Sport

Der Tor des Monats – Februar

Die Welt des Sports ist bunt und vielfältig, dabei nicht immer schlau und durchdacht. back view wird in dieser neuen Serie auf das Kurioseste, Lustigste oder Dümmste aus dem Monat zurückblicken. Wir küren für euch den Tor des Monats. Auf dass die Titelträger ein paar schlaflose Nächte bestreiten werden.


Es ist der 18. Februar 2012. Rene Tretschok sitzt halbwegs entspannt auf seinem Stuhl im Bauch des Berliner Olympiastadions. Die obligatorische Pressekonferenz nach seinem ersten und einzigen Spiel als Hertha-Interimscoach kann Tretschok entspannt angehen. Sein Team hatte gekämpft und phasenweise gut gegen den deutschen Meister aus Dortmund mitgehalten.

Die Blitzlichter der zahlreichen Kameras leuchten auf. Immerhin sitzt dort der Sportentertainer Jürgen Klopp. Und da sitzt auch Tretschok, der eigentlich als Trainer schon nach nur einem Spiel ausgedient hat, denn nun rückt die Verpflichtung von Trainer-Methusalem Otto Rehhagel in den Fokus. Tretschok weiß sicherlich selbst, dass er nicht nur Fragen über das Spiel, sondern auch zahlreiche Löcherungen über Rehhagel parieren muss. Die Blitzlichter flackern nicht umsonst auf, es bahnt sich Großes an.

Kobiashvilli, Libero, Rehhagel, Best-Ager – bitte was?
Rehhagel hier, Rehhagel dort – man weiß eigentlich, was einen auf dieser Pressekonferenz erwarten wird. Noch ein paar Augenblicke, dann haben sich die Medienvertreter gesammelt und geordnet, die Trainer und der Hertha-Pressesprecher üben schon ihre Geständnisse.  Und dann folgt die erste Frage. Es geht um den Spieler Kobiashvilli und dessen Rolle als Abräumer vor oder hinter der Abwehr:

„War es ihrerseits ein Bewerbungsschreiben für Otto Rehhagel oder würden Sie sagen, dass ihr Libero seine Rolle zu offensiv interpretiert hat und Rehhagel nun doch Rudi Guttendorf mitbringt? Und die zweite Frage: Können Sie bestätigen, Rehhagel bringt ja gerne einen Best-Ager mit, dass Wynton Rufer nach Berlin kommt?” (Klick hier, ab 4. Minute)

Eine Frage, die im Raum versackt. Unglauben. Tretschok sagt nichts, er kratzt sich am Auge. Übersprunghandlung… Was bitte? So muss sich doch Michael Ballack damals bei der EM 2008 vorgekommen sein. Wenn das ein Versuch von Komödiantentum sein sollte, dann gehe der Fragensteller bitte zu Hagen Rether und lerne, was wahre Satire ist. Auch Pressesprecher Stefan Bohmbach fragte nach, ob dies „nun eine Satiresitzung werden soll, oder was ist das hier?”

Rehhagel und die Vorkriegsjahrgänge
Doch Stefan Pribnow, seines Zeichens Herausgeber des Weltexpress, meint die Frage scheinbar ernst. Oder zumindest tut er so. Der lustige Pausenclown konkretisiert: „Ich meine das durchaus ernst. Gerne könnte sich auch Herr Gegenbauer noch zu Wort melden, weil ich ganz gerne wissen würde, ob Hertha BSC jetzt wie der Führer auf Vorkriegsjahrgänge setzt”.

Bumm! Das Geschoss ist aber gewaltig eingeschlagen. Hitler-Vergleiche werden nie gerne gesehen, das weiß doch jeder hier in der freien, demokratischen BRD. Herr Gegenbauer, Hertha-Präsident, meldet sich nicht zu Wort. Vielmehr ist es diesmal wieder Bohmbach, der kontert und Pribnow des Saales verweist.

Solche Dinge wolle man nicht mit der Presse bereden, erst recht nicht mit Vertretern des Springer-Verlages. Wir schenken uns mal den Einwurf, dass der Weltexpress zwar nicht zum Springermonstrum gehört. Aber gut, recht hat der Pressesprecher ja dennoch.

Hitler – mit dem macht man keine Späße
Denn Pribnow sollte wissen, dass jeder Vergleich mit Hitler einem später noch quer im Magen liegen kann. Er kann selbst großartige Karrieren zerstören. Bei aller Aufarbeitung und Entnazifizierung, Hitler ist immer noch ein Unwort, das wie ein Haufen fauler Pilze im Munde vegetiert. Mit dem macht man keine Späße.

Er ist der Du-weißt-schon-wer der BRD. Der germanische Lord Voldemort. Ein böser Mensch, mit dem will keiner verglichen werden. Und derartige Vergleiche lässt also keiner zu. Auch nicht Stefan Bohmbach. Er schmeisst Pribnow einfach raus. Und Tretschok macht doch noch den Ballack: „Ich hab‘ die Frage auch ehrlich gesagt nicht verstanden, muss ich sagen.” Kloppo, der Pöhler, lacht sich nebenan kringelig. Und dann geht die PK ihren ganz geregelten Weg.

Und das ist wohl auch der einzige Weg, der vernünftig scheint: Nicht vorhandenen Witz wahrnehmen, verurteilen, über die Dämlichkeit lachen, mit Alltag fortfahren. Und sie Herr Pribnow, bitte nicht nochmal machen. Wir haben erst mal genug gelacht. Und, ja toll, wir haben unseren ersten Tor des Monats, danke dafür dennoch!

(Text: Jerome Kirschbaum)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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