die Hilfe kommt nur vereinzelt an. Für lokale Gruppen ist es dagegen um einiges einfacher, direkt vor Ort zu handeln. Somit nutzen die Taliban und andere religiöse Parteien die Chance, Hilfsgüter inklusive Gehirnwäsche zu liefern.

Die Marketingstrategie der islamistischen Extremisten, sich als die einzigen und wahren Wohltäter darzustellen, geht auf. Die Opfer der Überschwemmungen nehmen jede mögliche Hilfe dankbar an. Ob nun von Blauhelmen oder Gotteskriegern. Die Strategie der Taliban wirbt jedoch nicht nur für sie selbst, sondern hetzt gleichzeitig gegen die anderen. So fordern sie beispielsweise dazu auf, keine ausländische Hilfe anzunehmen, die führe nur zur Unterwerfung.

„Auf ausländische Hilfe angewiesen”
Doch Pakistan kann die Last nicht alleine stemmen. Das Entwicklungsland sei „auf ausländische Hilfe angewiesen”, so Pakistans Präsident Asif Ali Zardari. Daher rief die UNO zur größten Spendenaktion seit ihrer Geschichte auf – mit Erfolg. Der Aufforderung folgend, zeigten sich andere Staaten solidarisch.

Die USA stellten Pakistan 150 Millionen Dollar zur Verfügung, Deutschland beteiligt sich bisher mit 25 Millionen Euro. Von der Weltbank bekommt Pakistan außerdem einen Kredit von 900 Millionen Dollar. Somit wird dem Land wenigstens von dieser Seite aus geholfen. Dennoch ist es schade, dass die Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft der meisten Menschen bei den Landesgrenzen aufhört.

(Text: Julia Jung / Foto: Manfred Schimmel by pixelio.de)

Julia J.

Hauptberuflich ist Julia Weltenbummlerin, nebenberuflich studiert sie Politik. Wenn sie nicht gerade durch Australien, Neuseeland, Südafrika oder Hongkong reist, schreibt sie ein paar Zeilen für back view und das schon seit 2009.

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