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„Deutschlands Frauen zeigen modernen Fußball”

Im Gespräch mit back view spricht die Sportreporterin des ZDF über ihre Rolle als erste Frau, die ein Weltmeisterschaftsspiel live kommentiert, ihre Vorfreude auf die Brasilianer und einen “Kuhhandel” mit dem Trainer der Nationalmannschaft von Äquatorialguinea.


back view: Frau Neumann, wer spielt den ästhetisch schöneren Fußball, Frauen oder Männer?
Claudia Neumann:
So populistisch sollte man das gar nicht beurteilen. Männerfußball ist natürlich wesentlich intensiver, handlungsdichter, Frauenfußball dagegen kommt mit erheblich weniger Fouls und Auszeiten wegen Meckerei aus. Zudem ist er in der Spitze, also der Fußball der Nationalmannschaft taktisch von höchstem Anspruch. Das kann ich längst nicht bei jedem Männerbundesligaspiel entdecken!

Sie werden in Kürze Fußballgeschichte schreiben: Als erste Frau werden Sie für das ZDF ein Fußballspiel eines großen internationalen Turniers live im Stadion kommentieren. Was sagen Ihre männlichen Kollegen dazu?
Ich kann mich gar nicht erinnern, dass mich einer meiner Fußball-Reporter-Kollegen explizit darauf angesprochen hat. Meine Teamleiter aus der Frauenfußball-Crew – das sind Männer! – finden es jedenfalls toll, haben mich auf dem Weg dorthin sehr unterstützt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!

Auf welches Ihrer zu kommentierenden Spiele freuen Sie sich am Meisten?
Insgesamt werden es sieben Spiele sein, fünf Gruppenspiele, ein Viertelfinale und ein Halbfinale. Dort könnte ich auf Brasilien treffen, das wäre wunderbar, denn wenn ich Marta und Kolleginnen Fußballspielen sehe, lacht mein „Fußballer-Herz”.interview_zdf
Wie bereiten Sie sich auf die Spiele vor? Lernen Sie Namen, Nummern und Gesichter auswendig? Oder liegt das dann alles vor Ihnen am Kommentatorenpult im Stadion?
In der Tat, bei einigen ein schwieriges Unterfangen. Während man im Männerfußball fast alle Infos über das Internet erhalten kann – dazu sich locker entsprechende Spielmitschnitte besorgen kann – ist das bei den Frauen nur bei einigen traditionell geprägten Teams möglich. Mein Sorgenkind ist derzeit Äquatorialguinea. Der neue Trainer ist Brasilianer und verfährt nach der Taktik: „Unser einziges Plus ist, dass niemand was von uns weiß”. Bedauerlicherweise macht er da keinen Unterschied zwischen Gegner und Reporterin. Mittlerweile sind wir auf der Ebene eines „Kuhhandels”, denn er möchte von mir auch einige Informationen über seine Gegner, das ist wirklich lustig.

Darf eine Frau nur ein Spiel der Frauen kommentieren? Oder ist die männliche Konkurrenz beim Männerfußball noch zu stark, um auch dort die Frauenquote unter den Kommentierenden auszubauen?
Ich wüsste nicht, dass es dafür eine Regel gäbe. Aber seien Sie versichert, es ist nicht mein Ziel irgendwo die „erste Frau” zu sein. Ein Nebeneffekt, der für mich keine besondere Bedeutung hat. Ich sehe mich in keinster Weise als „Karrierefrau” sondern in erster Linie als TV-Journalistin. Bei den Männern sind wir beim ZDF hervorragend aufgestellt, da gibt es derzeit keinen Handlungsbedarf.

Aber auch im Männerfußball sind Sie als ZDF-Sport-Reporterin nicht fremd. Was macht den Unterschied zwischen Männern und Frauen auf dem Spielfeld aus?
Wie schon erwähnt, es sind zwei verschiedene Sportarten, das muss man als Reporter(in) verinnerlichen. Das neue bei mir ist nicht die Sportart, sondern das „Handwerk”. Live-Kommentar ist durchaus eine gehobene Herausforderung, auch weil es Millionen am TV-Schirm stets „besser wissen”. Man/frau kann es nie allen recht machen, man muss seinen eigenen Stil entwickeln. Das ist ein Lernprozess, zumindest für mich.

Wie sehen Sie die Zukunft des Frauenfußballs? Wird er immer im Schatten der Männer bleiben, oder glauben Sie an eine Entwicklung – hin zu breiteren Interesse – die einfach Zeit braucht? Erfolgreich ist das deutsche Team ja schließlich.
Der Frauenfußball hat sich seit dem ersten WM-Gewinn 2003 prächtig entwickelt, sowohl spieltechnisch als auch bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung. Zudem kenne ich keine andere „Randsportart”, zu der gehört die Basis des Frauenfußballs nach wie vor, die sich medial so hervorragend positioniert hat. Dahinter steckt ein höchst professionell arbeitender Verband, und die Tatsache, dass sich die Frauen heute einfach toll präsentieren. Auf dem Platz sowieso, aber auch abseits dessen. Das gilt aber nur für die Nationalmannschaft, nachhaltige Veränderungen in der Bundesliga erwarte ich nicht.

Auch, wenn die Weltmeisterschaft in Deutschland stattfindet, hält sich die Begeisterung ja noch in Grenzen. Wie kann die breite Masse an Zuschauern für die Live-Übertragungen gewonnen werden? Auch für die ohne deutsche Beteiligung?
Warten Sie mal ab, wenn der Ball erst rollt. Vieles hängt natürlich von den Auftritten der deutschen Mannschaft ab. Aber da bin ich guter Dinge, dass das Schwungrad flott in Gang kommt. Die eher exotischen Nachmittagsspiele werden natürlich kein Quotenbrüller, diese Erwartung haben wir gar nicht. Wir wollen mit journalistischer Kompetenz überzeugen, was das „Trommeln” betrifft, setze ich auf den Boulevard.

Wie sehen Sie die Erfolgschancen der deutschen Nationalmannschaft, ihren Titel zu verteidigen?
Sehr gut! Ich halte es gerne mit der ehemaligen Bundestrainerin Tina Theune, die sagt: „Wenn ich Deutschland spielen sehe, sehe ich alle Merkmale des modernen Fußballs.” Da ich kein deutsches Spiel kommentieren werde, habe ich mit Torhüterin Nadine Angerer verabredet, dass wir uns zum Finale in Frankfurt treffen!

Ihr Tipp für das Finale?
Deutschland gegen Brasilien – 2:1!  Schließlich wünscht sich unsere langjährige Kamerafrau für Frauenfußball ihre dritte WM-Siegesparty in Folge, bevor sie am nächsten Morgen nach Neuseeland auswandert.

(Interview: Konrad Welzel / Foto: Rainer Rüffer by zdf.de)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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