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Deutscher Freund Pjöngjang

Nordkorea – das Land, das niemand kennt. Ein unberechenbarer „Schurkenstaat“, der durch seine Atompolitik Angst und Schrecken verbreitet. In den grenznahen Großmächten, in Deutschland, bei Bürgern und Politikern. Doch es weilten einst seit der Gründung der DDR Koreaner unter uns.

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Es war in der Tat erschreckend, als man hörte, dass sämtliche Botschaften, darunter auch die deutsche, in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang geräumt werden sollten. Eine Räumung, die die Regierung Mitte April empfahl, um auf sich aufmerksam zu machen, um der Welt zu zeigen, dass sie für den Atomkrieg bereit sei.

Deutschland hatte im Jahr 2001 diplomatische Beziehungen aufgenommen, mit dem Ziel, die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu sichern, humanitäre Hilfe zu gewährleisten sowie die Menschenrechtslage zu verbessern. Die humanitäre Hilfe wurde aufgekündigt, eine bilaterale Entwicklungshilfe existiert nicht. Deutschland unterhält mit Nordkorea Beziehungen, die eingeschränkter und einseitiger nicht sein können.

Aber wie entstanden Beziehungen?
Die Initiative ging von Korea aus. Nur einen Monat nach der Gründung der DDR, im Oktober 1949, antwortete ihre Provisorische Regierung auf das Schreiben des koreanischen Außenministers mit Argumenten, einer freundschaftlichen Beziehung entgegenzukommen und sie voranzutreiben. Beide Staaten waren im sozialistisch-politischen Raum eingeschlossen, abhängig von der Sowjetunion und befanden sich in einer vergleichbaren geopolitischen Situation. Das alles waren Gemeinsamkeiten, durch die sie eine wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern wollten.

Sie durchliefen mehrere Phasen der deutsch-koreanischen Beziehung. Während noch am Anfang ihre Verwandtschaft feierlich betont wurde und man die ersten Botschafter einberief, schwächte sich ihr Verhältnis in den 1960er Jahren bereits ab. Der Konflikt zwischen China und Russland führte dazu, dass sich Korea Russland, und damit auch der DDR, abwandte. Erst die letzte Phase, die bis zu dem Mauerfall andauerte, war von einem ambitiösen Austausch zwischen Erich Honecker und Kim Il-Song geprägt.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und kultureller Austausch
Nur wenige Staatsbesuche gab es zwischen den Landesherren. Doch es wurde ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit und später auch die wissenschaftliche und kulturelle, intensivieren sollte. Die DDR unterstützte Korea bei dem Aufbau der Stadt Hamhung, die im Korea-Krieg zerstört wurde. Korea exportierte seine Bodenschätze, die DDR lieferte fertige Waren im Bereich des Maschinenbaus.

Darüber hinaus kamen koreanische Studenten nach Ostdeutschland. Bereits Anfang der 50er Jahre entsendete Korea mehrere hundert männliche Studenten nach Berlin. Keiner von ihnen sprach ein Wort Deutsch. Aber alle hatten das Ziel, einen Abschluss insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich zu machen. In Korea herrschte Fachkräftemangel, da es den Koreanern während der Kolonialherrschaft Japans verboten war, zu studieren. Also mussten diese nun dringend in den Bruderstaaten geformt werden. Jedoch hatte Korea kein Geld. Die Kosten nahm die DDR auf sich. 1956 wurden 357 Studenten gezählt, was eine Menge war.

Durch den Streit um die Machtverhältnisse in der kommunistischen Bewegung zwischen China und Russland verringerte sich die Zahl aber enorm und stieg erst wieder in den 1980er Jahren auf über 200 an. Jene Studenten besuchten überwiegend die Universitäten in Berlin, an der TU Dresden, sowie in Greifswald, Rostock, Leipzig, Chemnitz oder Jena. Da viele aber nicht nach Korea zurückkehren wollten, flohen sie in den Westen. Einige von ihnen hatten eine deutsche Freundin. Ungefähr 30 Kinder sind aus diesen Beziehungen hervorgegangen.

Im Allgemeinen herrscht in Korea ein Interesse an deutscher klassischer Musik und Literatur, wofür aber der Bildungs- und Kulturarbeit im Land enorme Grenzen ausgesetzt sind. Öffentliche Deutschlandtage mit Filmprojektionen und Ausstellungen werden nur sehr beschränkt arrangiert, und das für nur jeweils 100 Teilnehmer.

Aktuelle Einschränkungen
Nach dem Mauerfall wurden unmittelbar die meisten Koreaner zurück ins Land geholt. Die Botschaften transformierten sich in Interessenvertretungen, was jegliche Kooperationen aufs Eis legte. Deutsche Studenten werden in Form von Austauschprogrammen nicht nach Pjöngjang geschickt. Koreanische Ingenieure und Naturwissenschaftler werden in der Bundesrepublik nicht akzeptiert. Es gibt keine deutschen Universitätsprofessoren, lediglich einen DAAD (Deutscher Akademischer Austausch Dienst)-Lektor, der Koreanern mehrmonatige Forschungsaufenthalte in Deutschland ermöglicht.

Tourismus kommt in Nordkorea vor, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Möchte man als Deutscher einreisen, braucht man ein Visum, und dann ist es auch nur möglich an Gruppenreisen teilzunehmen, mit der Begleitung eines Dolmetschers. Individualreisen wie in Europa sind ausgeschlossen. Während die Hauptstadt für Ausländer zugänglich ist, werden Überlandexkursionen nur mit entsprechender Genehmigung gestattet. Das Fotografieren von banalen Motiven ohne koreanische Begleitung ist nicht zu empfehlen. Mehrfach kam es dabei schon zu Übergriffen von der Polizei.

Nordkorea, ein Land, das zuletzt stark in den Medien präsent war, hält an seinen Prinzipien fest. Informationen dürfen nur in eine Richtung fließen, aber nie nach außen gelangen, so wie es schon während der 30-jährigen Freundschaft zur DDR war. Auch, wenn die Ankündigung des Atomkrieges für den 15. April propagandistische Züge aufwies, das Land folgt seinen ideologischen Regeln und lässt sich von den Großmächten nicht einschüchtern. Wir werden von Nordkorea noch oft zu hören bekommen.

(Text: Tom Pascheka)

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