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Der schwarze Tod lebt

Die Bilder der Pest kennen viele nur im Zusammenhang mit dem Mittelalter. Mitte des 14. Jahrhunderts wütete der „schwarze Tod” in weiten Teilen Europas. Während der gemeine Europäer die Epidemie aus dem Bewusstsein verdrängt hat, grassiert die Pest immer noch in einigen Gebieten des Globus.
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Die Beulen und schwarzen Flecken an den Körpern der Infizierten sind Mahnmale der Vergänglichkeit. Was für viele wie mittelalterliche Relikte wirkt, ist in einigen Ländern noch ernste Realität. Insgesamt 28 350 Infizierte und 2 015 Todesopfer zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwischen 1994 und 2003. Diese Zahlen erscheinen verschwindend gering gegen die etwa 25 Millionen Todesfälle aus den fünf Jahren Pestepidemie Mitte des 14. Jahrhunderts.

Madagaskar – ein ernstes Beispiel
Solcherlei Zahlenspiele interessieren auf Madagaskar jedoch wohl kaum jemanden. Auf der afrikanischen Insel sind alleine in diesem Jahr 200 Menschen mit der Pest infiziert, 60 kamen in Folge der Krankheit 2011 bereits ums Leben.
Die madagassische Gesundheitsbehörde hatte die Zahlen vor einigen Tagen offengelegt. Bisse von Rattenflöhen sind – wie schon im Mittelalter – Ursache für die Erkrankung, die sich über die gesamte Insel verteilt. Die meisten Betroffenen meiden Arztbesuche aufgrund von Geldnöten, die Medikamente sind jedoch kostenlos. So wird die verspätete, oder ausbleibende Behandlung oftmals zum Todesurteil für die Bewohner der armen Pazifikinsel.

Resistenzgene
Parallel dazu sorgt eine weitere Nachricht für Besorgnis. Es wurde eine Immunität der Erreger gegen acht Antibiotika nachgewiesen. Die WHO empfahl stets die Behandlung mit Antibiotika, dieser Wirkstoff wurde nun partiell ausgehebelt. Bereits 2006 wurde vor einer solchen Entwicklung gewarnt, erste Anzeichen verdichteten sich nun. Die Resistenzgene haben die Flöhe scheinbar von Bakterien geerbt, die im Darm von Tieren und Menschen hausten. Vor allem in ärmeren Ländern wie eben Madagaskar würde dies eine noch schnellere, flächendeckendere Verbreitung fördern.

Aufgrund der schlechten Wohnverhältnisse und mangelnder Hygiene sind insbesondere weitere afrikanische Länder von der Pest befallen. So kam es in Algerien 2003 nach 50 Jahren der Ruhe zu neuerlichen Erkrankungen. Im Kongo grassierte 2005 die Lungenpest und forderte über 60 Todesopfer. 2006 starben über 100 Menschen im Osten Kongos an Lungen- und Beulenpest – die WHO meldet für östliche Gebiete des Staates bis zu 1000 Neuerkrankungen jährlich.

Auch Industriestaaten betroffen
Doch nicht nur verarmte Länder mit schmutzigem Trinkwasser oder mangelhafter, teils gänzlich fehlender, sanitärer Versorgung sind in den letzten Jahren betroffen gewesen.  Auch vermeintlich high-end-technisierte Staaten wie die USA erleben jedes Jahr die bittere Konfrontation mit der Realität.
Primär die südwestlichen Bundesstaaten der Amerikaner sind von der Pest betroffen. Jährlich stecken sich zwischen zehn und 20 Menschen mit der Krankheit an. Überträger sind hierbei meist Hauskatzen, die infizierte Erdhörnchen fressen. Die Krankheit überträgt sich dann durch Tröpfcheninfektion vom Tier auf den Menschen.

Mit China war 2009 auch ein weiterer Industriestaat nicht vom Ausbruch der Pest gefeit. Als im August 2009 der erste Todesfall gemeldet wurde, errichteten chinesische Behörden Straßensperren in der zur Provinz Qinghai zählenden Region Ziketan, um eine Massenflucht zu verhindern. Zudem wurde die Region, die größer als das Saarland ist – jedoch lediglich 10 000 Menschen beheimatet – unter Quarantäne gestellt.

Ein deutliches Warnsignal
Sollten sich die resistenten Gene durchsetzen und mehr als die bisher erreichten acht Antibiotika außer Kraft setzen, droht eine weitere Verbreitung der verschollen geglaubten Krankheit. Die Gefahr ist nicht so akut, dass der Boulevard mit Schockmeldungen um sich wirft. Dennoch sollten die Pest und ihre momentanen Entwicklungen ernst genommen werden.
Die WHO wäre gut damit beraten, eine seriöse, wirksame Gegenoffensive zu initiieren. Doch auch die Weltgemeinschaft darf nicht untätig zusehen, wie sich der schwarze Tod in Afrika ausbreitet. Die Transformation zur partiellen Immunität darf dabei als deutliches Warnsignal für die gesamte Erde gewertet werden.

(Text: Jerome Kirschbaum / Foto: Tobias Mittmann by jugendfotos.de)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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