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Die Abgründe einer Ausbildung

Eine anonyme Autorin berichtet von ihrer Ausbildung zur Köchin in einem streng geführten Restaurant. Sie schreibt über ihre anfängliche Freude am Kochen und wie diese durch Diskriminierungen am Arbeitsplatz zerstört wurde – wie sie selbst daran zerbrach.


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Als motivierte und fröhliche Person in den Betrieb gekommen, versuchte ich als eine der besten Schülerinnen die Lehre zu beenden. Mit meinem Traumberuf Köchin wollte ich die Welt entdecken. Die Realität sah dann allerdings anders aus.

Vom Nebenjob während der Schulzeit in einer familiär geprägten fränkischen Gastwirtschaft, kam ich als Lehrling in die abwechslungsreichere und anspruchsvollere Gastronomie. Mit frischen Zutaten und edleren Speisen wird außergewöhnlich gekocht. Doch wer als Gast meint die Liebe aus der Küche in einem Gericht zu finden und zu schmecken, der sucht oft vergeblich. Trotz einer offen gestalteten Küche sieht nicht jedermann was sich hinter der Glasscheibe der Spitzengastronomie abspielt.

koch_textIch wurde als ehrliche Person erzogen, die mit den von der ersten Sekunde aufgebauten Lügen und Intrigen nicht umgehen konnte. Ich wollte mich nicht verstellen und blieb ehrlich – offen gegenüber meinen Kollegen. Genau das wurde mir dann zum Verhängnis. Schon bald wurde ich als respektlos und frech abgestempelt. Dabei waren es doch reine Schutzmaßnahmen. Es war ein ungleiches Spiel ständiger Einschüchterung, bei dem die Würfel vom Chef des Hauses gezinkt waren. Schnell wurde ich als unfähig für die Servicearbeiten bezeichnet – ein fester Bestandteil der Ausbildung fand bei mir deshalb schon früh schlicht nicht mehr statt.

Dennoch sollte ich es nicht falsch verstehen, dass ich einer der wenigen  Frauen sei in dieser Branche – ohne Damenbart dafür aber angeblich mit Figurproblemen. Mit Diäten und ständigem Sport stürzte ich mich – als eigentlich vollkommen normalgewichtige Frau – in die sowieso schon kaum stattfindende Freizeit und verlor die Freude am Leben.

Schon bald verlor ich meine munteren Augenblicke und Freude mit dem Umgang von Lebensmitteln. Ich stürzte mich in Arbeiten hinein, versuchte sie perfekt zu machen. Immerhin wollte ich auch etwas erreichen um meinen Freunden und meiner Familie zu zeigen, warum ich das Ganze mache. Ich wollte es trotz oder gerade wegen der Widrigkeiten schaffen. Trotz immer wieder mühsam ausgegrabener Motivationsschüben wurden nicht nur ständig die Fehler meiner Desserts, Salate und Gerichte angeprangert – viel mehr machten mir die persönlichen Angriffe auf mein Wesen, auf meine Persönlichkeit zu schaffen.

Ein aufgesetztes „Danke” und „Gut gemacht” bekam das Team nach einem langen Weihnachtsarbeitsfeiertag – ein kleiner Lichtblick. Ein Strohhalm, an dem ich mich versuchte durch die schlechten Tage zu retten. Aber der Halm war einfach zu kurz. Ich stellte mir oft die Frage „Warum das Ganze?”  Ohne Feiertagszuschläge, täglich fest eingeplanten und deshalb nicht angerechneten Überstunden, unendlichen Wochenendarbeiten und immer wieder gestrichenen oder gar nicht erst erlaubten Urlaubstagen kam ich mehr und mehr ins Zweifeln.

Ich war zu stark und zu stur, um zu sagen, dass ich den leichteren Weg gehe und den Betrieb wechsele. Ich hatte diesen Drei-Jahresvertrag. Ich wollte es mir und allen anderen beweisen und mich eben nicht von einem Menschen ohne jegliche Sozialkompetenzen unterkriegen lassen. Nächte lang lag ich wach und schrie mich innerlich immer wieder an: DU schaffst das!

Bis zu einem unbestimmten Tag vor den schriftlichen Abschlussprüfungen. Ich bekam keinen Urlaub zum Lernen. Ich büffelte in meinen wenigen freien Stunden am Abend und in meinen Mittagspausen. Dementsprechend unkonzentriert war ich während meiner Arbeitszeit. Der Druck wuchs ins Unermessliche. Und mit ihm mein Ärger über meinen Chef.

Die Folge: Ich schlief die ganze Nacht nicht mehr. Ich brach zusammen. Und nur ein freier Tag rettete mich und meinen Körper noch vorübergehend. Aber wieder zurück in der Küche meines Betriebes bekam ich statt aufmunternden Worten nur noch heftigere Sprüche an den Kopf geworfen. Es wurde schlimmer und schlimmer und ich brach erneut zusammen. Meine Seele war am Ende. Ich war am Ende. Bin ich zu schwach? Bin ich selbst schuld? Oder ist es mein Chef, der während meiner drei Jahre unzählige Köche, Servicekräfte, Auszubildende kommen und gehen sahen. Viele ließen sich nicht auf diese Unterdrückung und das schlechte Arbeitsklima ein.

Aus meinem eigentlichen Traumberuf wurden Angstzustände, null Selbstbewusstsein, Demotivation, Ratlosigkeit und furchtbare Leere. Doch das Beste was in dieser Situation passieren konnte, war, ohne diesen Betrieb – und ohne diesen Chef –  meine Abschlussprüfungen zu gestalten und durchzuziehen. In Ruhe. Mit viel Zeit und vor allem ohne die täglichen Diskriminierungen.
Letztlich kam es mir dann sogar noch zu Gute, dass mein heutiger EX-Chef Dank seines unwürdigen Verhaltens in der gesamten Branche einen schlechten Ruf hat. Von mehreren Köchen in der Umgebung bekam ich sofort Hilfe angeboten. Ich konnte mich aussprechen, konnte meine praktische Prüfung vorbereiten. Endlich fand ich eine menschliche Seite in dem Beruf, die ich doch immer so sehnsüchtig gesucht hatte.

(Text und Foto: anonym)

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