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Der Tor des Monats – Mai

Das Chaosspiel zwischen Düsseldorf und Hertha BSC Berlin ging in die Geschichte ein. Während des Relegationspiels stürmten übereifrige Düsseldorf-Anhänger den Platz vor Abpfiff. Von Kopfschütteln, Lachkrämpfen über angebliche „Todesangst” rief das Spiel jede Gefühlsregung des menschlichen Lebens hervor.  Zum Symbol des tragischen Theaters wurde vor allem der ominöse Rasendieb – unser bemitleidenswerter Tor des Monats.


Das  juristische Nachspiel mit dem Einspruch der Berliner gegen die Spielwertung hat Hertha BSC endgültig in die zweite Liga gespült. Das Spiel wird nicht wiederholt wird, die Politik müht sich aber um eine radikale Offensive. So forderte der Ober-Bayer Edmund Stoiber eine Haftstrafe für Fußballdelinquenten. Als sei nicht die reine Fokussierung auf ein Stadionverbot schon genügend Repression – jetzt soll die Haftstrafe folgen?

Boulevardpresse und ihre Lynchjustiz
Was also tun mit dem ominösen Rasendieb, der dadurch Ruhm erlangte, dass er während des verfrühten Platzsturms kurzerhand den Elfmeterpunkt aus dem Rasen hob und stolz triumphierend präsentierte? Blöd für ihn, dass Video- und Fotokameras draufhielten. Soll man ihn einsperren? Oder in die von Innenminister Friedrich verlangten Fußfesseln? Ihn, der schon von der Yellow-Press gelyncht wurde?

Die Revolverhelden von der BILD-Zeitung kürten ihn kurzerhand zum „größten Fan-Trottel des Fußball”. Über Nacht erlangte er Ruhm und wurde von BILD-Reporter am selben Abend noch sogar grinsend in der Bahn geknipst worden. Die Boulevardpresse zerfetzte und degradierte ihn derart zur Witzfigur, dass er einem leidtun konnte.

So wurde der halbstarke Wüterich zum Symbol für ein Spiel, das zwischen Ratlosigkeit, Komik und einer fragwürdigen Entwicklung des Fußballs insgesamt jeden Aspekt des modernen Fußballs abdeckte. Das Spektakel begann mit dem Bengalo-Regen der Hertha-Anhänger nach dem Rückstand. Die zweite rotglühende Offensive folgte gerade dann, als die Hertha den Anschlusstreffer erzielte. Faktisch klauten die eigenen Fans den Hertha-Akteuren jene Zeit, die ihr später fehlen sollte.

Das Unfassbare bekommt ein Gesicht
Als dann die Düsseldorfer-Fans einen Pfiff von Schiedsrichter Wolfgang Stark als Abpfiff fehlinterpretierten, folgte der große Sturm mit dem Rasendieb im Zentrum. Das Unfassbare bekam ein Gesicht. Es war einerseits die große Freude über den langersehnten Aufstieg. Andererseits spiegelte sich die vollkommene Komik dieses Spiels wider. Als gäbe es nicht wichtigeres und ebenso nicht selbstverständlicheres auf der Welt – so hebelte der Rasendieb den Elfmeterpunkt aus der Wurzel.

Die „Todesangst” und das „Blutbad” von dem später im Rahmen der juristischen Verhandlungen gesprochen wurde, ist ein weiteres Kapitel im Zuge der Konfrontation zwischen Fans und Verantwortlichen. Denn es war wohl mehr Dummheit und verfrühte Freude, die die Düsseldorfer auf den Platz trieb. Eine böswillige Absicht muss man dabei nicht zwingend unterstellen.

Beckham und der lockere Elfmeterpunkt
Hertha-Torwart Thomas Kraft beschwerte sich vor dem DFB-Gericht über den fehlenden Elfmeterpunkt. Ein normales Spiel sei nicht mehr möglich gewesen. Welche Auswirkungen ein loser Elfmeterpunkt haben kann, davon kann David Beckham ein Liedchen singen. Bei der EURO 2004 hatte „Becks” einen Elfmeter im Viertelfinale auch wegen des wackligen Kreidepunktes in den Nachthimmel geschossen.

Damals war dafür aber zumindest kein Rasendieb verantwortlich. Wobei: Die EM fand damals in Portugal statt, dem damaligen Gegner der Engländer. England verschoss also in Person von Beckham einen Elfmeter in Portugal gegen Portugal aufgrund von Rasenunebenheiten. War da doch ein Rasendieb am Werke, der zu Gunsten der Portugiesen pfuschte?

(Text: Jerome Kirschbaum)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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